25 Jahre Basswerk in Köln – The Green Man (TGM) im Interview

Das Kölner Label Basswerk feiert seinen 25. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat der Gründer Heiner Kruse alias The Green Man (TGM) das Album „25 Years Basswerk Sessions“ veröffentlicht. Das umfasst 21 Tracks, bei den meisten hat der Kölner Kooperationspartner mit an Bord, wie z. B. Thorsten Quaeschning (Tangerine Dream), Peter Bouncer, Aquasky oder Daddy Freddy dabei.
Im Interview erzählt uns TGM, wie die Basswerk Sessions starteten, wie er die Szene seiner Heimatstadt sieht und wie es zum Jubiläumsrelease kam.

Hallo Heiner, Glückwunsch zum Labeljubiläum – ein Vierteljahrhundert! Wie fühlt es sich an? Bzw. fühlst du dich jetzt alt?

Ich versuche, mich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Und die macht mir Spaß, wenn ich Musik mache. Dabei spüre ich kein Alter, eher, dass ich wünschte, ich hätte vor 30 Jahren das Wissen und die Tools von heute gehabt. Wenn ich mit Musikern zusammenarbeite, treten Alter, Geschlecht und Herkunft in den Hintergrund. Das passt zu meiner Sicht auf die Dinge und von daher finde ich Musik als verbindendes Element wichtiger denn je. Denn ich nehme andererseits von Außen viele Impulse wahr, die die Gesellschaft stärker spalten und Unterschiede thematisieren und manifestieren wollen, selbst wenn dies unter dem Deckmantel Gleichberechtigung geschieht.
Ob ich mich alt fühle? Das höhere Alter kann zwar Kummer bereiten, etwa wenn Weggefährten sterben oder man zum Arzt muss. Es führt bei mir aber auch dazu, dass ich andere Dinge leichter nehme oder ich mich bewusster daran freue, wenn gute Sachen passieren.

Erzähle uns, wie es dazu kam, dass du mit Laszlo Basswerk gegründet hast?

Wir starteten eigentlich schon ein paar Jahre zuvor als Junglegrowers und wollten einen neuen Sound „säen“. 1997 benannten wir und in „Basswerk“ um, weil wir viele Demos nach dem ersten Junglegrowers-Release bekamen, die aber stilistisch sehr unterschiedlich waren. Leider war bei diesen Demos für das Label wenig Reggae und Dub dabei und es gab für mich auch kaum Gelegenheiten, mit Künstlern dieser Genres zusammenzuarbeiten, auch wenn wir Leute wie Don Abi oder Gentleman (der dann leider nicht kommen konnte) auf unsere ersten Events eingeladen haben.
Es gab immer einen Anteil an Reggae- und Dub-Sound bei unseren Events, aber plötzlich stand „Jungle“ als Genre in der Kommunikation ausschliesslich für diesen Sound. Wir wollten aber musikalisch abwechslungsreich bleiben. So entschieden wir uns für Basswerk als neutralen Namen für ein neues Label und eine neue Partyreihe. Das erste Event fand dann mit Aquasky aus Bournemouth statt.

Wie waren die Umstände, bzw. wie kann man sich die damalige Jungle/D’n’B-Szene in Köln – und in Deutschland generell – vorstellen?

Radiosendungen waren vom Mainstream dominiert, Techno und House dominierten deutsche Dancefloors und unsere Sehnsucht nach anderem Sound, sowohl im Club als auch im Radio, war groß. In dieser Stimmung trafen wir im Groove-Attack-Plattenladen in der Masstrichter Straße in Köln wöchentlich auf neue musikalische Meisterwerke auf Vinyl, die uns glücklich machten und inspirierten und die durch Vertriebe wie Groove Attack, NTT und Public Propaganda sowie vor allem ebenjenen Plattenladen, den es immer noch gibt, ihren Weg nach Köln fanden.
Man glaubt es kaum, doch die stilistische Auswahl der Einkäufer von Groove Attack war weniger ravig als anderswo und das prägte den Sound in Köln mit, der zu diesem Zeitpunkt mehr auf kleine, aber feine Clubs ausgelegt war als in Mannheim oder Bremen, was dann wiederum Auswirkungen auf die Nachfrage und das Angebot hatte. Dieser Kreislauf war gut für den Sound in Köln. Es gab hier zu der Zeit gerade so viele Crews, dass es gelang, sich miteinander abzusprechen, so dass jede Woche irgendein Event stattfand, man sich aber kaum mit den Terminen überschnitt.
Es gab sogar gemeinsame Events, bei denen sich Kölner Crews zusammentaten. Man hatte, trotz aller Unterschiede, eine gemeinsame Mission. Das war eine gute Zeit, aus der viel gewachsen ist. Es entwickelte sich hier über Jahre hinweg Offenheit für diesen Sound und weniger gerade Beats allgemein.

Und wie sieht dazu im Vergleich heute aus, wie hat sich das entwickelt?

Soul, Reggae und Jungle empfinde ich in Deutschland immer noch unterrepräsentiert, es gibt auch viel unheimlich harten Sound, der sich Drum’n’Bass nennt und von den erstgenannten Genres sehr weit weg ist. Es gibt hier nicht mehr so viele Partys mit dem breiten Spektrum des Genres, so wie wir es bevorzugt haben, stattdessen Events für strikter abgegrenzte Subgenres, sehr hart oder auf auch mal sehr clean oder mit Drum’n’Bass nach einem festgelegten Schema.
In England dagegen gab es nach Corona, z. B. im Printworks in London, auch wieder viele große und interessante Events mit 6000 Leuten, wo Styles von Jungle und Drum’n’Bass gemeinsam gefeiert wurden. Immerhin findet heute ein relativ authentischer Sound durchaus den Weg ins Radio oder auf die Mobilgeräte der jungen Generation. Die musikalische Coolness des Jungle-Genres der frühen Tage oder eher an Jazz angelehnte Experimentierfreude sehe ich heute oft in Genres wie LoFi, Chill Hop oder Coo Bap. Das ist oft von J.Dilla beeinflusst, aber ich finde hier auch Verwandtschaft zu Vibes früherer Jungle-Releases wieder.
Zudem gibt es leider viel guten Sound, der in der gigantischen Flut der neuen Releases unentdeckt bleibt. Wenn du die wöchentlichen neuen Releases einer Woche bei Juno checken willst, musst du dich erst mal durch fünf bis zehn Pages durchklicken, um die Marketing-Experimente mit Sonderzeichen in Artist-Namen zu überspringen und beim Buchstaben A anzukommen. Das ist schon Wahnsinn.
Radioredakteure hierzulande stehen dieser Release-Flut oft hilflos gegenüber und orientieren sich mehr an Kampagnen und Clicks als am Sound selbst. Aber – wer will, kann ja heute auch hierzulande Leute wie Ray Keith auf Thames Delta Radio via Internet hören. Ich finde da viel Musik mit Soul. In England und auch anderen Ländern wie in den Niederlanden, Belgien oder den USA scheint mir die Breite des musikalische Spektrums und die Popularität von Drum’n’Bass deutlich größer als hier. Ich mache aber selbst noch zwei Mal im Jahr Basswerk-Events im Gebäude 9 und halte hier so oder so weiter meine Fahnen hoch.

Kommen wir zur Compilation. Die meisten Tracks sind Kollaborationen. Wie ist die Idee zu „25 Years Basswerk Sessions“ entstanden und wie schwer war es, so viele Künstler*innen zusammenzubekommen?

Ich entwickle mich als Künstler weiter, das ist immer mehr mein Focus, der sich auch auf die Labelarbeit auswirkt. Im Gegensatz zum Album mit Kingz und den Collab-Sessions zum letzten Jubiläum, die verspätet 2019 rauskamen, war es diesmal gar nicht geplant, dass es so viele Collabs werden. Die CD ist eigentlich ein Green-Man-Album geworden, denn ich bin bei jedem Stück beteiligt und habe es fertig gemacht.
Ich habe in den letzten Jahren fast nur noch Musik von Künstlern veröffentlicht, mit denen ich ein gewisses Mass an gegenseitigem musikalischem Interesse spüre. Dann ging das mit den Kollaborationen irgendwie wie von selbst, weil man sich musikalisch versteht. Ich konnte aber auch Stücke fertigstellen, die es schon länger als Entwurf gibt, weil ich irgendwie jetzt mehr Erfahrung habe. Das war ein gutes Gefühl, und der Produktionsprozess hat Spaß gemacht. Ich habe viel positive Energie gespürt und glaube, dass das Album diese gut transportiert und weitergeben kann.
Ich bin mittlerweile musikalisch zwischen Ambient, Downtempo, World Music und D&B unterwegs, experimentiere mit Modularsystemen und will genreunabhängiger Sound formen. Ich bewege mich also eigentlich vom Drum & Bass Format eher etwas weg. Zur Gelegenheit des 25jährigen Basswerk Jubiläums verschwand aber auch Corona aus unserer Gegenwart und so kam es, dass dieses Album doch ganz besonders die Lust an DJ-Sound und Drum & Bass als Tanzmusik zelebriert, mehr als etwa die 2019er Alben.
Mit den Produktionsskills von heute und den über die Jahre gewachsenen Kontakten zu den vielen Artists konnte ich mehr denn je meine Vorstellungen in konkrete Stücke umsetzen. Zum Beispiel, dass ein Drum & Bass Album oder Set eine musikalische Reise durch viele Genres sein kann und das Jungle eigentlich „World“ Musik ist. Als Dozent und im Zusammenhang mit der Musik lerne ich oft neue, junge Talente kennen und bin froh, auch hier Brücken bauen zu können, wie etwa wenn James Hardway aka David Harrow aus L.A. und die junge Vavunettha (aus Köln mit tamilischen Wurzeln) in einem Track zusammenfinden.

Eine Entscheidung, die einem als Labelowner bestimmt nicht leicht fällt, aber was sind deine drei wichtigsten/Liebsten Basswerk-Releases?

Ich glaube, ich mag meine Stücke „Berlin“ (Basswerk 04 Vinyl) und „Damn Wire“ (Basswerk 11 Vinyl) besonders. Einen Sänger wie Peter Bouncer (Basswerk 38 Vinyl, Remixe auf dem neuen Album und als Basswerk-54-Single am 17.6.) auf dem Label zu haben, war für mich ebenfalls ein Meilenstein.

Gibt es eine besondere Anekdote aus 25 Jahren Basswerk, die du nicht vergessen wirst?

Robin a.k.a. Big Bud aus Southampton war bei der Basswerk Session im Gebäude 9 und noch ein paar Tage mehr zu Gast. Wenn wir Gäste bei Basswerk haben, versuchen wir, auch um das Event herum noch ein wenig das Leben zu feiern. Ich war mit Marcel, der die Visuals macht, und unseren Freundinnen im Auto unterwegs. Wir fuhren dann auch kurz zur Großen Budengasse und dem Music Store vorbei, als die Mädchen plötzlich große Augen machten und zu ihm im Scherz meinten, die Strasse sei ja nach ihm benannt. Big Bud nahm dabei die Rolle des stets erfreuten, aber permanent charmant ratlosen englischen Touristen ein, und hob entzückt die Augenbrauen und liess es sich erklären.
Später schlugen die Damen vor, dass wir Spaghetti mit Champignons essen sollten, woraufhin er, in weiterhin nonchalantem Ton, ganz ernst meinte, das sei ja toll, so etwas habe er ja noch nie gegessen. Es gab eine große Lachsalve und daraufhin entwickelten sich die Dinge ins Absurde. Wir begannen, uns alle möglichen, alltäglichen Dinge und Big Buds anschliessende erstaunte Reaktion darauf mit dem immer gleichen Gesichtsausdruck vorzustellen und präsentierten sie uns unsere Ideen gegenseitig, während Big Bud seine Mimik beibehielt. Ein Wort gab das andere, jedenfalls konnten sie auf der Rückbank des Autos eine halbe Stunde nicht mehr aufhören zu lachen und wir hatten alle Tränen in den Augen.

Was können wir denn dieses Jahr noch auf Basswerk erwarten und wie sind deine Pläne für den Sommer?

Ich mache gerade ein wenig Downtempo-Musik mit Soul, Ambient und Elektronik und verfeinere inhaltlich meinen hybriden Live-Act aus Ableton Live und Modularsystem nach einem ersten kleinen Auftritt damit bei der Superbooth in diesem Jahr. Als nächstes steht jetzt spontan ein kleiner Auftritt im Rahmen der Soundtrack Cologne an. Viele Tracks des „25 Years Basswerk Sessions“-Albums kommen noch mal als Single mit anderem Cover und anderen Versionen. Ich werde auch einige ältere Vinyl-Releases online einpflegen. Ich arbeite außerdem noch an Green-Man-Remixen für Santorin und Groenalund.

KURZ & KNAPP
Deine erste D’n’B-Platte … „Death Is Not The End“ von Shut Up & Dance
Dein erster Gig … 1983 in der Tanzschule Dresen – oder 1994 in der Kantine, je nachdem, ob du es auf DJing oder Jungle beziehst
Deine erste Gage … 1984 in der Tanzschule Dresen
Der älteste Track, den du regelmäßig spielst … „Why Don’t You Do Right“ von Della Reese, wenn ich Freestyle spiele oder „Police in Helicopter“ von als Junglist
Köln ist … meine Heimatstadt

Deine All-Time-Top-5-Tracks:
Wally Badarou – Rain
Shut Up & Dance – The Green Man
Congo Natty & Peter Bouncer – Junglist
Air – Playground Love
Massive Attack – Blue Lines

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