Tinlicker – Menschlich sein

Foto: Raymond van Mil

Es ist so weit. Das mehrfach Platin- und Gold-prämierte Produzenten-Duo Tinlicker – das sind Micha Heyboer und Jordi van Achthoven – präsentiert sein neues Album „Cold Enough For Snow“, erhältlich über den frisch gegründeten [PIAS]-Ableger [PIAS] Électronique. Für den Nachfolger von „In Another Lifetime“ wählen die begnadeten Dance-Music-Schöpfer einen verstärkt songorientierten Ansatz, der sich anhand der zahlreichen Kollaborationen mit fantastischen Sänger*innen und Songwriter*innen unschwer nachweisen lässt. Um welche Features es sich handelt und was es mit einem Käse-Servierwagen im Rahmen der Albumtour auf sich hat, schildert uns Jordi van Achthoven im Interview.

„Das Album ist mehr songorientiert. Wir haben uns selbst herausgefordert, etwas mehr mit einem Indie-Sound zu spielen, den wir schon immer sehr mochten. Einige Kollaborationen, zum Beispiel mit Brian Molko von Placebo und Tom Smith von den Editors, haben uns dabei sehr geholfen“, erklärt Jordi. Eine herausragende Bedeutung spricht er der Zusammenarbeit mit dem Sänger Nathan Nicholson zu, der mit „Staring Down Sunset“, „Strawberry“ und „Crossroads“ gleich dreimal auf „Cold Enough For Snow“ vertreten ist und darüber hinaus Tinlickers Kollaboration mit Julia Church – ebenfalls mit zwei Songs vertreten – einfädelte.
Wer die Niederländer verfolgt, dem wird auch die allererste Single-Auskopplung „This Life“ (feat. Tom Smith) zu Ohren gekommen sein. Ein Feature, das Tinlicker nicht unbedingt erwartet hatten: „Die Zusammenarbeit mit Tom Smith war eine Riesenüberraschung für uns. Wir sind beide große Fans von seiner Arbeit bei Editors“, schwärmt Jordi. Neu ist bei „Cold Enough For Snow“ allerdings nicht nur der verstärkt songbasierte Ansatz, sondern auch etwas Grundsätzliches: das Label.

Nachdem die letzten beiden Tinlicker-Alben auf Anjunabeats bzw. Anjunadeep veröffentlicht worden waren, unterschrieb das Gespann für das Album kürzlich bei [PIAS] Électronique, einem taufrischen Ableger der [PIAS]-Labelfamilie, der sich – der Name kündigt es bereits an – auf elektronische Musik konzentriert. Jordi leistet Aufklärungsarbeit: „Vielleicht ist das ein guter Moment, um zu erklären, dass ein Wechsel zu einem anderen Label kein Grund zur Sorge sein sollte. Aber wir haben bemerkt, dass sich die Leute speziell in der Dance-Industrie aus irgendeinem Grund zusehends dafür interessieren, auf welchem Label man als Artist veröffentlicht. In anderen Sparten ist das nicht so. Interessiert es die Fans von … sagen wir mal Billie Eilish, bei welchem Label sie ihre Musik veröffentlicht? Wir hatten das Gefühl, dass wir einfach etwas Neues ausprobieren wollten. Es ist gut, aus seiner Komfortzone herauszukommen. Dadurch fühlt man sich wieder menschlich und bescheiden.“

Menschlich sein. Dazu gehört auch, sich hin und wieder mal eine Unachtsamkeit zu leisten – selbst auf dem hochprofessionellen Niveau, auf dem sich Tinlicker seit nunmehr einigen Jahren befinden: „Wir sind sehr glücklich und zufrieden mit dem Album und würden nichts ändern. Okay, vielleicht eine Sache. Irgendwo in ‚Blowfish‘ fehlt ein Hi-Hat-Loop. Den haben wir in dem ganzen Terminwahnsinn bei der Fertigstellung einfach vergessen.“ Auffallen dürfte das wohl kaum – ganz im Gegensatz zum Special, das bei der jüngst begonnenen Albumtour zum Einsatz kommt: ein Käse-Servierwagen. „Während unserer Show wird er auf die Bühne kommen, damit wir etwas Käse essen können“, erklärt Jordi. Wir wünschen einen guten Appetit.

„Cold Enough For Snow“ ist digital am 16. Februar via [PIAS] Électronique erschienen, Vinyl und CD sind ab dem 11. Mai erhältlich.

 

Aus dem FAZEmag 145/03.2024
Text: M.T.
Foto: Raymond van Mil
www.tinlicker.com