U96 und Wolfgang Flür – Treffen der Generationen

 

Sowohl U96 als auch Kraftwerk besaßen in den 1970er-,1980er- und 1990er-Jahren eine absolute Vorreiterrolle innerhalb der elektronischen Musikszene. Jetzt kommt es (abermals) zur großen Kollaboration, denn U96 (Ingo Hauss & Hayo Lewerentz) und der Ex-Kraftwerk-Schlagzeuger Wolfang Flür veröffentlichen nach „REBOOT“ ein weiteres gemeinsames Album – „Transhuman“.

 

Auch wenn U96 und Kraftwerk ihren Karriere-Höhepunkt in verschiedenen Jahrzehnten hatten, so ist eine gewisse Ähnlichkeit der Sounds nicht von der Hand zu weisen. Unterschiede hingegen würden sich vor allem durch die musikalische Sozialisation der beiden Gruppen definieren: „Wolfgang ist viel früher musikalisch erwachsen geworden. Er ist früher in den Kontakt mit exotischen elektronischen Instrumenten gekommen und das spiegelt sich auch im Sound wider“, so U96. Viel wichtiger sei jedoch die gemeinsame Liebe zur elektronischen Musik.

Der erste Kontakt zwischen U96 und Wolfgang Flür entstand übrigens vor einigen Jahren auf einem Literaturfestival in Hamburg. Anschließend telefonierte man häufiger und beschloss, etwas Gemeinsames zu produzieren. „Zukunftsmusik“ und „Hildebrandlied“ kamen sehr gut an, sodass der Entschluss gefällt wurde, zusammen ein Album zu produzieren. Aber auch in menschlicher Hinsicht harmonieren die drei Allstars perfekt miteinander.

Bekannt geworden ist Wolfang Flür zweifellos durch seine Tätigkeit als Kraftwerk-Schlagzeuger. Der 73-jährige verfolgt allerdings auch stets andere interessante Projekte, wie beispielsweise sein ehemaliges Live-Lese- und Musikprogramm „Yamo-Spektakel“, das sich mittlerweile zu einem Dance-Projekt gewandelt hat und als „Musik-Soldat“ große internationale Erfolge feiert.

Unvergessen bleibt sein ZDF-Auftritt aus dem Jahre 1973, bei dem Flür ein damals neuartiges Elektroplattenschlagzeug zur Schau stellte und die Zuschauer mit herunterhängenden Kinnläden zurückließ. Die Entwicklung der Musikproduktion betrachtet er mit gemischten Gefühlen: „Es gibt mittlerweile viel mehr Möglichkeiten […], doch auch wenn die Technik einem heute vieles abnimmt, ist das Live-Produzieren auf der Bühne immer noch das Größte.“

Apropos Entwicklung – Der Wandel von Mensch, Gesellschaft und Technologie stand schon immer im Mittelpunkt der Musik von U96 und Kraftwerk. Auch „Transhuman“ vertritt an dieser Stelle wieder eine klare Message: „Es geht um die zu schnelle Transformation der Menschheit hin zu einer Gesellschaft, in der Fiktion und Realität manchmal schwer zu differenzieren sind und somit neue Herausforderungen an unsere Demokratie und Weltoffenheit gestellt werden. Fake News meets Informationsgesellschaft sozusagen. In unseren früheren Alben haben wir uns zum Teil mit ähnlichen Themen beschäftigt, aber das waren natürlich völlig andere Zeiten“, so Hauss und Lewerentz. 

Aber zurück zum rein Musikalischen. Das Album ist eine „Melange unserer beiden Historien“ und trägt gleichermaßen die Handschriften von U96 und Wolfang Flür. Während Titel wie „Planet in Fever“ oder „Sexersizer“ glasklar dem Sound vom Ex-Kraftwerk-Schlagzeuger zuzuordnen sind, zeichnen sich Tracks wie „Clone“ oder „Maschinenraum“ durch klassische U96-Stilelemente aus.

Für die Entstehung von „Transhuman“ haben sich U96 und Wolfgang Flür vor allem online ausgetauscht. Laut U96 eine bewusste Entscheidung: „Wenn man den Workflow des anderen nicht kennt, muss man sich bei einer gemeinsamen Produktion im Studio schon ziemlich gut kennen, um auch konzentriert an Tracks arbeiten zu können. Zwischendurch haben wir uns aber auch persönlich getroffen.“ 

Wie groß das Interesse an der Kollaboration ist, beweist uns auch die internationale Nachfrage. Das renommierte Plattenlabel Radikal Records aus New Jersey hatte sich umgehend die Rechte am Album gesichert. Also Bahn frei für weitere Zusammenarbeiten? Abwarten. Die Routiniers bleiben zunächst auf dem Teppich: „Erstmal gilt es, dieses Album zu promoten. Wir und auch Wolfgang arbeiten allerdings schon an neuen, eigenen Alben und Tracks. Eine weitere Zusammenarbeit schließen wir nicht kategorisch aus. Nächstes Jahr hoffen wir, einige Konzerte spielen zu können.“

 

Foto: Markus Luigs
Text: Milan Trame
www.facebook.com/U96reboot