Claptone – Goldene Fantastereien

„Von Geheimnissen werden Menschen weiterhin angezogen wie die Motten vom Licht“, sagt der Mann, den man nicht ohne goldene Maske kennt. Auch wenn Claptone einer der größten Geheimniskrämer im Musikbusiness ist und die goldene venezianische Vogelmaske einen gewissen Style-Faktor hat – für seinen Erfolg ist wohl doch eher seine Musik verantwortlich.

05_2018 Fantast by Andreas Waldschütz5

Seit Claptone Ende 2011 mit seiner ersten EP „She Loves You“ auf Exploited in Erscheinung trat und hier auch seine Hits „No Eyes“ und „Heartbeat“ rausbrachte, rätselt die Szene, wer der Aufsteiger ist. Gerücht um das Halb-Vogel-Halb-Mensch-Wesen ranken sich zuhauf … Wir schweigen dazu und sprechen lieber mit Claptone selbst. Denn jetzt legt er mit seinem zweiten Album „Fantast“ in Sachen Mysterien und Beats nach.

In diesen Tagen erscheinen 13 neue Tracks auf Different Recordings. Und die sind nicht weniger geheimnisvoll als ihr Schöpfer. Schon der Titel „Fantast“ macht klar, wo es hingeht. Im Nebel dieses Begriffs sind Tragträume, Träumereien, Fantastereien und ähnliches angesiedelt. „Träume sind irrational, aber gutmütig, sie sind ohne reale Konsequenz. Zudem ist das Schöne an Träumen, dass sie geheim sind, dass keiner von ihnen erfährt. Viele Leute erinnern sich nicht einmal an Ihre eigenen Träume. Rätsel können im Traum Rätsel bleiben ohne logisch aufgelöst werden zu müssen. Ja der Traum ist etwas sehr Schönes, er hält viel geheim und er verzeiht viel“, sinniert Claptone und präzisiert: „Für ‚Fantast‘ ist eher der Übergang von Realität zu Traum entscheidend, das Stadium, in dem man rätselt, ob seine Handlungen Teil des Traums oder vielleicht schon Realität sind. Es geht ums Tagträumen. Es geht auch darum, einen Teil des Traums, einer Utopie, in die Realität zu retten. Die Fantasie, Emotionalität und auch die Naivität des Traumes sind zweifelsfrei ein Schlüssel zu meiner Welt.“

In dieser Welt geht es meist um mystische Motive aus der Natur, um die Natur des Menschen … die Nacht, den Mond, um das Animalische, emotionale Abgründe, während das erste Album noch zur Selbstfindung als künstlerische Figur diente: „Als die Arbeit an ‚Fantast‘ begann, war die Richtung, in die es nach meinem Debütalbum ‚Charmer‘ gehen sollte, noch unklar. ‚Charmer‘ lotete Claptone als Kreatur zwischen Mensch und Vogel, zwischen beschwörend und betörend, zwischen charming und spellbinding aus.“ Doch warf der erste Longplayer mehr Fragen auf, als Antworten zu geben. „Es war purer Zufall, dass die ersten Layouts zum zweiten Album diesen Weg abstecken sollten: ‚Animal‘ sowie zwei Tracks, die am Ende doch nicht aufs Album gepasst haben – ‚Into the Wild‘ und ‚Mountain and Lake‘ – zeichnen einen Weg raus aus der harschen ökonomischen Realität der Stadt, hinein in die Natur; romantisch, wild, naiv, verträumt. Auf ‚Fantast‘ nehme ich mir die Freiheit, die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen zu lassen, um mir mein eigenes Utopia zu erschaffen. Hier bin ich nicht mehr gezwungen, mich zu fragen, was ich bin, sondern kann mich meiner animalischen Seite hingeben. Ich rede dabei weniger von Trieben, vielmehr davon, all die menschlichen Sorgen hinter mir zu lassen, für Momente – unschuldig – ganz in den Elementen aufzugehen und mich so zu finden. Dieser Weg hat mir weitere Einsichten darüber verschafft, wer Claptone ist bzw. sein kann.“

In dieser Welt spielt die Musik im Viervierteltakt, sie maskiert ihren Erzeuger über das Thematische hinaus ein weiteres Mal, indem zahlreiche Sänger und Sängerinnen den Tracks ihre Stimme und damit ihr Gesicht leihen. Jeder der Tracks enthält Vocals, die den Charakter des Stücks unverwechselbar prägen. Einer der Vocalists ist auch kein Unbekannter mehr im Claptone-Kosmos. Nathan Nicholson singt gleich auf drei Stücken des Albums: „Die musikalische Verbindung zwischen Nathan und Claptone ist sehr stark“, betont der Produzent und spricht dabei in dritter Person von sich, was er gerne öfter tut, um die Distanz zur Figur Claptone herauszustellen. „Die emotionale Ebene, die Nathan einbringt, ergänzt sich perfekt mit der Musik; und das Ergebnis ist genau, wie ich es mir wünsche. Ich war schon von ‚Heartbeat‘ und ‚In the Beginning‘ – unserer Zusammenarbeit auf ‚Charmer‘ – sehr angetan. Genau genommen habe ich mit Nathan für ‚Fantast‘ sechs Titel aufgenommen, wollte aber nicht ein ganzes Album mit einem Sänger machen. Denn es gibt auch noch eine andere Seite von Claptone, zu der Nathans Stimme nicht hundertprozentig passt. Jaw, auch wenn er nicht auf ‚Fantast‘ zu hören ist, bringt eine andere Dimension hinein, genau wie Austra, Clap Your Hands Say Yeah oder Ben Duffy von Fenech-Soler. Daher habe ich mich schweren Herzens auf diese drei Titel mit Nathan festgelegt.“ Claptone, großer Freund des klassischen Albums, findet neben der Möglichkeit, „dass man ein Album in einem durchhören und genießen kann“, das Schöne an Alben sei gerade, „dass man mit sehr verschiedenen Vocalisten – bei ‚Fantast‘ von Kele Okrereke bis Austra, von Matt Simons bis Joan As A Policewoman – arbeiten kann und musikalisch nicht so stark eingeschränkt ist. So gibt es auf ‚Fantast‘ Midtempo-Nummern, Electronica-Einschlag, Funk-Disco-Anleihen, es rockt hier und da und mit ‚A Waiting Game‘ hört man auch die erste Claptone-Ballade“, erklärt er und betont: „Daher unterscheiden sich die Claptone-Alben klar von den Claptone-Club-Tracks, die voll auf den Dancefloor zielen und auch ohne Vocalisten zum Tanzen anregen.“
Dem Club bleibt Halb-Vogel-Halb-Mensch Claptone trotz seiner Ausflüge (Achtung, Wortwitz!) in diverse poppige, balladenartige oder rockigere Gefilde seiner Deep-House-Welt treu, spielt er doch jedes Wochenende in Clubs und auf Bühnen von Melbourne bis Tokio, von Ibiza bis Tomorrowland. „Daher haben selbst Stücke, die sich musikalisch weiter hinauswagen, ein Club-Feeling, das kann ich schlecht verleugnen, möchte es auch gar nicht“, so der golden Maskierte. „Ich liebe die Clubs und Festivals dieser Welt als Orte der Zusammenkunft von Menschen, die das Gute wollen (auch wenn das Gute manchmal nur eine gute Party ist). Ich finde es sehr schade, dass Club-Musik in Album-Form einen schweren Stand oder schlechten Ruf hat bei den Medien und beim Käufer. Wenn man zurückdenkt an die ersten Alben von The Prodigy, Chemical Brothers, Fatboy Slim und Daft Punk, wird man sich erinnern, dass sich da noch coole Club-Musik im Album-Format verkauft hat. Heute ist es ungleich schwerer, auf Ibiza groß zu sein u n d ein Album herauszubringen, das alle kaufen. Viele kredible DJs releasen sehr undergroundige extrem coole Alben, die keiner kauft. Andere Acts releasen fremdgeschriebene ghost-produzierte Topline-Ansammlungen, die die Seele von House vermissen lassen. Vielleicht verkauft sich das besser, hat aber für mich nicht den Charme. Ich glaube daran, dass es eine Menge Leute da draußen gibt, die ein schönes Album mit Charakterstimmen und Club-Musik-Background hören wollen. Der Herausforderung ein solches zu produzieren, wollte ich mich mit ‚Fantast‘ stellen.“

Aus dem FAZEmag 076/06.2018
Text: Csilla Letay
Foto: Andreas Waldschütz
www.claptone.com

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