Trentemøller – Ein ganz natürlicher Prozess


Fast wäre der ganze Zeitplan durcheinander geraten. Aber als Anders Trentemøller dann im Mai das Vorprogramm für die Deutschlandtermine von Depeche Mode bestritt, war die ganze Hektik schon wieder vergessen und er  um ein paar unvergessliche Momente reicher. Denn als der Anruf des Managements der britischen Band kam, ging es bei ihm gerade um den finalen Schliff des neuen Werkes „Lost“. Die Ruhe verlor der Däne aber nicht, alles lief wie geplant, und wir dürfen uns auf ein Dutzend neuer Songs freuen, die Anfang September als Gesamtwerk über die Ladentheken gehen.

Drei Jahre sind seit seinem letzten Album „Into The Great Wide Yonder“ vergangen, das noch einmal eindrucksvoll bewies, dass sein Debüt „The Last Ressort“ keine Eintagsfliege war und sich hinter dem in der Öffentlichkeit hauptsächlich als Macher  tanzorientierter Musik wahrgenommenem Produzenten ein äußerst veritabler und leidenschaftlicher Albumkünstler und Musiker verbirgt. Und obwohl seine musikalischen Wurzeln und jugendlichen Gehversuche weniger elektronischer Natur waren, kam dann doch alles anders. Die ersten öffentlichen Spuren hinterließ Anders ab 1997 als Live-House-Act gemeinsam mit Tom van Hosen. Sie tourten recht erfolgreich durch Dänemark, traten sogar auf dem Roskilde Festival auf und lieferten einige Remixe und Tracks ab. 2000 war allerdings Feierabend, und von da an ging es langsam auf Solopfaden los, die vor allem durch diverse Eigenproduktionen in Schwung kamen. So sehr in Schwung, dass auch Steve Bug auf den gebürtigen Vordingborger aufmerksam wurde und ihn auf seinen Labels Audiomatique und Poker Flat veröffentlichen ließ, was Trentemøller ein breiteres und internationales Publikum bescherte. 2006 folgte das bereits erwähnte Debütm und nun liegt uns Nummer 3 vor: „Lost“

Wann hast du dich das letzte Mal verloren gefühlt?
Trentemøller: Das war als kleines Kind im Supermarkt. Ich habe nur einen Moment nicht aufgepasst und war allein. Mir selbst kam das wie eine halbe Ewigkeit vor, aber das lag in diesem Moment wohl eher an meiner von Panik geprägten Wahrnehmung. Aber worauf du hinaus willst: Der Titel des Albums hat für mich eher eine andere Bedeutung, denn das ist das Tolle an diesem Wort, dass es eben auch positiv verwendet werden kann. Ich meine so was wie „Lost in Music“, „Lost in Love“ oder auch ein wenig die Selbstkontrolle verlieren.

Und wie sehen bei dir dann solche Situationen aus?
Ich sitze beispielsweise im Studio, mitten in einem kreativen Prozess. Alles läuft gut und passt, keiner stört, kein Telefon klingelt, und ich bin einfach im Hier und Jetzt gefesselt, so dass sich nach und nach so eine magische Situation entwickelt und die Stunden wie im Flug vergehen. Das passiert nicht immer, jede Schaffensphase hat natürlich neben ihren Höhen auch Tiefen.

Wie gehst du gegen die Tiefen an, hast du da ein Rezept?
Ich versuche nichts zu erzwingen. Früher vor rund zehn Jahren habe ich das noch probiert, doch mittlerweile habe ich für mich erfahren, dass das zu nichts führt, es muss ein gleichmäßiger Prozess sein. Einfach dann mal eine Runde spazieren gehen oder direkt einen Cut machen.

Im Mai diesen Jahres gab es einige Gigs im Vorprogramm von Depeche Mode in Deutschland. Das war doch bestimmt auch eine besondere Begegnung?
Auf jeden Fall! Ich hatte ja schon mal einen Remix für ihren Song „Wrong“ gemacht vor ein paar Jahren, und nun rief das Management an, ob ich nicht Lust hätte, vor ihnen aufzutreten. Da musste ich gar nicht lange überlegen. Als Teenager ist man ja mit Depeche Mode aufgewachsen, und Martin Gore hat einige der schönsten Popsongs geschrieben. Allerdings hat mich das zeitlich in große Kalamitäten gebracht, weil ich mich gerade mitten im Mastering für „Lost“ befand und auch nicht einfach nur mit dem alten Live-Programm auf die Bühne wollte. So war ich dann eine zeitlang tagsüber im Studio, und abends habe ich dann noch mit der Band geprobt und versucht, neue Versionen von meinen Songs zu finden, die wir dann auch jetzt in diesem Sommer auf diversen Festivals spielen konnten.

Wann hast du denn mit den Arbeiten zu „Lost“ angefangen?
In der Regel ist das ein übergangsloser Prozess ohne einen bestimmten Anfang, aber dieses Mal war es schon ein bisschen anders, weil ich mit meiner Band so lange unterwegs auf Tour für „Into The Great Wide Yonder“ war. Wir haben in knapp eineinhalb Jahren über 130 Shows gespielt. Fünf Tage nach dem Ende der Tour, es waren die beiden Abschlusskonzerte in Kopenhagen, aus denen das Live-Album („Live In Copenhagen“) entstand, saß ich endlich wieder im Studio und sehnte mich danach, wieder ganz allein loszulegen.

Wie läuft das dann ab?
Am Anfang steht in der Regel mein Klavier. Da setze ich mich dran und fange an zu spielen, ganze ohne Studiotechnik. Einfach mit den Ohren zuhören und immer wieder mit dem iPhone ein paar Ideen, Akkorde oder Melodien aufnehmen. Zwei Prozesse gibt es bei mir, das Songwriting und die eigentliche Studioarbeit. Ersterer ist für mich der wichtigere, weil hier einfach die Songs entstehen. Und gerade bei diesem Album war das sehr wichtig, denn die Vocaltracks brauchen ein starkes Skelett, eine starke Melodie. Die meisten starten mit dem Klavier, und erst später transferiere ich eine Bassline, Akkorde oder Synthies. Und natürlich gibt es auch viele Skizzen, die nicht funktionieren. Ganz zum Schluss lasse ich dann z.B. Gitarre und Drums, die ich nicht so gut spiele, von meiner Band einspielen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Sängerinnen und Sängern, was für eine Herangehensweise hast du da?
Wenn ich mit meinen Melodien anfange, dann spüre ich in der Regel recht schnell, dass diese Skizze ein Vocaltrack werden kann und arbeite entsprechend weiter an der Melodie und und den Akkorden. Die Idee, wer den Song singen könnte, kommt auch ebenfalls recht schnell. Als ich nachts „The Dream“ schrieb und rasch wusste, dass er zu Mimi Parker von Low – eine meiner liebsten Sängerinnen – passen würde, da hörte ich dann ihre Stimme im Song, als ob ich ihn für sie geschrieben hätte, ohne es zu wissen.

Hast du denn deine Wunschpartner alle bekommen?
Ja, tatsächlich, ich konnte alle überzeugen, meine Songs, die ich ihnen zugeordnet hatte, zu singen. Mimi Parker (Low), Jana Hunter (Lower Dens), Jonny Pierce (The Drums), Ghost Society, Kazu Makino (Blonde Redhead), Sune Rose Wagner (The Raveonettes) und natürlich auch wieder Marie Fisker, die zur Band gehört. Natürlich hätte es bestimmt auch mit anderen funktioniert, aber ich bin überglücklich, dass es nun so gekommen ist. Und vielleicht haben sich die Künstler ja auch irgendwie in den Songs wiedergefunden, die ich für sie geschrieben habe. Im Fall von Mimi war das übrigens ein hartes Stück Arbeit, weil sie lange Zeit weder über Internet, noch über Telefon zu erreichen war.

Das Format des Albums mit seinen Strukturen scheint dir ja sehr am Herzen zu liegen.
Ja, ich bin immer noch Feuer und Flamme. Natürlich ist ja heutzutage so, dass sich vor allem die jüngeren Musikhörer gerne mal einen Track bei iTunes kaufen oder ein paar andere bei Spotify hören. Aber als Musiker selbst hast du natürlich die Chance eine Art Geschichte zu erzählen und dein musikalisches Universum zu präsentieren. Da muss alles durchdacht sein, bis hin zur Reihenfolge der Tracks, damit das ganze Gebilde einen Sinn ergibt und seinen richtigen Weg, Stil und seine Dynamik findet.

Wie würdest du deine drei Alben in Beziehung zueinander sehen? Hast du dir jedes Mal einen anderen Ansatzpunkt überlegt?
Nein, eher nicht. Für mich fühlt sich die ganze Entwicklung sehr natürlich an. Der erste Longplayer war noch elektronisch orientierter, hatte aber schon eine gewisse Melancholie, und ich habe sehr viele verschiedene musikalische Ebenen erforscht. Beim zweiten Album habe ich, mit der guten Erfahrung aus dem ersten Album im Hinterkopf, dann mehr Instrumente reingepackt, habe vor allem cinematoskopische Gitarren in den Vordergrund gestellt, während ich dieses Mal mehr an den Songstrukturen gearbeitet habe. Aber wie ich schon sagte, das ist ein fließender, natürlicher Prozess. Ich habe mir das nicht jeweils vorgenommen, es passierte einfach. Wenn ich einem Weg folge, dann versuche ich nicht, daran etwas zu ändern oder die Richtung zu wechseln.

Weiterhin veröffentlichst du deine Musik auch auf deinem Label In My Room?
Ja, es ist mir sehr wichtig, dass ich meine eigene Plattform habe und damit auch die hundertprozentige Freiheit. Manchmal wäre es vielleicht besser, wenn man Druck von oben bekommen würde, um mehr Geld zu verdienen. Aber ich müsste mehr Sachen machen, die ich eigentlich nicht machen möchte. Dann verdiene ich lieber etwas weniger Geld, habe aber mein musikalisches Universum und kann verhindern, dass meine Musik z.B. in McDonalds-Spots auftaucht oder irgendwelche Clips ohne mein Einverständnis gedreht werden.

Eine künstlerische Freiheit, die Anders Trentemøllers musikalisches Erscheinungsbild sehr prägt. Ebenso seine angenehme Zurückhaltung, die allerdings fast schon in Richtung Eremit geht, wenn man hört, wie oft er sich in seinem Studio (daher der Labelname In My Room) vergräbt. Kein großer Clubgänger oder Lautsprecher, da bevorzugt er lieber ein gemeinsames Bier mit seinen Freunden. „Das Lustige daran ist, dass ich eigentlich nie der Typ für Clubs war, selbst als ich noch mehr mit meinen House- und Techno-orientierten 12Inches wahrgenommen wurde und durchgestartet bin.“ Seine eh schon seltenen Live-Sets in Clubs werden dementsprechend auch immer seltener, Anders ist letztlich genau da gelandet, wo er hin wollte: auf der  Konzertbühne, an den Instrumenten, auch wenn es in den letzten Jahren einige Abstecher gab. „Es ist für mich eine große Genugtuung meine eigene Musik mit guten Musikern live zu spielen, die bei mir im Studio an meinem Klavier ihren Start genommen hat.“ Dieses Live-Erlebnis wird es auch bald wieder geben. Im November startet die Europatour inklusive einiger Termine in Deutschland, die ihr nicht verpassen solltet.

Kurz & knapp

Meine erste selbstgekaufte Platte …
… war von einer dänischen Rockgruppe namens Gasolin. Ich war etwa zehn Jahre alt.

Mein erstes Instrument …
… war ein Klavier.

Mein erster Gig …
… war kein gewöhnlicher „Gig“. Als ich elf Jahre alt war, schrieb ich für ein Stück an der Schule die Musik, und meine Klassenkameraden/-innen, die mitgespielt haben, haben meine Musik dann gesungen. Das war großartig für mich, und ich habe erstmals realisiert, dass ich meine eigene Musik schreiben konnte.

Mein bisheriger Lieblingssong 2013 …
„She Will“ von Savages

Mein Lieblingssong generell …
„Venus In Furs“ von Velvet Underground & Nico

Die beeindruckendste Musikerin, die ich jemals getroffen habe …
Mimi Parker von Low.

Weil …
… sie so eine eigene und einzigartige Stimme hat. Es ist mir eine große Ehre, dass ich sie auf meinem Album habe.

Ein Tag ohne Musik …
… passiert  sehr selten.

Wenn ich 50 Jahre alt bin …
… werde ich immer noch Musik machen und sicherlich etwas dicker sein.

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www.anderstrentemoller.com