Tosca – Wie neu geboren

Credit: Markus Rössle

So konstant wie sich das Projekt Tosca mit seinen Dub-Kompositionen darstellt, so vielfältig ist es aber auch seit den 90er-Jahren bis heute geblieben. Für die beiden Wiener Freunde Richard Dorfmeister und Rupert Huber ist das Thema Wiedergeburt ein wichtiger Antrieb ihrer Kreativität, was man bei all ihren Alben erlebt. Die DNA bewahren, aber neue Ufer entdecken und ausprobieren. Und ihr neuntes Studioalbum „Osam“ steht natürlich genau in dieser Tradition.

Der Begriff „Osam“ kommt aus dem Serbokroatischen, einer Sprache, die in Wien – seit vielen Jahrhunderten ein Melting Pot der Kulturen – traditionell sehr oft zu hören ist. „Vor allem seit dem Fall des ,Eisernen Vorhangs‘ gibt es auch wieder einen starken persönlichen und kulturellen Austausch zwischen den seit hunderten Jahren verwobenen Regionen. ‚Osam‘ ist ein Ausschnitt aus einem Fieldrecording, in dem jemand auf Serbokroatisch zählt – ein auf den Straßen Wiens nicht ungewöhnliches Ereignis“, erklärt Rupert Huber. Übersetzt heißt „Osam“ „Acht“, weil die beiden in der Konzeptionsphase noch dachten, dass sie nun am achten Album säßen. Darüber hinaus ist es aber auch gleichzeitig das mittelalterliche Symbol des Neustarts – und so blieb es beim Titel, der damit auch den roten toscaesken Faden der Wiedergeburt aufnimmt. Wobei dieses Thema nicht ein festes Konzept bildet, vielmehr ist der Umgang damit intuitiv, wie Rupert erklärt: „Nicht alle künstlerischen Entscheidungen sind bewusst oder verbalisierbar … Es ging uns eher um die Lust and der musikalischen Momentaufnahme, den Spaß am Produzieren, jedes Mal aufs Neue eine Art Wiedergeburt im Studio.“

Die Tatsache, dass sich Richard und Rupert seit ihrer Schulzeit kennen und seitdem auch zusammen Musik machen, ist ungewöhnlich, aber auch sehr faszinierend. Die drei Faktoren, die das ermöglichen, sind Toleranz, Dialogbereitschaft – und eben Musik. „Normalerweise lebt man sich musikalisch auseinander, aber bei uns ist das eher ein Lifetime-Projekt, und tatsächlich beschreibt jedes Album einen gewissen Lebensabschnitt – manchmal gut, manchmal besser“, erklärt Richard. Und so haben sich die beiden auch einen eigenen Produktionsablauf angeeignet, der ihnen den Freiraum gibt, alle Ideen gemeinsam umzusetzen, was wiederum auf einem gemeinsamen Musikverständnis und gemeinsamen Erlebnissen in den letzten Jahrzehnten basiert. „Wenn man zu zweit arbeitet, entsteht ein Prozess, der musikalische Ideen in einer anderen Form ausfiltert als wenn man allein arbeiten würde, aber oft entstehen Ideen auch ganz zufällig ohne große Planung. Genial ist, wenn es gelingt, den Workflow so lange wie möglich ohne große Unterbrechungen aufrechtzuerhalten, es gibt ja permanent Ablenkung. Es gibt auch immer kreative Momente, die es einzufangen gilt – dabei sind manche Tage besser als andere. Es ist auf jeden Fall immer ein magischer Moment, wenn etwas Gutes, Neues entsteht“, erklärt Richard zur Studioarbeit.

„Es ist ein schönes Gefühl, ‚Osam‘ in die Welt zu entlassen, es ist ein schönes, gesundes und eigenwilliges Kind, das genügend Zeit hatte, laufen zu lernen und nun neugierig ist zu wissen, wie die Welt da draußen aussieht“, erzählt Rupert freudig in der Phase der Albumveröffentlichung. Aber die Augen sind natürlich auch schon auf die Zukunft gerichtet. Denn ebenfalls Tradition ist es, ein Remix-Album dem eigenen hinterher zu schicken, wie bei allen Alben zuvor auch. Remixe sind zwar schon in Planung, aber jetzt richten sich erst einmal die Augen auf „Osam“ und den Sommer, wie Richard abschließend erzählt: „Wir werden wie gewohnt unsere Recording-Sessions weiterführen und versuchen, den Sommer so gut es geht zu genießen.“


Aus dem FAZEmag 124/06.2022
Text: Tassilo Dicke
Foto: Markus Rössle
www.instagram.com/toscamusic