The new school oldschool – Technics SL-1200 MK7

Der heilige Gral. Die Benchmark für DJ-Turntables. Im Kultstatus vielleicht vergleichbar mit einer Roland TB-303. Nur dass die Bassline-Schleuder im Original schon lange nicht mehr produziert wird. Der Technics 1200er bekam nach 38 Jahren Bauzeit und zahlreichen Updates bis hin zum MK6 ebenfalls den Todesstoß. Mehr noch: Die Panasonic-Marke wurde gleich mitbegraben. 2014 aber dann, vielleicht auch aufgrund des weltweiten Flehens und Protestierens, die erste gute Nachricht: Technics ist wieder da. Zwei Jahre später die noch größere Erlösung: Der Zwölfer wird wieder gebaut.

Unmittelbar nach dem Neustart wurde zunächst die bevorzugte Hi-Fi-Gemeinde mit unterschiedlichen GrandClass-Ausführungen bedient: Luxus-Laufwerke, die je nach Version auch schon mal an der 4.000-Euro-Marke kratzten und zudem technisch nur eingeschränkt zum Auflegen taugten. Erst 2019 ging dann mit dem vollschwarzen SL-1210 MK7 wieder ein in Serie produzierter DJ-Turntable an den Start. Schon seine Bezeichnung signalisierte unmissverständlich, in welcher direkten Blutlinie er stand. Das reichte auch schon, um bei zahlreichen DJ-Traditionalist*innen einen Speichelfluss anzuregen, wie beim Pawlowschen Hund. Jedoch: Die neue MK-Generation ist, wie schon die GrandClass-Modelle, nicht mehr nur eine moderat überarbeitete Version des alten Musters. Sie ist ein von Grund auf neu konzipiertes Wheel-of-Steel. Alles andere wäre aber auch unwürdig gewesen für eine Marke, die ein Synonym für höchste Qualität und technische Innovation war. Seit 2021 ist schließlich auch der SL-2100 MK7 auf dem Markt. Da unlängst wieder die Meldung die Runde machte, dass 2022 mehr Vinyls als CDs verkauft wurden, werfen auch wir einen etwas verspäteten Blick auf das neue alte Arbeitsgerät.

Das Runde muss auf das Eckige
Da ist er nach langer Zeit mal wieder: Jener geradezu meditative Akt, bei dem man die Komponenten eines frischen Turntables aus der Verpackung hebt und sie zusammensetzt. Im Falle des MK sind das: das Hauptchassis mit Tonarm, der Plattenteller, das Tonarmgegengewicht, eine Headshell, die Slimpat aus klassischem Filz sowie ein zusätzliches Slip-Papier, ein Auflagegewicht und der Adapter-Puck für Single-Vinyls. Eine Abdeckhaube ist ebenfalls weiterhin Teil des Lieferumfangs, was bei Wettbewerbern leider kaum mehr der Fall ist. Die Federscharniere zur Befestigung wurden allerdings weggelassen, um bei einer Queraufstellung nicht zu stören. Möchte man direkt einen Vergleich zum MK2-Dino anlegen, so fällt auf: Sämtliche Strippen sind nicht mehr fest im Gerät verbaut, sondern lassen sich an- und abstecken: Strom über einen Kaltgerätestecker, die Phono-Outs über entsprechende Cinch-Anschlüsse und das Massekabel mittels Schraube. Das ist aber keine Neuerung, sondern war zumindest bei den Cinches ab dem MK4 schon so. Alle erforderlichen Kabel werden mitgeliefert.

Der mit zwei Kilogramm schwerste Technics-Plattenteller ever wurde im klassischen Aluminium-Druckgussverfahren hergestellt, besitzt jedoch jetzt unterseitig eine vollständige Kautschuk-Einlage, um Vibrationen abzufangen. Das Chassis besteht sogar aus einem völlig neuen Materialkomposit aus Alu-Spritzguss, dem Spezialkunststoff ABS sowie Glasfaser. Auch hier ist das Ziel klar: Bestmögliche Stabilität und Dämpfung, dazu noch bei verringertem Gewicht. So bringt der MK7 mit seinen 9,6 kg dann auch fast drei Kilogramm weniger als der Urtyp auf die Waage. Bei den höhenverstellbaren Standfüßen setzt der Hersteller auf eine neuartige Gummi- und Feder-Konstruktion. Sie stellt vor allem im Vergleich zu den weicheren Vertretern der GrandClass-Reihe bei seitlichen Erschütterungen, wie sie beim Scratchen oder Tischstößen auftreten, eine deutliche Verbesserung dar. In der Größe ist der neue Zwölfer mit den Vorgängern indes praktisch identisch. Lediglich in der Höhe ragt er um einen halben Zentimeter heraus. Einen technischen Unterschied zwischen dem 1200 MK7 und 1210 MK7 gibt es ebenfalls weiterhin nicht. Es ist lediglich die Farbgebung: Hier mit silberglatter Alu-Faceplate, dort im komplett schwarzen Look, der diesmal sogar Elemente wie den Tonarm einbezieht.

Versteckte Funktionen, neuer Direktantrieb
Bevor man den Teller auf die Spindel setzt, stößt man innerhalb des Gerätes auf eine Reihe mit sieben Setting-Switches. Hier lassen sich Grundfunktionen aktivieren oder ändern, für die es auf der Faceplate keine gesonderten Bedienelemente gibt. Technics mag es dort offenbar unverändert möglichst Retro-puristisch. So lässt sich über die Switches zum Beispiel die Laufrichtung umkehren, wenn man parallel die Geschwindigkeitstasten 33 und 45 rpm plus die Start/Stop-Taste drückt. Ebenfalls kann man sich in der Brems- und Durchzugskraft jeweils zwischen vier Optionen entscheiden. Voreingestellt ist das zweithöchste und auch offiziell angegebene Drehmoment von 1,8 kg/cm. Es geht aber mit der passenden Einstellung noch mehr. Hochfrisiert sind knapp 2,2 kg/cm möglich. Und wer drauf Wert legt: Auch die LED-Beleuchtung lässt sich per Switchschalter von Weiß auf Rot oder Blau ändern. Um später an die Schalterreihe zu gelangen, muss man zum Glück nicht den gesamten Platter wieder abheben. Sie sind so positioniert, dass sie sich durch die beiden Fingerlöcher im Teller erreichen lassen. Da wir gerade beim Antrieb sind: Hier bietet der MK7 eine der entscheidenden Neuerungen. Zum Zuge kommt ein eisenkernloser Direktantrieb mit digitaler Regelungstechnologie, wie sie u.a. bei Blue-Ray-Playern zum Einsatz kommt. Beim klassischen Eisenkernmotor mit seinen zwölf Magnetpolen gab es während der permanenten Umpolungsvorgänge immer wieder sogenannte Rastmomente. Sie sorgten für Mikrovibrationen und somit eine unterschwellige Laufunruhe. Mit dem neuen Direktantrieb wurden diese eliminiert und sollen den ohnehin legendären 1200er Gleichlauf abermals verbessern. Nominell ist die Gleichlaufschwankung weiterhin mit 0,025 Prozent angegeben.

Layout und Bedienung
Dass Technics einen Teufel tun und am grundsätzlichen Layout des neuen Zwölfers etwas ändern würde, war klar. Das Unternehmen hat schließlich den historischen Standard gesetzt. So bleibt bei der Bedienung im Wesentlichen alles beim Alten. Links unten der Strobolicht-Zylinder auf aufgesetzter Drehscheibe zwecks Ein- und Ausschalten des Tools. Darunter der große Start-Stop-Taster und rechts daneben die schmalen Buttons, um die Grundgeschwindigkeit für Longplayer oder Maxis bzw. Singles einzustellen. Die Nadelbeleuchtung lässt sich jetzt modern per integriertem Federmechanismus durch Druck aufs Köpfchen hervorholen und versenken, zudem verspricht die hellere LED auch eine weitwinkeligere Ausleuchtung des Nadelbereichs. Und auch beim feinfühligen 100-mm-Pitchfader hat sich Technics den Zeichen der modernen DJ-Zeit gebeugt. Die Pitch-Range lässt sich zwischen 8 und 16 Prozent umstellen. Zudem ist der Nullwert-Einrastpunkt im Pitchweg verschwunden und der Faderkopf kratzt dank vergrößertem Abstand nicht mehr an der Faceplate. Ein feinfühliges, hochpräzises Beatmachting ist also wie eh und je gesichert. Wer tatsächlich mal den Nullwert benötigt, kann ihn ad hoc mit einem dezidierten Pitch-Reset-Button ansteuern. Auch keine echte Neuerung, das gab es ab 2002 mit dem MK5 schon.

Gleiches gilt für die vorbildliche Tonarmsektion. Sie entspricht der GrandClass-Serie, wurde in der Basis überarbeitet und überzeugt mit dem kardanisch aufgehängten S-Tonarm aus Aluminium. Das Resultat ist zum einen jene absolute Spurtreue, die den Zwölfer schon vor Jahrzehnten zum Must-have für Hip-Hopper und dann Turntablisten machte. Setzt man ein hochwertiges, elliptisches Nadelsystem ein, kommt man mit dem MK7 zum anderen in den Genuss eines fantastischen Klangerlebnisses – behaupten nicht nur halbtaube FAZEer, sondern ebenso die Kolleg*innen prominenter Hi-Fi-Magazine. Und die haben zugegebenermaßen die weit besseren Referenzlaufwerke und Analysewerkzeuge als wir. Insofern sind auch die geforderten 950 Euro für den SL-1200 MK7 ein absolut fairer Deal. Er entzündet die kurzzeitig erloschene Fackel und trägt sie würdevoll ins neue Jahrzehnt.

Aus dem FAZEmag 134/04.2023
www.technics.com