20 Jahre Hardtechno-Ikone: Fernanda Martins feiert Karriere-Jubiläum

20 Jahre Hardtechno-Ikone: Fernanda Martins feiert Karriere-Jubiläum

Grund zum Feiern: Fernanda Martins ist seit nunmehr 20 Jahren ein fester Bestandteil der (Hard)techno-Szene. Die ursprünglich aus Brasilien kommende Künstlerin zählt zu einem der größten und beständigsten Namen in diesem Bereich. Dabei hat die Power-Frau einiges mehr in petto als ihre ohnehin schon einzigartigen DJ-Sets. Im Interview hat uns Fernanda verraten, wie alles anfing, welche skurrilen Erfahrungen sie in ihrer Karriere-Laufbahn gemacht hat und was sie von der heutigen Hardtechno-Szene hält.

Fernanda Martins hatte schon lange bevor Hardtechno durch TikTok zum Trend wurde internationale Bookings vor großem Publikum in Europa und Amerika. Über 40 Länder bespielte die Künstlerin bereits in ihren zwei Dekaden DJ-Karriere. Sie zählt zu den langzeitigen Hardtechno-Ikonen, die nicht nur einen kurzen Hype hatten.

Los ging alles in Brasilien, dem Heimatland von Fernanda. Bevor sie elektronische Musik für sich entdeckte, wurde sie bereits in den 90er- und 2000er-Jahren mit anderen Genres musikalisch infiziert – zu ihren Vorlieben von damals zählen Pop, Rock oder auch New Wave.

Den ersten Kontakt mit technoider Musik hatte Fernanda durch Internet-Recherchen, bei denen sie auf Namen wie Carl Cox, Laurent Garnier oder auch Jeff Mills stieß. Später kamen Künstler wie Dave the Drummer und Glenn Wilson hinzu. Kenner merken also deutlich die Vorliebe für Techno, den Fernanda entwickelte.

Nach einem Umzug aus ihrer Heimatstadt Medianeira, einer mittleren Stadt im Bundesstaat Paraná in Brasilien, in die Metropole Curitiba mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern, kam Fernanda dann in direkten Kontakt mit elektronischer Musik. Dort begab sie sich in die Underground-Szene und baute ihr Interesse zur Musik und zum Live-Mixing sowie ihre Kontakte aus.

2005 war es dann so weit: Fernanda begann selbst mit dem Spielen von DJ-Mixen. Von Funk und Acid Techno entwickelte sie sich hin zu verschiedenen Techno-Genres und schließlich zum härten Techno, für den sie vor allen Dingen bekannt wurde. Sie wuchs zu einer internationalen Größe mit zahlreichen Bookings heran.

Drei Jahre später, 2008, zog Fernanda nach Barcelona um. Dort war sie der europäischen Szene, in der sie sehr beliebt ist, noch näher. Zuvor bespielte Fernanda schon die wichtigsten Veranstaltungen für Techno in Brasilien.

2009 gründete sie mit dem brasilianischen Techno-DJ und Produzenten Lukas aka Lucas Freire gemeinsam das einflussreiche Hardtechno- und Schranz-Label Audiocode,das heute eines der bestverkaufenden Hardtechno- und Schranz-Labels auf Plattformen wie Beatport oder Junodownload ist.

Hinzu kam das gemeinsame Label Hardwork Records, das sich kreativen, originellen und innovativen Facetten der härtesten Techno-Variationen widmet. 2015 gründeten sie außerdem das Techno-Label Devotion Records.

2009 erschien der erste Track von Fernanda auf einer Compilation – mehr dazu im folgenden Interview. 2010 veröffentlichte Fernanda die „Kentakee EP“. „Kentakee“ ist ein kompromissloser Schranz-Track.

Auch als Remixer ist Fernanda gefragt. Letztjährig erstellte sie etwa einen vorantreibenden Remix zu „Trinity“ von Aido Arko, der auf Techno Germany erschien:

Zuletzt, in diesem Jahr, erstellte Fernanda außerdem einen Remix für die englische Techno-Legende Martyn Hare, der auf dem etablierten Label Emetic erschien:

Ruhigere, melodiösere Klänge schlägt etwa der Track „Rampant“ aus dem Jahr 2018 ein, der mit Matt Minimal, heute bekannt als Space 92, zusammen entstanden ist.

Heute kann Fernanda Martins auf 20 Jahre DJ-Karriere zurückblicken – ein Erfolg, der im schnellen Musik-Business beachtlich ist. Ihre Sets ziehen sich inzwischen von purem Hardtechno hin zu Schranz. Bei längeren Sets spielt fängt Fernanda auch schon mal mit Techno an, so wie im folgenden Beispiel:

Was Fernanda, die unter anderem Public Relations und Musikwirtschaft studiert hat sowie sich eine Zeit lang auf die Entwicklung eines Start-ups zur Unterstützung unabhängiger Künstler konzentrierte, noch so alles in 20 Jahren Karriere geleistet hat, das erfahrt ihr im Interview – vorab aber noch eines ihrer Sets aus der letzten Zeit als Impression, hier seht ihr Fernanda Martins auf der MAYDAY Polen in Katowice im Jahr 2024:

Außerdem erwähnenswert: die Performance-Projekte von Fernanda Martins. Im folgenden Video seht ihr die besondere Performance mit Lukas, einem Hardtechno-Pionier, der am 2. Juni mit dem Newcomer Vendex die Single „Your Soul Is Mine“ veröffentlicht. Dazu haben wir beide Künstler interviewt. Das Interview folgt zeitnah auf unserer Website. Im Projekt mit Fernanda performen beide mit einem Setup bestehend aus zwei Mixern und sechs Decks – dadurch können beide DJs gleichzeitig mixen und erschaffen so ein experimentelles Format, das ein hochenergetisches und vielschichtiges Klangerlebnis liefert:

Hallo Fernanda, erst mal herzlichen Glückwunsch zu deinem 20-jährigen Jubiläum als DJ! Erzähl uns gerne mal, wie hat deine Karriere begonnen? Wo hast du zuerst aufgelegt und was war deine erste Veröffentlichung?

Herzlichen Dank! Meine Reise begann 2005 in Curitiba, Brasilien, einer Stadt, in die für mein Studium der Öffentlichkeitsarbeit zog. Ich war häufig auf auf Underground-Partys unterwegs und verliebte mich dort in die Technokultur. Ein Freund, DJ Bad verhalf mir zu den ersten Schritten hinter den Decks. Meinerster Auftritt fand am 13. Mai 2005 im Stereo Club in Curitiba statt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es eine Karriere werden würde – anfangs war es nur Leidenschaft.

Meine erste Veröffentlichung kam dann etwas später, im Jahr 2009, heraus. Es war ein Track namens „Lurba Zumba“ auf einer 12″ Vinyl mit Various Artists des niederländischen Labels Mental Torments, das internationale Künstler inkludierte. (Anm. der Redaktion: hier entlang). Die Vinyl-Kopien sind schon lange vergriffen, aber der Track wurde auf „Cannibal Society“ Records neu aufgelegt und man kann ihn immer noch in digitaler Form erhalten.

Lustiger Fakt über den Namen des Tracks: „Lurba Zumba“ war der Name eines fiktiven Bösewichts, den mein Vater erfunden hat.

Wie bist du weltweit bekannt geworden? Hatte dein Umzug nach Barcelona etwas mit deiner Karriere zu tun?

Es war eine Mischung aus Liebe zur Musik und zum DJing, Timing und der Hilfe von Leuten, die ich in den ersten Jahren meiner Karriere kennengelernt habe. Als ich anfing kamen die sozialen Medien langsam auf, und um bei den Partygängern bekannt zu werden, musste man in den Line-ups präsent sein. Außerdem verhalf mir die Mund-zu-Mund-Propaganda zwischen DJ-Kollegen und Promotern zu Auftritten in ganz Brasilien.

Der Umzug nach Barcelona im Jahr 2008 hat mir definitiv geholfen – er brachte mich näher an die europäische Szene heran und machte das Reisen einfacher. Von dort aus konnte ich in ganz Europa spielen und meine internationale Präsenz ausbauen. Der Rest war eine Frage der Beständigkeit und Ausdauer.

Kannst du etwas verraten, von dem die Leute vielleicht nicht wissen, wie du dir eine solide, langanhaltende Karriere aufgebaut hast?

Ich glaube, die Leute wissen nicht, dass ich in all diesen Jahren nie aufgehört habe zu lernen. Natürlich war es mein Kommunikationsstudium zu Beginn meiner Karriere sehr hilfreich. Dann habe ich Musikwirtschaft, Tontechnik, Musiksprache und Klavier studiert, und zuletzt habe ich einen Master in Musikwirtschaft mit Schwerpunkt auf Innovation gemacht.

Während der Pandemie arbeitete ich auch an meiner eigenen Idee zu einer App, die unabhängigen Künstlern elektronischer Musik bei der Verwaltung ihres Geschäfts helfen sollte, mit Schwerpunkt auf Workflow, Veröffentlichungsplanung, Finanzen und Künstlernetzwerk. Das Projekt wurde tatsächlich von einem Startup-Inkubator-Programm ausgewählt und erhielt eine Startkapital-Investition. Es war großartig für mich, in das Startup-Umfeld einzusteigen, meine Geschäftskenntnisse zu verbessern und meinen Geist in diesen unsicheren Zeiten zu beschäftigen. Sobald die Welt wieder „funktionierte“, kehrte ich in meinen Alltag des DJ-Lebens zurück.

Ja, ich liebe die Management- und Geschäftsaspekte, und ich ermutige Künstler immer zum Studium und Verständnis des Musikumfelds. Zudem gebe ich Künstlern und Labelbesitzern sowie Managern sogar Ratschläge zu diesem Thema.

Ich denke, es geht nicht nur um großartige Sets. Für eine beständige und lang anhaltende Karriere ist der Aufbau einer Marke sehr wichtig, die auf deiner Authentizität basiert, und einen guten strategischen Plan hat. Selbst wenn man nicht alles alleine macht, muss man dieses Wissen haben, um den Wissensstand des Teams zu verstehen, mit dem man zusammenarbeitet oder das man anheuert.

Kannst du uns von einer verrückten, außergewöhnlichen Erfahrung erzählen, die du vielleicht im Laufe deiner Karriere gemacht hast – vielleicht auf einer Reise um die Welt?

Da gibt es viele! Aber es gab eines, das mich sehr gestresst hat. Im Jahr 2009, als ich noch mit Vinyl spielte, wurde mir an Bord eines Fluges nach Italien mit meiner Vinyltasche der Zutritt zum Flugzeug verweigert, und das Gepäck wurde kontrolliert. Ich kam kurz vor Mitternacht am Zielort an und wartete am Gepäckband, bis ich sah, dass es anhielt. Meine Tasche kam nicht heraus, und mir wurde klar, dass ich keine Musik hatte, die ich bei diesem Auftritt spielen konnte. Schließlich lieh ich mir in letzter Minute Vinyls von einem anderen befreundeten DJ des Veranstalters, der ebenfalls harten Techno auflegte. Allerdings kannte ich fast nichts aus seiner Musiksammlung. Aber gut, ich habe mein zweistündiges Set mit fast unbekannter Musik gespielt und das Publikum hat gar nicht gemerkt, dass etwas schiefgelaufen ist und der Abend war einfach toll.

Fernanda Martins in DJ-Action

Kommen wir zum Hier und Jetzt: Was bedeutet Hardtechno für dich heute im Vergleich zu damals?

Diese Frage bekomme ich immer wieder, denn das ist derzeit die Lieblingsfrage von Journalisten. Aber ich werde kaum kontrovers antworten.

Die Szene selbst ist eindeutig viel größer geworden. Das finde ich besonders toll. Sie bringt mehr Professionalität in die Veranstaltungsproduktion und in die Öffentlichkeit.

Was den Sound angeht, gibt es noch mehr Sparten, die ich auch toll finde! Ich mag es, wenn Künstler ihre Sicht des Stils auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck bringen, anstatt angesagte Produzenten kopieren. Es ist auch erfrischend, herausfordernd und motivierend, wenn DJs mehr Texturoptionen für den Aufbau von DJ-Sets haben. Jetzt alles als Hardtechno (oder Schranz) zu bezeichnen, ist ein Trend, der sich nicht halten kann, wenn die fraglichen Tracks alles andere als Techno-Elemente enthalten.

Was die Überperformance mancher DJs angeht, so ist das Geschmackssache. Mich beeindruckt es vor allem nicht, wenn ein DJ auf der Bühne Pirouetten dreht, aber die Abmischung schlecht ist, die Tracks immer die gleiche Struktur und Textur haben oder auch wenn der DJ einen Edit nach dem anderen spielt. Ich mag es, wenn der DJ mich durch eine einzigartige Trackauswahl und eine akkurate Mixtechnik beeindruckt. Aber da ich natürlich die Freiheit haben möchte, auf der Bühne die Dinge so zu machen, wie ich es möchte, denke ich, dass alle Künstler die Freiheit haben müssen, das zu tun, was sie glücklich macht. Und das Publikum muss auch nicht jede DJ-Performance kritisch sehen, sondern den Moment genießen.

Was treibt dich persönlich an, nach 20 Jahren immer noch weiterzumachen?

Es ist meine Liebe zum Mixen und Entdecken neuer Musik und Künstler, das Networking und die Energie, die ich vom Publikum bekomme. Zum Glück fühle ich mich immer noch genauso, wenn ich die Bühne betrete. Ich liebe es, als DJ aufzutreten!

Ich möchte auch weiterhin aus meiner Perspektive einen Beitrag zur Szene leisten. Und ich möchte auch die Karrieren anderer Künstler unterstützen, und die Arbeit an meinen Labels motiviert mich dazu.

Welchen Rat würdest du aufstrebenden Techno-Künstlern geben?

Bleibt eurem Sound und euren Werten treu.  Authentizität ist heutzutage Mangelware und wird zum wertvollsten Gut. Überstürze nichts – baue dein Fundament Schritt für Schritt auf. Lerne die Szene kennen, sowohl künstlerisch als auch beruflich. Vor allem sollte man anderen gegenüber respektvoll sein und mit dem arbeiten, was man wirklich liebt, dann wird sich nichts schwer anfühlen.

Was steht als nächstes für dich an? Wie feierst du 20 Jahre in der Szene?

Natürlich ist es ein ganz besonderer Meilenstein 20 Jahre Karriere zu erreichen. Zusammen mit meiner Bookerin Sally (sally@analog-a.com) bereiten wir eine Feier-Tournee vor, die in den nächsten Monaten starten wird.

Außerdem habe ich eng mit einem spanischen Modedesigner zusammengearbeitet und eine Capsule-Kollektion zur Feier des Jubiläums entworfen. Sie wird im Juni auf den Markt kommen. Bleiben dafür am besten in meinen sozialen Medien dran!

Wir haben auch ein Video über die letzten 20 Jahre gedreht, in dem ich mich bei allen bedanken möchte, die mich auf meinem Weg begleitet haben:

Zum Abschluss: Wann und wo wirst du wieder in Deutschland spielen?

Deutschland ist einer meiner Lieblingsorte zum Spielen; das weiß jeder. Ich hoffe, dass wir im zweiten Halbjahr 2025 einige meiner Konzerte zur Feier meines „20. Geburtstags“ in DE spielen können!

Danke dir für das aufschlussreiche Interview und auf die nächsten 20 Jahre!

Fernanda Martins bei einem ihrer Deutschland-Gigs der letzten 20 Jahre:

Demnächst kann man Fernanda Martins hier bei Gigs sehen, weitere Termine folgen zeitnah:
31.05.2025 | Pulse Festival, Ciudad Real (Spanien)
14.06.2025 | Schranz-Tans Night, Ljubljana (Slowenien)
28.06.2025 | Nitissimo Festival, La Seu d’Urgell (Spanien)
04.07.2025 | 4-Deck-Set mit Lukas @ Techno Castle, Sesimbra (Portugal)
05.07.2025 | TBA, TBA (Griechenland)
12.07.2025 | 4-Deck-Set mit Lukas @ CODE Summer Festival, Madrid (Spanien)
18.07.2025 | TBA, TBA (Südamerika)
19.07.2025 | TBA, TBA (Südamerika)
25.07.2025 | 4-Deck-Set mit Lukas @ Zabal at Under, Bueno Aires (Argentinien)
26.07.2025 | Hellbox, Santiago de Chile (Chile)
02.08.2025 | TBA, TBA (Spanien)
03.08.2025 | TBA, TBA (Polen)
23.08.2025 | Spook, Valencia (Spanien)
30.08.2025 | Camp Party Bierzo, Leon (Spanien)
Mehr TBA

Am 16. Juni erscheint zudem ein neuer Remix von Fernanda gemeinsam mit Lukas zum Track „Resonate“ des deutschen Newcomer-Schranz-Talents PRAKAS, der vor wenigen Wochen einen Vertrag bei Audiocode Records unterschrieben hat, wo auch der Remix erscheint.

Unterdessen präsentiert Fernanda monatlich ihre eigene Radioshow Tough Waves, bei der sie eine sorgfältig kuratierte Auswahl eigener Sets und Gastauftritte liefert. Genre-technisch gestaltet sich das Programm aus einer kraftvollen Mischung aus Techno und Hard Techno und richtet sich an echte Fans dieser Genres. Die Show läuft auf führenden Sendern der elektronischen Musik wie etwa Techno FM, Makina FM, Progress Radio, TechnoPop, Maxximum Radio, Tronica FM, Electra FM sowie auf der Plattform Keakie, SoundCloud und auf YouTube.

Die aktuelle Ausgabe der Radioshow Tough Waves von Fernanda:

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