Tomcraft – Mit Schwung ins neue Jahr

Neben dem Tiësto-Remake zu Da Hools „Meet Her At The Love Parade“ kursiert derzeit ein weiteres Remake eines echten Rave-Klassikers: „Loneliness“ von Tomcraft. Mit dem Track schaffte es der Regensburger 2002 auf Platz eins der deutschen Single-Charts, der Dance-Charts im Vereinigten Königreich und stürmte in zahlreiche internationale Top-10-Listen. Zusammen mit NL-Schwergewicht Hardwell und den Italienern von DJs From Mars hat Thomas Brückner alias Tomcraft nun eine Neuinterpretation von „Loneliness“ gewagt und den Hit in ein modernes Gewand schlüpfen lassen. Wie das klingt, wie Brückner sein erstes Rave-The-Planet-Intermezzo erlebt hat und wie er Weihnachten in seiner neuen Heimat Italien feiert, erzählt er uns im Interview.

Hi, Thomas. Anlässlich des Monats Dezember würden wir gerne mit einem kleinen Jahresrückblick starten. Wie hast du 2023 – das erste Post-Corona-Jahr – erlebt?

Nach der anfänglichen Euphorie, dass es endlich wieder losgeht, ging es leider nur sehr langsam voran. In vielen Clubs blieb der erwartete große Andrang aus. Manche Leute hatten noch Sorge, andere Corona-bedingt zu wenig Geld, aber viele haben etwas gebraucht, um aus ihrer Trägheit zu kommen. Die Wochenenden auf der Couch waren schon recht gemütlich und sind zur Gewohnheit geworden. Ich denke, es hat bis zum Sommer gebraucht, bis eine gewisse Normalität zurückkam.

Eines der größten Highlights war für dich sicherlich Rave The Planet. Wie bewertest du das Projekt nach der zweiten Ausgabe? Gab es Dinge, die 2023 besser gemacht wurden als beim Debüt?  Was könnte man langfristig noch optimieren?

Bei der ersten Ausgabe musste ich leider kurz zuvor absagen. Umso mehr habe ich mich auf die zweite Edition gefreut. Ich kam recht spät an und musste mich durch die Menge wühlen, um meinen Wagen (Westbam & Friends) zu finden – das war schon mal der totale Flash. Ich war überwältigt von den Menschenmassen und der ausgelassenen, feierwütigen und friedlichen Stimmung. Mein Set hat unglaublich Spaß gemacht und die Meute um uns herum hat die Kuh ganz steil an die Wand fliegen lassen. Dass ich nächstes Jahr wieder dabei sein werde, steht seit diesem Tag schon fest.

Schade fand ich, dass sich die Menge an der Siegessäule gelichtet hat. Dafür mag es vielleicht organisatorische Gründe geben, aber diesen historischen Platz müssen wir wieder zurückbekommen. Die Scherben am Boden waren beim Verlassen der Parade ein echter Spießrutenlauf. Leute: So schwer ist es nicht mit dem Entsorgen oder Vermeiden eurer Glasflaschen!

RTP 23 mag ein voller Erfolg gewesen sein, doch die Parade ging auch mit einem unfassbaren Orga-Chaos im Vorfeld einher. Wie hast du das Hickhack wahrgenommen? 

Dass es dem RTP-Team nicht leicht gemacht werden würde, war eigentlich klar. Allerdings kam es einem auch so vor, dass die Hürden für die Organisation sehr hoch bzw. auch willkürlich aufgestellt wurden. Dass dann am Tag der Parade noch unklar war, ob sie überhaupt stattfinden darf, hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Großes Lob an Motte und sein Team, an diesem Vormittag so starke Nerven bewiesen zu haben. Die finanzielle Seite ist auch nicht zu unterschätzen. Also liebe Besucher: Fünf Euro zu überweisen, bringt keinen um, sonst zahlt ihr auch teilweise Unsummen an Eintritt für diverse Festivals!

An der musikalischen Front gibt es bei dir eine echte Kracher-News. Du hast dich mit Hardwell und DJs From Mars zusammengetan, um deinen Klassiker „Loneliness“ in ein neues Gewand zu hüllen. Wie kam die Zusammenarbeit zustande? Von wem ging die Idee aus?

Ich habe die DJs From Mars auf einem Festival in Estland kennengelernt und seitdem waren wir in Kontakt. Sie haben mich gefragt, ob sie ein „Loneliness“-Mash-up spielen könnten. Ich weiß gar nicht mehr, was sie dazu gemischt haben, aber es war schon eine Idee der aktuell veröffentlichten Version zu hören. Als die Mars-Buben dann mit Hardwell auf Tomorrowland gespielt haben, wurde der dritte Act im Bunde eingetütet – und alles nahm seinen Lauf.

Der Track erhielt bereits vor rund drei Jahren eine Frischzellenkur – von dir, Moguai & Ilira. Kannst du die beiden Versionen für uns mal vergleichen?

Das ist so ähnlich wie die Sache mit den Äpfeln und Birnen. Die Version mit Moguai & Ilira ist kommerziell und vor allem Pop-kompatibel. Die neue Version mit Hardwell und DJs From Mars ist sehr nah am Original, aber im aktuellen Wuchtbrummen-Gewand von 2023. Mir gefällt der Rave-Faktor daran, weil das 2002 auch der Ursprungsgedanke war.

Remakes von Klassikern befinden sich derzeit voll im Trend. Von der Hörerschaft wird das meist mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Wie fällt das bisherige Feedback zur neuen Version aus? Gibt es Leute, die dich dafür verurteilen? Für viele sind Klassiker ja unantastbar …

Ich war gespannt und auf alles gefasst, um ehrlich zu sein. Umso mehr hat mich das sehr positive Feedback gefreut. Mich ehrt es sehr, dass bei manchen das Original bevorzugt wird, aber es sind eben auch 20 Jahre vergangen. Die neue Generation kennt das Original oft nicht mehr. Also ist es für mich ein Glücksgefühl, diesen Track den Raver*innen heute auch standesgemäß präsentieren zu können.

Worauf kam es dir beim 2023er Remake an? Welche Elemente sollten unbedingt erhalten bleiben und an welchen Stellen hast du Hardwell und DJs From Mars größtenteils freie Hand gewährt?

Die DJs From Mars haben mir, nachdem wir öfter darüber gesprochen haben, eine erste Demoversion zugeschickt. Wir haben uns darauf geeinigt, nah am Original zu bleiben, keine neuen Elemente einzubauen, die Instrumentierung zu aktualisieren und die neue Version voll auf 2023 aufzublasen. Dann habe ich mich ein wenig rausgehalten, weil es immer schwer ist, an eigenen Tracks zu schrauben. Somit hatten Hardwell und DJs From Mars freie Hand und haben mich mit dem Ergebnis sehr zufrieden gemacht.

Du bist ja immer sehr umtriebig im Studio. Wann können wir Deine nächste Solo-Single erwarten und sollte nicht auch ein Album kommen?

Die nächsten beiden Releases „That Beat“ und „Rude Place“ sind bereits aufgenommen und ich darf euch bald damit beschallen. Das Studio steht nicht still, ich auch nicht, und deswegen wird 2024 viel kommen. An ein Album denke ich erstmal nicht. Ich möchte gute Produktionen veröffentlichen und sie mit euch feiern.

Weihnachten steht vor der Tür. Wie begehst du das Fest der Liebe? Du bist ja mittlerweile nicht mehr in Deutschland ansässig, sondern ausgewandert. Wo lebst du aktuell und wie wird dort Weihnachten gefeiert?

Seit ich mit meiner Familie in Italien lebe, hat sich für uns Weihnachten nicht wirklich verändert – außer vielleicht durch ein deutlich angenehmeres Klima. An Heiligabend gibt es lecker Fondue, Geschenke und wir genießen gemeinsam die staade (hochdeutsch: ruhige) Zeit. Die Italiener*innen feiern erst am 25.Dezember und machen den Amerikaner*innen mit ihrer Weihnachtsbeleuchtung ernsthaft Konkurrenz. Gefährlich wird es, wenn man über die Feiertage bei Freund*innen eingeladen wird. Diese unfassbaren Mengen an Essen, die aufgetischt werden, können einem schon mal Angst machen und sind nur mit einem vorherigen Magendehnungstrainingscamp (tolles langes Wort) zu bewerkstelligen.

Ein kurzer Ausblick inklusive Vorsätzen für 2024?

Die Wiedergeburt des guten alten Raves, wie ich ihn in den 90ern erleben und produzieren durfte, macht mächtig Laune. Deshalb wird es in dieser Richtung mehr geben und ich kann mich wieder in alter Manier austoben. Außerdem will ich mit dem Rauchen aufhören, mich gesünder ernähren … bla … bla … bla – alles Quatsch – klappt eh nie, also weiter geht’s wie gehabt und mit vollem Elan auf ins Jahr 2024!

„Loneliness“ ist am 3. November via NITRON Music erschienen.

Aus dem FAZEmag 142/12.2023
Text: M.T.
www.tomcraft.de