20 Jahre Compost Records – Der stete Begleiter

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Zwei Dekaden sind eine lange Zeit in der elektronischen Musik, sowohl für Labels als auch für Künstler. 20 Jahre lang präsent, aktuell und relevant zu bleiben, gleicht im schnelllebigen Musikbusiness einer Mammutaufgabe. Musikstile, Geschmäcker und Partys haben sich innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte oft und stark gewandelt. Und doch gibt es Labels, die so bedeutend sind, dass Veränderungen sie nicht verdrängen. Der Münchner Imprint Compost ist eins dieser Phänomene und darf dieses Jahr einen runden Geburtstag begehen. Zur Feier erscheint ein großes Buch, das die Geschichte des Labels auf innovative Art und Weise erzählt. Was das Besondere daran ist, erzählt Labelgründer Michael Reinboth im Interview.

Wer war alles im Compost-Team der ersten Stunde?

Gründer und Inhaber war ich allein. Aber mit der ersten Platte von A Forest Mighty Black hatte ich vom Stand weg ein internationalen Erfolg, es mussten also gleich Mitarbeiter her, die mit mir in meiner Wohnung arbeiteten. Das waren Stefan Fuchs und Kaisa Marxer. Ich hatte eine große Maisonette-Wohnung im Glockenbachviertel in München. Da gingen auch die Künstler der ersten Stunden wie Rainer Trüby oder Jan von Beanfield ein und aus. Roland Appel von Fauna Flash und Trüby Trio ist dann auch bei mir eingezogen, weil ich viel Platz hatte. Nach zwei Jahren in der Wohnung ging das dann aber nicht mehr, dann kam das erste Büro. In den Hochzeiten Ende der Neunziger waren wir mal 13 Mitarbeiter, heute sind wir zu sechst. Am längsten – über zehn Jahre – ist Thomas Herb dabei.

Wie schwierig war es, vor 20 Jahren ein Label zu gründen? Was hat sich in der Art, wie man eine Plattenfirma führt, geändert?

m_reinboth_03 Bevor Compost aktiv startete, hatte ich schon ein wenig Erfahrung mit Plattenfirmen. Ich hatte bereits einige Sampler für Majors zusammengestellt. Zudem hatte ich mich ausführlich über GEMA, Lizenz-Verträge, Labelcodes, ISR-Codes, Lizenzabrechnungen, Vertriebsdeals und solche administrativen Dinge schlau gemacht. Viele scheitern daran, spätestens wenn die Künstler kommen und ihre Abrechnungen sehen wollen und fragen wie sie denn von der GEMA-Kohle kriegen. Ansonsten hat sich in den 20 Jahren einiges radikal geändert. In den Anfangsjahren lief vieles noch analog: per Fax, Telefon, Brief. Also die Promotion, Digitalvertrieb, Social Media, Homepage, Shops und Portale, Vertriebsdeals, all das hat sich drastisch geändert. Ich glaube, wir haben inzwischen unseren vierten Homepage-Relaunch hinter uns und müssen da ständig Neues implementieren. Der Aufwand für Promotion hat sich nicht geändert, außer, dass man kaum noch Vinylpäckchen zur Post schleppt, früher gingen da gerne mal 100 am Tag raus.

Wie kamen die Kontakte zu den ersten Künstlern für Platten zustande?

Nur durch persönliche Kontakte. Rainer Trüby war bei meiner wöchentlichen Clubnacht Into Somethin’ als DJ zu Gast und brachte mir ein Demo, damals auf Kassette, seines ersten Projektes A Forest Mighty Black mit. Die erste Maxi haben wir dann in einer Woche bei Jan Krause im Studio aufgenommen. Dort ergaben sich dann die weiteren Projekte wie Beanfield und Knowtoryus. Auch Fetisch und Kaos (Dennis Kaun) von Terranova kannte ich vom Auflegen bei meiner Clubnacht. Turntable Tarranova, später Terranova, waren quasi ihre ersten Produktionen, die wir noch gemeinsam mit Jan Krause gemacht haben. So ging das weiter. Von den über 500 Veröffentlichungen wurden ungefähr 40 über E-Mails oder Demos gesignt, der Rest ergab sich entweder durch persönliche Kontakte, oftmals auf Touren oder als Empfehlungen unserer Ambassadors, wie Rainer Trüby, der ja permanent als DJ unterwegs war.

Zum Jubiläum gibt es nun ein Buch. Wie kam es dazu?

Im Herbst 2014 kam Kollege, Artist und DJ Michael Rütten und seine Freundin Nina Schellhase mit der Buchidee und unterbreiteten mir gleich ein rundes Konzept inklusive einer Agentur (U9 aus Frankfurt), die das visuell umsetzen würde. Das haben wir dann in Angriff genommen.

Wie erzählt „20 Years Compost Records“ die Geschichte des Labels? Wer gibt alles ein Interview? Was ist besonders an dem Buch?

Das Buch hat mehrere Besonderheiten, Gimmicks und Inhalte: Das beginnt damit, dass der Buchdeckel eigentlich innen in der Mitte ist, bestehend aus dem Audio Release: Compost 500 – die runde Zahl der Veröffentlichungen ist auch ein gesondertes Jubiläum – mit 40 Tracks. Von den 40 Tracks sind 13 unveröffentlicht, 13 einige meiner Favoriten, und 14 Hidden Gems, das sind tolle B-Seiten, DJ-Geheimwaffen oder übersehene Perlen, die wir als Team aus dem Katalog ausgesucht haben. Einer der Highlights der 13 neuen Tracks kommt von den Compost Allstars. Die Allstars sind Beanfield, Christian Prommer, Roland Appel und ich. Für den Track ‚Good Day‘ haben wir Robert Owens nach München ins Studio eingeladen, der zwei Alben auf Com- post veröffentlicht hat. Das Ganze kommt auch als 12Inch mit einem Remix von Show-B, der ebenfalls zur Compost-Familie zählt. Das Compost Allstar Project hat so viel Spaß gemacht, da haben wir gleich im Studio vereinbart, dass das in variablen Mitmach-Konstellationen weitergehen soll. Neben einem Interview und langen Gespräch zwischen mir und Michael Rütten gibt es im Buch 450 Fotos, 27 Anekdoten, Cover und Memorabilien, die wir erstmals zeigen. Der Hauptteil ist aber et- was anderes: wir haben circa 60 Künstlern, Weg- begleitern und Freunden des Hauses sechs Fragen gestellt. Zum Beispiel: „Wie entsteht Leidenschaft in elektronischer Musik?“ oder „Warum machst du das und was hat sich in 20 Jahren verändert?“ Von den 360 Antworten haben wir die interessantesten in kurzen Statements abgedruckt. Darunter befinden sich Antworten von Sven Väth, Solomun, Peter Kruder, Hans Nieswandt, Jazzanova, Fat Freddy’s Drop, Danny Krivit oder Robag Wruhme und vielen mehr.

Wie wird das 20-Jährige noch von euch gefeiert?

Es gab und gibt demnächst diverse Jubiläumsevents in München, Berlin, Köln, Frankfurt, Freiburg, Karlsruhe, Zürich, Genf, Mailand, Venedig und Istanbul. Im Herbst und Winter planen wir noch Hamburg, Amsterdam, London und drei Städte in Österreich. Vielleicht kommt noch die eine oder andere Stadt dazu. Wir strecken das Jubiläum über das ganze Jahr. Wir haben uns zu jeder Party auch einen befreundeten Gast-DJ eingeladen, zum Beispiel Steve Bug, Osunlade, Henrik Schwarz, Château Flight oder Ian Pooley. Bei den Events im Herbst und Winter wird auch hier und da ein Live- Act wie Marbert Rocel, Felix Laband oder Christian Prommer dabei sein. / Philipp Steffens

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