Carl Cox – Legende, König, Frohnatur

Auf die Frage, wie er sich in ein paar Worten selbst beschreiben würde, sagte Carl Cox einst in einem Interview gegenüber Subtext.at: „Glücklich, positiv, sehr konzentriert, das Ganze mit einer Leidenschaft für Musik.“ Wir könnten dem Ganzen jetzt noch eine Reihe an positiven Attributen hinzufügen, sind uns aber einig: Das passt schon ganz gut. Der britische DJ und Produzent mit Wurzeln auf Barbados ist nämlich nicht nur eine wahrhafte Musik-Ikone, sondern auch absoluter Sympathieträger. Stets mit seinem nimmermüden Zahnpasta-Lächeln bewaffnet, gilt der Tausendsassa als Gute-Laune-Bär der elektronischen Musikszene. Gerade in schweren Zeiten wie diesen sind es Menschen wie Carl Cox, die uns von all der Negativität ablenken und uns mit positiven Vibes verzaubern. Bitte mehr davon! Der 57-Jährige ist aber nicht nur ein verdammt cooler Typ und ein herzensguter Mensch, sondern auch mehrfach preisgekrönter DJ und Produzent, Labelbesitzer, (angehender) Autor und sogar Betreiber eines eigenen Motorsport-Rennstalls – kann man mal so machen. In unserem Jubiläums-Feature der 100. FAZEmag-Ausgabe möchten wir einem Menschen Tribut zollen, der die elektronische Musikbranche maßgeblich (und vor allem: erfolgreich!) geprägt hat und auch nach mehreren Dekaden seines Schaffens immer noch als heißbegehrte und schillernde Persönlichkeit gilt. Vorhang auf für Carl Cox!

 

Vom mobilen Teenie-DJ zur Ibiza-Legende

Aufgewachsen war er mit der Musik von Funk-Legenden wie Maceo Parker und James Brown, die ihn auch bis heute noch prägt. Mit gerade einmal 15 Jahren legte sich Carl Cox dann einen Plattenspieler zu und begann, als mobiler DJ zu arbeiten – Hip-Hop und Electro hatten es ihm angetan. Als dann der Chicago-House das Licht der Welt erblickte und im Jahre 1987 der Hit „Acid Trax“ von Phuture (alias DJ Pierre) erschien, war dem damals jungen Carl allerdings sofort klar: „Das ist es. Ich werde meinen üblichen Sound auf den Partys spielen und dann den Leuten sagen: ,Ihr müsst euch diesen Track anhören.’ Und sie würden alles stehen und liegen lassen und einfach nur zuhören.“ Carl Cox hatte seine Bestimmung gefunden.

Binnen kürzester Zeit mutierte er zum Vorreiter der britischen Rave-Szene. Er wurde Resident im legendären Zap Club in Brighton, und während eines Auftritts vor 15.000 Menschen im Jahr 1988 schloss er plötzlich einen dritten Plattenspieler an. Der „Three Deck Wizard“ war geboren – sein Markenzeichen, das er, genau wie seinen epischen Ausruf „Oh Yes, Oh Yes“, bis heute beibehält. 1991 begann Carl Cox mit dem Produzieren eigener Musik. Eine gute Idee, wie sich herausstellen sollte. Seine Debüt-Single „I Want You“ landete auf Platz 23 der UK-Charts und verschaffte ihm somit eine ordentliche Portion Popularität. Ein Popstar wollte er aber keinesfalls sein, so dass er sich wieder in die Underground-Clubwelt zurückzog, die ihn genährt hatte. Seinem Bekanntheitsgrad tat dies allerdings keinen Abbruch: Die Mix-CD „F.A.C.T“ verkaufte sich über 250.000-mal und gilt nach wie vor als unangefochtene Techno-Benchmark. Der kometenhafte Aufstieg von Carl Cox war nun nicht mehr aufzuhalten. Es folgten weitere Charts-Platzierungen, die Gründung seiner eigenen Musik-Management-Firma „Ultimate Music Management“ und 1999 natürlich die Gründung seines eigenen Labels Intec Records, das, nach seiner zwischenzeitlichen Schließung, 2010 seinen Relaunch als Intec Digital feierte.

Carl Cox‘ Album-Diskografie in der Übersicht:
1995: At The End Of The Cliché (Worldwide Ultimatum Records, Edel)
1999: Phuture 2000 (Moonshine Music)
2005: Second Sign (23rd Century Records)
2011: All Roads Lead To The Dancefloor (Intec Digital)
2011: RA. EX053 Carl Cox (Resident Advisor)
2013: All Roads Lead To The Dancefloor – Remixes (Intec Digital)
2014: Carl Cox, Kevin Saunderson & MYNC Project – Space Ibiza 2014 (25th Anniversary) (Cr2 Records)

Maßgeblich geprägt wurde seine Karriere insbesondere von seiner Residency im legendären Space Club auf Ibiza, die ihm letztlich auch den Titel „King Of Ibiza“ einbrachte. 15 Jahre lang war das Space sein zweites Zuhause – und ohne Carl Cox hätte die Diskothek wohl niemals einen derart angesehen Ruf gehabt, den sie bis zu ihrer Schließung im Jahr 2016 besaß.

Die Raupe Nimmermüde

Sich auf dem Erfolg auszuruhen, kommt für die niemals müde werdende Frohnatur gewiss nicht in die Tüte – jedes Jahr tourt Carl Cox durch die gesamte Welt und bespielt dabei die größten und renommiertesten Festivals wie das Tomorrowland oder das Ultra Music Festival. Seine regelmäßigen Auftritte auf dem sagenumwobenen und alternativen Burning Man Festival zeugen davon, dass er sich, anders als viele andere DJs seines Kalibers, nicht wehrlos dem Kommerz hergibt. Auch wenn wir in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise wohl auf die meisten Gigs des Three Deck Wizard verzichten müssen, steht es lange nicht still um Carl Cox. Erst kürzlich veröffentlichte er seine neue Single „Pure (El Rancho Mix)“, die gleichzeitig die Wiedergeburt seines Side-Labels 23rd Century Records einläutet. Zusätzlich hat der Familienmensch eine neue Vinyl-Session-Livestream-Serie gestartet, um seine Fans während der sozialen Abschottung zu unterstützen.

Dass der in der Nähe von Manchester aufgewachsene Brite ein wahrhaft herzensguter und couragierter Mensch ist, stellte er im September vergangenen Jahres eindrucksvoll zur Schau: Beim Technique Festival in Athen kam es zu einem Disput zwischen den Zuschauern. Während sich die meisten Stars wohl nicht von einer kleinen Auseinandersetzung zwischen Volltrunkenen beirren lassen würden, unterbrach Carl Cox kurzerhand sein Set und wandte sich an das Publikum: „Es ist gerade zu schön hier für diese Aggression. Ich bin zu glücklich, um so einen Mist zu sehen.“ Erst als die Situation bereinigt war, setzte er sein Set unter tosendem Applaus fort.

Auch abseits der Decks heißt es: Vollgas!

Fernab des Musikgeschehens gilt Carl Cox übrigens als bekennender Motorsport-Fan und betreibt sogar einen eigenen Rennstall namens „Carl Cox Motor Sport“, der unter anderem den britischen Motorradrennfahrer Michael Dunlop sponsert. Und auch Carl Cox selbst setzt sich gelegentlich hinter das Steuer eines Rennboliden – am 18. Mai nahm er mit seinem Ford Mustang an einem Supercars-E-Series-Celebrity-Race teil. „Rennsport und Autos sind in meinem Blut, genau wie die Musik“, so der Gewinner der DJ-Mag-Auszeichnung „Bester DJ der Welt“ gegenüber Motorsport.com.

Wer mehr über die Bilderbuch-Karriere dieses phänomenalen Künstlers erfahren möchte, darf gespannt auf den Sommer 2021 blicken – dann erscheint Carl Cox‘ Autobiographie. Wie hätte sie auch anders heißen können – „Oh Yes, Oh Yes.“

Aus dem FAZEmag 100/06.2020
Text: Milan Trame
www.carlcox.com