Tom Novy pres. Cosmic Soul: urbane Elektronik mit introspektivem Klang

Tom Novy pres. Cosmic Soul: urbane Elektronik mit introspektivem Klang

Tom Novy ist eine Ikone der elektronischen Musik. Mit internationalen Hits wie „Now or Never“, „Your Body“ und „Take it“ hat er nicht nur waschechte Hits produziert und damit wahnsinnige Chart-Erfolge gefeiert, sondern auch Clubs und Festivals weltweit geprägt. Seine jahrelange Residency im Space auf Ibiza gilt bis heute als legendär. Genauso wie seine Kolumnen für uns. Nach über zwei Jahrzehnten Erfolgsgeschichte wagt der DJ, Produzent und Labelgründer nun einen neuen kreativen Schritt: Mit „Cosmic Soul“ präsentiert er ein introspektives Projekt, das urban-elektronische Klänge mit entschleunigter, tiefgehender Musik verbindet. Auch ein Enfant Terrible, als das er für viele in der Szene gilt, schlägt irgendwann ruhigere Töne an. In diesem Interview spricht er über die Anfänge des Projekts, die kreative Explosion während der Corona-Pandemie und seine Vision von Musik, die nicht nur berührt, sondern auch zum bewussten Zuhören einlädt. „Cosmic Soul“ ist mehr als nur ein neues Kapitel – es ist ein Statement und ein Herzensprojekt. Passend dazu liefert er zeitgleich den ersten FAZEmag-Download-Mix im frischen Jahr 2025 ab.

Tom, Glückwunsch zu deinem Projekt! Entstanden ist es durch eine Anfrage deines ehemaligen MTV-Chefs Stephan Schwarzer während der Corona-Pandemie, korrekt? Warum hat dich diese Anfrage inspiriert, „Cosmic Soul“ zu starten?

Dankeschön. Naja, wie alle guten Dinge entstehen: Wir haben bei einem Glas Wein zusammengesessen und uns gedacht, dass es doch cool wäre, wenn man jetzt den Fernseher anmachen könnte, und es würden entspannte Landschaftsbilder oder Videos von Städten oder was auch immer laufen, und dazu würde tolle neue Lounge-Musik laufen.

Was war für dich der Moment, in dem du gemerkt hast, dass „Cosmic Soul“ ein Herzensprojekt werden könnte?

Es war ja schon immer in meinem Kopf, so etwas zu starten. Ich frage mich bis heute, warum dieses Musikgenre mehr und mehr in den Hintergrund rückt. Gerade angesichts dessen, dass die Welt sich jedes Jahr noch schneller dreht. Hier braucht man doch auch Musik, die einen entschleunigt, um dagegenzuhalten. Als die ersten Tracks schon in der Produktion so viel Spaß gemacht hatten, wusste ich, das ist es.

Du und Axel Latta habt während der Corona-Pandemie über 50 Tracks produziert. Was war das Besondere an dieser kreativen Phase?

Wir haben viel mit Audiofiles und Samples experimentiert und gespielt. Letztlich war es der Prozess, den jeder einmal im Studio durchmacht, der so viel Output dann hat. Von den 50 Tracks sind ja auch nicht alle Hits, aber sie drücken eine Stimmung aus. Eine Art Grundschwingung. Und „Cosmic Soul“ ist die Musik, die ich zu Hause oder im Auto auch viel höre. Da habe ich heute diesen Track als Favoriten und morgen einen anderen. Es ist vielschichtig.

Wie hat sich der Name „Cosmic Soul“ entwickelt, und warum passt er für dich so perfekt zu diesem Projekt?

Mmh, gute Frage. Genau weiß ich es nicht mehr, um ehrlich zu sein. Auf keinen Fall aber, weil ich jetzt spirituell oder so geworden bin. Es war eher der Gedanke dahinter, etwas zu verbinden. Quasi mein künstlerisches Ich dahinter. Es geht darum, „open-minded“ zu sein, seinen inneren Frieden zu finden und das mit Musik zu untermalen. Okay, Mist, das klingt jetzt doch echt „spiri“ (lacht).

Welche Herausforderungen gab es, als der Vertrag mit Nitron Music nicht verlängert wurde, und wie hast du dich davon motivieren lassen, dein eigenes Label zu gründen?

Das ist eine längere Geschichte, und sie handelt eher davon, wie traurig das Musikgeschäft heute funktioniert. Die Major-Labels wollen Musik nicht mehr entwickeln und vertreiben – viel zu aufwendig. Es gibt noch viele gute Leute, die damals wegen der Musik angefangen haben zu arbeiten und sich der Musik verschrieben haben. Diese werden jetzt langsam, aber sicher ausgetauscht und durch Social-Media- und Tech-Profis ersetzt. Den Trend kannst du überall gerade erkennen. Das heißt aber auch, dass es im Gegenzug ein großes Potenzial für Indie-Labels und Projekte gibt. Denn gute Musik wird immer einen Weg finden, gehört und bemerkt zu werden.

„Cosmic Soul“ hat mittlerweile zwei Gesichter: Downbeat und Upbeat. Wie entscheidest du, welcher Track in welche Richtung geht?

Das passiert rein im Produktionsprozess. Diese Melodie passt eher zu solchen Beats, und das Vocal zu so einer Stimmung. Je nachdem, was die Stimmen in meinem Kopf mir so mitteilen.

Du hast erwähnt, dass „Cosmic Soul“-Tracks oft von urbanen und elektronischen Einflüssen geprägt sind. Gibt es bestimmte Städte oder Kulturen, die dich dabei besonders inspiriert haben?

Unterhaching sollte hier genannt werden – der Münchner Vorort, in dem ich lebe. Spaß beiseite. Natürlich bin ich durch und durch ein urbaner Junge. Ich komme aus einer großen Stadt im Süden Deutschlands und habe viele Male die Welt bereist. Das schafft viel Raum für Eindrücke und Bilder in meinem Kopf, sich auszudrücken – egal, ob das Brooklyn in den 90ern ist oder London, wo ich viel Zeit verbracht habe. Ich sehe die Welt und baue Musik dazu in meinem Kopf.

Deine Anfänge als Hip-Hop-DJ und deine Liebe zu Acid-Jazz klingen bei „Cosmic Soul“ durch und sind quasi eine Hommage an deine jungen Einflüsse. Gibt es Pläne, noch stärker mit diesen Genres zu experimentieren?

Die gibt es schon. Ich würde gerne die Vocal-Samples, die auch toll sind, durch richtige Künstler ersetzen. Ein cooles Feature oder einen jungen Jazz-Musiker, der ein Solo spielt. Ich habe neulich auf einem Flug von Ägypten zurück nach München zufällig Adel Tawil getroffen. Wir haben mal gequatscht.

Wie sieht dein Workflow aus, wenn du an einem neuen „Cosmic Soul“-Track arbeitest? Gibt es feste Rituale oder völlig freie Prozesse?

Das ist meistens völlig frei. Ich suche mir Files, die zusammenpassen, und probiere es aus. Wenn etwas entsteht – gut. Wenn man sich verrannt hat, legt man es beiseite.

Das Album ist exklusiv auf Bandcamp erhältlich. Jeder Track des Albums erzählt eine eigene Geschichte. Kannst du ein Beispiel für einen Track nennen, der für dich besonders persönlich ist, und warum?

„Set me free“. Mich hat das Vocal so fasziniert. Der Refrain „Set me free“ geht schon tief: „I don’t know if I ever make it, at the end of the road, but as long as I just keep my baby, there’s gotta be some hope.“ Das Piano dazu mit den Backing-Vocals lässt eine Schwere erklingen, aber die Beats und die Trompete treiben es an. Der Track beschreibt eine Verzweiflung und den Wunsch nach Freiheit. Dennoch soll man an seiner Liebe festhalten und sich die Hoffnung bewahren, dass es besser wird. Ich weiß, das klingt dramatisch und düster, aber in der Musik geht es ja sehr oft um ein Grundgefühl und eine Situation, die man erlebt hat. Während der Corona-Pandemie, glaube ich, wären wir alle gerne wieder frei gewesen. Das „Eingesperrt“-Sein hat viel mit uns gemacht. Auch wenn der Track erst letzten Sommer entstanden ist – es schwingt nach und ist leider in unseren Köpfen und Herzen tief verankert. Wird Zeit, dass wir alle wieder frei sind.

„Set me free“ von Cosmic Soul:

Erzähle uns etwas mehr über deine Kanäle wie YouTube und Co., bei denen du z.B. die Videos alle selbst schneidest.

Uhh, ja, hier wollte ich das Bild zum Ton schaffen. Gar nicht so einfach. Ich habe in den letzten Monaten viel mit bewegten Bildern und den Möglichkeiten der KI herumgespielt. Ich bin noch kein Profi, aber es interessiert mich stark. Ich denke, hier kann man bald viel Kreatives erschaffen. Die Videos auf dem „Cosmic Soul“- und „Urban Electronic“-Kanal sind noch herkömmlich geschnitten und auch Footage, das ich hier und da gefunden habe. Sie sollen visualisieren und die Stimmung untermalen. Aber das Ziel ist es schon, die Geschichte des Songs – wie oben beschrieben – klar zu prompten, und die KI erschafft die Bilder bzw. das Video dazu. Hier könnte man die Maschinen nutzen, um seinen eigenen kreativen Prozess weiter zu erzählen, und nicht umgekehrt, wie es heute zu oft gemacht wird.

Eines der aktuellen Videos auf dem YouTube-Kanal von Cosmic Soul:

Du hast erwähnt, dass „Cosmic Soul“ Musik ist, die man bewusst hören muss. Glaubst du, dass es heutzutage schwieriger ist, Menschen für dieses bewusste Hören zu begeistern?

Unbedingt! Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen wird immer kürzer. Man kann froh sein, wenn einem jemand mehr als 20 Sekunden ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Deshalb bitte dieses Interview immer mal wieder kurz zur Seite legen und sich neu sammeln. Sonst wird das nix.

Gibt es Künstler*innen oder Produzent*innen, wo du dir vorstellen könntest, mit ihnen bei „Cosmic Soul“ zusammenzuarbeiten?

Unbedingt. Ich kann mir da viel vorstellen, denn es gibt bei dieser Musik ja viel Spielraum. Sogar Sven Väth könnte mit seiner tiefen Stimme ein Vocal dazu einsprechen – Ideen, die ihm durch den Kopf gehen, zum Beat. Das wäre schon spannend und würde auf jeden Fall „gude Laune“ machen.

Wie schätzt du die aktuelle Entwicklung urbaner elektronischer Musik ein? Glaubst du, „Cosmic Soul“ hat das Potenzial, in dieser Szene eine feste Größe zu werden?

Die aktuelle Entwicklung finde ich eher traurig. Dadurch, dass die Aufmerksamkeit so kurz geworden ist, passiert wenig Neues. Man versucht, einen kurzen Moment zu kreieren, der dann viral geht. Das ist extrem langweilig und wenig nachhaltig. Die Tracks aus den 90ern, die gerade alle wieder verwurstet werden, haben ein viel längeres Haltbarkeitsdatum als das meiste von heute. Ob „Cosmic Soul“ eine feste Größe wird, ist nicht mein Auftrag. Ich mache es, weil es mir großen Spaß macht, und die vielen Fans, die wir schon haben, hören das immer und immer wieder. Ich bekomme viel tolles und auch interessantes Feedback dazu. Das macht es spannend.

Wie schaffst du den Spagat zwischen deiner sehr erfolgreichen Karriere als Tom Novy und einem recht neuen Projekt? Und wie unterscheidet sich dein kreativer Prozess bei einem introspektiven Projekt im Vergleich zu deinen Dancefloor-Hits? Hast du ab und an Gefühle wie damals, als du begonnen hast?

Auch beim großen Tom Novy gibt es Auf und Abs des Schaffens wie bei allen Kreativen. Es geht ja nicht darum, groß zu sein oder zu werden. Es geht darum, gute Musik zu machen – egal, ob im Club oder im Studio. Es muss auch nicht jedem gefallen. Das wird heute leider missverstanden. Ich bin damals nicht angetreten, weil ich der große Tom Novy sein wollte. Ich bin angetreten, um Menschen mit meiner Musik glücklich zu machen und zum Tanzen zu bringen. Und das ist auch heute noch so. Ich glaube, ich habe das bis jetzt ganz gut hinbekommen. Gefühle wie damals gibt es da kaum. Es fließt alles immer mit ein. Die Erinnerungen und Erlebnisse, die Erfahrungen prägen uns ja.

Wenn du zurückblickst: Wie hat sich dein musikalischer Stil von deinen frühen House-Tracks bis zu „Cosmic Soul“ verändert?

Es gab immer viel Experimentelles über die Jahre. Eins ist gleich geblieben: Ich mag immer noch einen guten Song. Es muss etwas erzählt werden. Wenn heute neue Menschen kommen und sagen, dass sie „Now or Never“ dazu bewegt hat, zu heiraten und sie glücklich zusammen sind – das ist doch der Hammer.

Das Musikvideo zu „Now Or Never“ von Tom Novy feat. Lima, aus dem Jahr 2000:

Du hast gesagt, dass alle, die „Cosmic Soul“ gehört haben, begeistert waren. Was glaubst du, macht die Musik so besonders?

Ich glaube, dass sie sehr gut hörbar ist, weil sie wenig aufdringlich ist. Es war ja ursprünglich als Lounge- und Chill-Projekt gedacht. Dass jetzt Tracks entstanden sind, die songorientierter sind, ist doch nice. Wenn man den Mix mal anmacht und beim Kochen hört oder im Badezimmer beim Fußnägelfeilen oder ihn einfach mal im Auto laufen lässt, ohne alle 20 Sekunden eine WhatsApp-Nachricht zu schreiben, dann wird man es merken. Das Besondere an „Cosmic Soul“ ist, finde ich, dass es auch Musik ist, die einen gerade heute mal zum Ausruhen bewegen soll. Man kann ja, wenn überhaupt, nur mit dem Fuß tippen oder mit dem Hintern wackeln. Aber das reicht ja oft schon, um einen in eine bessere Stimmung zu versetzen.

Wenn du einen Traum hast, wie „Cosmic Soul“ in fünf Jahren aussehen soll, wie würdest du ihn beschreiben?

Wenn es ein Soundtrack für entspannte Menschen wird.

Wie siehst du die Rolle von Musik, die nicht auf Clubs oder Festivals abzielt, in einer Zeit, in der Streaming und schnelle Konsumierbarkeit dominieren?

Wie schon gesagt: Die Menschen hören zu wenig zu, und alles läuft zu schnell. Ihr kennt doch die Taste bei WhatsApp, mit der man die Sprachnachrichten schneller abspielen kann. So fühlt es sich aktuell an in der heutigen Gesellschaft. Wenn man „Cosmic Soul“ doppelt so schnell laufen lässt, wird Deep-House-Breakbeat daraus. Ein neues Genre. Spaß beiseite. Ich glaube, jeder von uns weiß, dass so, wie es aktuell überall läuft, es ein Blödsinn ist. Die Umkehr zum Alten wird es aber auch nicht geben. Die gab es nie. Wir müssen selbst ein neues Bewusstsein schaffen, wie wir Dinge erleben und erzählen wollen. Denn wenn wir so weitermachen, dann ist jedem klar, wohin das führt.

Was möchtest du den Menschen mit „Cosmic Soul“ vermitteln, abgesehen von musikalischem Genuss?

„Urban Electronic Musik für relaxed people“ schreibe ich oft zu neuen Tracks. Das trifft es ganz gut. Bleib cool und höre Cosmic Souuul. So ungefähr.

Ein Video auf dem YouTube-Kanal Urban Electronic:

In diesem Monat bist du für unseren offiziellen Download-Mix verantwortlich, bei dem du neue Tracks präsentierst. Erzähle uns mehr dazu.

Ich habe in den 90ern ja selbst viele Mixtapes geschnitten und gebastelt und immer wieder Tony-Touch- und DJ-Red-Alert-Mixtapes gehört. Jazzy Jeff hatte auch ein Side-Projekt, bei dem er alte Soul-Klassiker virtuos gecuttet hat. So etwas habe ich mal für euch zusammengestellt – wenn auch nicht ganz so virtuos wie Jazzy Jeff. Aber es soll euch mal auf den Planeten „Cosmic Soul“ bringen und wieder zurück. Ich weiß, dass es eine große Ehre ist, dass ich meinen Beitrag leisten darf diesen Monat, und dass die meisten Leser sich schon auf das neueste Hard-Techno-Set von Deborah gefreut haben. Aber im Januar wird jetzt mal gechillt. Alle Tracks sind written and produced by „Cosmic Soul” – Urban Electronic Music für entspannte Menschen.

Hier könnt ihr in das Album „Cosmic Soul“ von Tom Novy pres. Cosmic Soul reinhören und dieses käuflich erwerben:

Tracklist „Cosmic Soul“:
1. Set me free 02:54
2. May I 03:59
3. Hazy Dreams 04:09
4. Stand on the ground 04:28
5. La Voix de la nuit 03:40
6. Dance with you 03:25
7. Sad Piano 03:40
8. I Love you 03:20
9. Run to the Moon 04:05
10. So Sexy 06:00
11. All the Time 05:27

Das Album „Cosmic Soul“ von Tom Novy pres. Cosmic Soul ist am 11. November 2024 exklusiv über Bandcamp erschienen.

Aus dem FAZEmag 155/01.2025
Text: Rafael Da Cruz
Web: www.instagram.com/cosmicsoulbeats