Crotekk – Hardtekk-Liebe und kroatische Folklore

 

Crotekk – Hardtekk-Liebe und kroatische Folklore


Es ist schon eine echte Vorzeigegeschichte, die von der Karriere von Benjamin Dragicevic alias Crotekk handelt. Der Deutsche mit kroatischen Wurzeln kommt schon im Teenageralter auf den Geschmack elektronischer Musik, wird von seinem Bruder mit CDs von Richie Hawtin, DJ Rush oder Chris Liebing versorgt. Doch beim heimlichen Besuch der ersten elektronischen Partys folgt dann die Ernüchterung: Mainstream-House und -Techno sind so gar nicht sein Fall. Zwei Lokalmatadoren schaffen es schließlich, eine Leidenschaft für schnellen, harten und brachialen Techno in ihm zu entfachen und lotsen den heutigen Hardware-Liebhaber auf die richtige Bahn. Crotekk erblickt das Licht der Welt und arbeitet sich mit seinen energetischen Produktionen peu à peu in die oberste Riege der Hardtekk-Szene vor. Wir haben den passionierten DJ und Produzenten zum Gespräch gebeten.

Hallo, Benjamin. Wie lautet dein Resümee für 2022? 

Aus Künstlersicht war das Jahr für mich perfekt. Endlich erfolgte der große Restart der Veranstaltungsbranche, endlich konnten wir wieder live vor Publikum performen. Schon im Frühjahr war mein Bookingkalender prall gefüllt mit Gigs für den Sommer und den Frühherbst. Das waren tolle Aussichten, die dann mit meinem Vertrag bei der Booking-Agentur Dusted Decks gekrönt wurden. Ein wahrgewordener Traum.

Größtes Highlight des Jahres ist sicherlich dein neues Album „Storys“. Die Tracks wirken einerseits sehr smooth, andererseits aber auch sehr energetisch. Wie lautet dein Geheimrezept?

Als Crotekk verbinde ich den kernigen Bretter-Hardtekk aus dem Osten mit Elementen des Techno und Tech-House. Auch meinen kroatischen Wurzeln lasse ich viel Platz in meiner Musik. Ich liebe diese alten Volksmusikmelodien aus Kroatien von ganzem Herzen und bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich diesen Klängen lauschen darf. Wenn ich im Urlaub in der Heimat bin, nehme ich gern mal so etwas mit einem Aufnahmegerät auf, zum Beispiel bei Volksfesten, wenn eine Folkloregruppe tanzt und singt. All diese Elemente fließen in meine Produktionen mit ein.

Wie sieht dein Studio aus? Mit welchem Gear arbeitest du am liebsten?

Mein Studio, das 2021 fertiggestellt wurde, ist die essenzielle Grundlage für mein Album. Ohne einen so schönen Arbeitsplatz wäre das alles nichts geworden. Ich produziere gern mit Hardware. Zum Einsatz kommen dann zum Beispiel der Moog Sub 37 Synth, die Korg-Electribe-Serie, der Arturia Drumbrute Impact oder der Teenage Engineering OP-1 – derzeit mein absolutes Lieblingsspielzeug. Oft jamme ich einfach drauf los und zeichne nebenbei auf. Die Tracks produziere ich dann in Ableton Live. Jedes Gerät hat einen eigenen Kanal in meiner DAW, so lässt es sich wirklich intuitiv arbeiten. Wenn ich live spiele, kommen meist mein Elektron Octatrack und der Korg Electribe ESX zum Einsatz.

Wie bist du musikalisch sozialisiert worden? Deine ersten Techno-Partys hast du ja bereits in einem sehr jungen Alter besucht, oder?

Hier habe ich viel meinem älteren Stiefbruder Benjamin – ja, er heißt auch Benjamin – zu verdanken. Durch ihn bin ich im Teenageralter in den Besitz von CDs von Richie Hawtin, Chris Liebing oder DJ Rush gekommen. Mit 15 oder 16 Jahren konnte ich mich dann erstmals – vorbei an den Türstehern – auf die ersten Technopartys schleichen. Bei mir im Nachbarort gibt es das Glashaus Worbis. Dort gibt es den Bunkerfloor, den Floor für den harten Sound. An-dreh und Spexx legten dort oft auf, sind aber mittlerweile beide leider aufgrund von Krankheit verstorben. Aber sie waren es, die mich auf diesen Hardtekk-Sound gebracht haben. An-Dreh hat immer live mit Drumcomputern und Samplern gespielt. Ich fand das wahnsinnig beeindruckend, weil es etwas ganz anderes als ein klassisches DJ-Set war. Das hat mich stark inspiriert, insbesondere Live-Sets haben mich damals stark beeindruckt und mich letztlich dazu gebracht, selbst ein paar Beats zu schrauben.

Wie ging es dann weiter? Stichwort: Acid Wars.

Nachdem ich mir regional einen Namen gemacht hatte, wurde Wanja, Labelhead der Bookingagentur Tekkfreakz, auf mich aufmerksam. Er ist sozusagen mein Entdecker und schaffte es, mich zu einem etablierten Hardtekk-Künstler zu formen. Eines Morgens im Frühling 2013 hatte ich dann plötzlich eine Nachricht von Acid-Wars-Member Nils Steffen auf meinem Handy. Er fragte mich, ob ich es mir nicht vorstellen könnte, mal auf der Ruhr in Love oder Nature One zu spielen. Ich hielt es zunächst für einen Scherz, doch er meinte es ernst. Der Rest ist Geschichte. Mit der Acid-Wars-Crew aus Münster ist über die Jahre eine große Freundschaft entstanden. Ich spiele regelmäßig im legendären Fusion Club in Münster.

Ruhr in Love, Nature One und, und, und. Du bist mittlerweile viel herumgekommen. An welchen Gig erinnerst du dich besonders gerne zurück? 

Ich kann mich sehr gut an einen Gig in der alten Motorenfabrik Erfurt erinnern. Den Club gibt es leider schon lange nicht mehr. Für mich war es seinerzeit der brachialste Laden, den es gab. Der Hardfloor im Keller war einfach atemberaubend. Das Soundsystem schlug einem Löcher in den Magen. Es gab nur Schwarzlicht und Stroboskop. Als ich dort spielte, fiel ich wie in einen Tunnel. Es gab nur mich, mein Setup und den Floor. Nichts anderes auf der Welt hat in diesen anderthalb Stunden existiert. Das war schon einzigartig dort!

Gab es auch mal einen Auftritt, bei dem es nicht so pralle lief? 

Ja, klar gab es das auch. Hier und da ist eine Party mal relativ schlecht organisiert. Und wenn man als Act dort ankommt, nicht mal weiß, auf welchem Floor man spielen soll, es nicht mal ein Freigetränk gibt und man nach dem Gig zwei Stunden durch den Club läuft, um die abrechnungsberechtigte Person zu suchen, dann ist das eher weniger schön. Aber das ist auch die Seltenheit.

In welchen Venues möchtest du unbedingt einmal spielen?

Sonne Mond Sterne Festival

Tomorrowland

Warehouse Amsterdam

Fabrik Madrid

Zrce Beach, Novalja

Erzähl uns doch etwas über den privaten Crotekk. Was machst du in deiner Freizeit? Gehst du einem weiteren Job nach?

Ich bin hauptberuflich in einer großen Mercedes-Benz-Autohaus-Kette der Peter-Gruppe tätig. Dort kümmere ich mich an meinem Standort um die Gebrauchtwagenabwicklung.

Somit ist mein Tag mit Vollzeitjob, Musik und Familie voll ausgelastet. Für weitere Hobbys gibt‘s da kaum noch Platz. Aber wenn man noch ein kleines Hobby aufzählen kann, dann wäre das in meinem Fall Fahrzeugpflege und Tuning. Ich besitze selbst ein paar ältere Mercedes-Modelle und habe großen Spaß daran, diese aufzuwerten und zu pflegen.

Auf deinem Instagram-Kanal sieht man dich im Kroatien-Trikot oder mit Kroatien-Merch. Ein großer Fußballfan also? Wie stehst du zur WM in Katar? Zum Zeitpunkt unseres Interviews steht „Hrvatska“ ja im Halbfinale …

Wir Kroaten sind schon ein stolzes und verrücktes Völkchen. Wir zeigen das sehr gern in Form von Trikots und Fahnen. Die WM sehe ich zwiegespalten. Alle Kritik an Katar ist natürlich berechtigt. Auf der anderen Seite hätten wir uns als „Empörungsweltmeister“ die Fragen nach Menschenrechten auch vor vier Jahren in Russland oder vor acht Jahren in Brasilien stellen müssen. Gleiches wird auch für die kommenden Turniere gelten. Ich schaue die Spiele und drücke meinem Kroatien ganz fest die Daumen, dass wir wieder mit einer Medaille nach Hause kommen. Schon allein, dass ein kleines Land mit nicht einmal vier Millionen Einwohner*innen zum zweiten Mal in Folge im Halbfinale steht, ist mehr als beachtlich. Ajmo Hrvatska!

Deine aktuellen Top-5-Tracks?

Kidnap – Moments (Ben Böhmer & Nils Hoffmann Remix)

Trikk – Movimento

Thomas Lizzara – 1997

Ben Böhmer – Beyond Beliefs

NTO – Gamma

„Storys“ ist am 23. Dezember via Recordjet erschienen.

 

Aus dem FAZEmag 131/01.2023
Text: Hugo Slawien
www.soundcloud.com/crotekk-live