Mit „From Disco to Disco“ gelang dem Kölner House-Projekt Whirlpool Productions im Sommer 1997 ein Nummer-1-Erfolg, der um die Welt ging. Einer der Köpfe von Whirlpool Productions, das 2022 mit dem Holger-Czukay-Ehrenpreis für Popmusik ausgezeichnet worden war, ist der gebürtige Mannheimer Hans Nieswandt. Mittlerweile lebt der ehemalige EinsLive-Moderator, Journalist (u.a. für Spex, Groove und taz) und Mitarbeiter des Goethe-Instituts in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Im Rahmen unseres „Städtetrip“-Formats hat er Einblicke in sein Leben in der südostasiatischen Megametropole gegeben.
Hi, Hans. Erzähl doch mal, was hat dich damals nach Seoul verschlagen? Wie lange lebst du nun schon dort?
Am kommenden Heiligabend sind es genau vier Jahre. Meine Frau war beruflich dorthin versetzt worden, da bin ich freudig mitgegangen. Wann hat man schon mal die Gelegenheit?!
Was imponiert dir am meisten an der Stadt?
Die technische Modernität ist beeindruckend, vor allem im Vergleich zu Deutschland. Das hohe Tempo, außer im Straßenverkehr – alles geht „balli-balli“, wie man dort sagt. Eine enorme Dynamik, ein hoher Erfolgsdruck, das bringt aufregende Ergebnisse, ist aber auch erschöpfend, vor allem für die jungen Leute.
Was war damals am gewöhnungsbedürftigsten, als du nach Seoul gezogen bist?
Das Wetter ist ziemlich extrem: Als ich im Winter ankam, war es für viele Wochen bitterkalt, minus 15 Grad, knochentrocken, jeden Tag blauer Himmel, kein Schnee, einfach nur furchtbar kalt. Frühling ist dann herrlich für ein paar Wochen, Hochsommer dann wieder unerträglich: feuchtheiß, 35 Grad, es regnet bzw. schüttet andauernd – gewöhnungsbedürftig. Anspruchsvoll ist auch das bergige Terrain, auf dem Seoul gebaut ist.
Hast du einen Lieblingsplace in der Stadt?
Nicht weit weg von meiner Wohnung gibt es einen kleinen, waldigen Berg, auf dem sich oben ein großartiger Outdoor-Trainingsplatz befindet. Da wandere ich so zweimal die Woche hoch und kenne dort auch schon jede Menge Senioren, die sich da oben fithalten.
Dein Geheimtipp, wenn man Seoul besucht?
Die Record Bar Tiger Disco, da läuft nur koreanischer Funk und Jazz aus den 70ern und 80ern, und so sieht es dort auch aus. Man geht am besten alleine hin, denn der Kollege, der den Laden macht, mag es nicht, wenn man sich unterhält. Man soll trinken und Musik hören. Ein tolles Konzept!
Wie sieht dein Alltag in der Stadt aus?
Die Zeit der großen Erkundungsstreifzüge liegt jetzt schon ein bisschen zurück, inzwischen bin ich tagsüber meistens zu Hause und arbeite in meinem Arbeitszimmer an der Produktion von Texten und Musik oder bereite mich auf DJ-Sets vor. Am Wochenende lege ich meistens irgendwo auf. Oder gehe wandern.
Im asiatischen Raum ist Seoul eine der großen Metropolen für elektronische Musikkultur. Gib uns ein paar Einblicke in die Szene.
Anders als z.B. in Japan oder auch in Europa wird die Idee des hungernden Artists, der sich kaum für den Markt interessiert und nur für seine Kunst, für nicht besonders attraktiv gehalten. Ich kenne diverse Underground-DJs, die unter der Woche in hochkommerziellen K-Pop-Teams arbeiten. Es gibt viele technisch supergute Electronic-Acts, in Bezug auf Originalität ist dort aber häufig noch Luft nach oben. Das Updaten von traditioneller koreanischer Unterhaltungsmusik mittels Electronic ist hier sehr beliebt. Das nennt sich „Newtro“ und es sind Vintage-Dinge, die modern adaptiert und instagrammable gemacht werden.
Was war das Verrückteste, das du in Seoul bisher erlebt hast?
Vermutlich meine unverhofften Engagements als Schauspieler und Fashion-Model, das hatte mir in Deutschland eigentlich noch nie jemand angetragen.
Abschließend ein paar Worte zur Musik. Was gibt’s Neues von dir?
Mein letztes Album „Flower Hans“ kam ja erst im März heraus, mit Hippie-inspirierter Disco-Musik. Ein neues ist bereits ziemlich weit fortgeschritten, das scheint aber mehr in Richtung Kraut-Wave zu gehen …