Dana Ruh – Entspannt und beruhigt

Bars und Clubs haben geschlossen, an Festivals und Open Airs ist gerade auch nicht zu denken. Das drückt vielen Menschen auf die Stimmung, schließlich sorgen diese Orte doch oft für den notwendigen Ausgleich im Gefühlshaushalt, wenn es gerade mal nicht so läuft wie erhofft. Eine positive Nachricht: Die Berlinerin Dana Ruh veröffentlicht diesen Monat ihr neues Album und sorgt damit für „Time Out Of Mind“.

Welche Gedanken hast du dir bei der Wahl des Titels und der Konzeption von „Time Out Of Mind“ gemacht?

Der Titel sagt für mich eigentlich alles aus, was ich mit meiner Musik gern erreichen möchte – ob es dann so weit kommt, bleibt natürlich dem Zuhörer überlassen. Und zu meiner Herangehensweise: Ich produziere nicht, um Releases zu machen, somit bleibt mir ein gewisser Zeitdruck erspart. Man hört ja hin und wieder „Ich muss mal wieder ins Studio, Musik machen“ – so was will ich nie sagen müssen, weil das für mich eine Leidenschaft ist, bei der das Wort „muss“ nicht im gleichen Atemzug vorkommen kann. Und um wieder auf den Titel zurückzukommen: Ich mache also meine Musik ohne Zwänge, ohne Druck und verliere mich eher in der Zeit, als auf sie zu achten. Ich mache meine Musik auch nicht von bestimmten Trends oder gehypten Sounds abhängig. Ich mache einfach das, was ich gut kann, das bin nun mal ich.

Die Tracks entstanden zwischen 2015 und 2020. Das ist ein sehr großer Zeitraum für ein Album. In der Zwischenzeit erschienen auch die drei anderen Katalognummern auf Cave. Wie verlief die Albumproduktion insgesamt?

Ich mache unheimlich viel Musik, meist für mich – und dann schaue ich, was damit passiert. So entstehen meine Archive. Da sammle ich meine Tracks und mache auch Playlisten. Alle Tracks, die ich veröffentliche, müssen vor mir bestehen können, und zwar langfristig. Sprich: Sie müssen mir immer gefallen. Ich wollte schon seit Längerem wieder ein Album machen, aber war eben noch nicht so weit, konnte kein Werk zusammenstellen, das mich persönlich von Anfang bis Ende glücklich macht. Als ich dann letztes Jahr im Herbst in New York war, gab mir das so einen Inspirationsschub, dass ich zum einen viel Musik im Kopf und Herzen hatte, die raus wollte, und zum anderen den Vibe mitgenommen habe, den ich dafür wollte. Dann bin ich in meine Archive und habe alles rausgesucht, was mir etwas bedeutet, habe überarbeitet, ergänzt und zusammengestellt. Das ging dann recht schnell.

Wie gehst du deine Produktionen im Allgemeinen an? Welcher Workflow ist für dich der richtige, welches Equipment kommt immer zum Einsatz und wie viel Zeit widmest du einer einzelnen Nummer?

Ich kann das so pauschal wirklich nicht beantworten, versuche aber mein Bestes. Meistens gehe ich ins Studio und höre etwas Musik – alle Genres sind dabei. Ich höre einfach das, was mich gerade bewegt. Damit groove ich mich ein und erzeuge eine Stimmung, die ich dann versuche festzuhalten und in meine Musik einfließen lasse. Ich bin wirklich sehr an Emotionen interessiert und dieser Workflow hilft mir, diese auszudrücken. Oft fange ich mit dem Groove an, meist mit einer Drum Machine, dann baue ich darauf auf. Es ist aber auch schon vorgekommen – eigentlich kommt es sogar immer häufiger vor –, dass ich die Vibes zuerst habe, also die musikalischen Parts. Alles in allem sollte das dann auch ziemlich schnell stehen, zumindest der Kern, die Grundthematik des Tracks. Wenn ich da zu sehr rumdaddle und in einer gewissen Zeit nichts zusammenbekomme, lasse ich es auch für den Tag. Die Kreativität auszumelken, das ist nichts für mich. Es flowt oder flowt eben nicht.

Es ist das vierte Release auf Cave Recordings – und alle vier stammen von dir. Wird das auch in Zukunft so bleiben oder gibt es Pläne, weiteren Künstlern hier eine Plattform zu bieten?

Eine gute Frage. Ich überlege da immer wieder hin und her. Das Ganze war schon eher als Plattform für mich gedacht, aber wenn da was ist, wo ich sage „Okay, das passt gut“ – nichts ist unmöglich! Ich entscheide so etwas immer mit dem Bauch.

Wie steht es um Brouqade Records? Das letzte Release – Arnos „We Perfectly Understand Each Other Until We Start To Talk” – liegt nun schon eine ganze Weile zurück. Welche Ideen und Gedanken gibt es zum Label?

Gerade sind wir bei der Release-Planung – und es geht weiter und bleibt spannend. Das nächste Release macht Giuliano Lomonte. Christopher Ledger ist wieder geplant und ein paar Überraschungen wird es auch geben. Ja, es geht weiter, aber ich wollte dem Album wirklich viel Platz geben, da es ja auch das erste für das Label war.

Neben deinem Dasein als DJ und Produzentin betreibst du auch einen sehr ausgewählten Plattenladen. Wobei der Begriff „Plattenladen“ hier weder genau passt noch ausreicht, um zu beschreiben, was dort alles passiert. Wo finden wir diesen Spot und was genau macht das KMA besonders bzw. anders als andere Plattenläden?

Ja, wir würden das eher als Musikplattform beschreiben. Wir haben Platten, aber es gibt dort noch so viel mehr zu entdecken. Wir bieten auch eine Rundumbetreuung für Labels an, sind Anlaufstelle für Musikliebhaber und Soundtüftler. Wir vertreiben Platten, aber eben in kleinem Stil, dafür mit einem gewissen Charme. Wir bieten unsere Räume für Label-Showcases an, mit Stream wenn gewünscht. Ich denke, all die genannten Punkte lassen schon vermuten, dass es sich dabei nicht nur um einen Plattenladen handelt. Aber dieser Bereich, der Plattenverkauf, ist natürlich sehr präsent. Wir legen großen Wert auf eine musikalische Vorauswahl, die dem ganzen Team gefällt, alles handverlesen sozusagen. Wer vorbeikommen mag: Wir sind in Berlin, Herrfurthplatz 8. Oder auch online unter www.kma60.com.

Du erlebst die elektronische Szene aus ganz verschiedenen Blickwinkeln. Welche großen Veränderungen hast du in den letzten Jahren bemerkt? Als Vinylliebhaberin braucht man dir mit Streaming wohl kaum zu kommen, oder siehst du darin auch Chancen?

Also, Veränderungen gibt es so viele, dass man sich ihnen nicht komplett verschließen kann. Social Media bieten viel Raum, sich darzustellen, etwas anzubieten. Sie bergen jedoch auch die Gefahr, sich darin zu verlieren und andere Werte oder Maßstäbe zu setzen. Das kommt auf jeden selbst an, wie damit umgegangen wird. Auch Streaming ist eine Art, sich zu präsentieren, ich habe das auch gemacht – und die Liebe zum Vinyl schließt das meines Erachtens nicht aus.

Wie schätzt du die aktuelle Lage hinsichtlich des Coronavirus ein, bezogen auf die Club- und Musikkultur in Berlin? Mit welchen Folgen rechnest du? Welche Ängste und Hoffnungen hast du für die Zukunft?

Oh ja, das ist ein großes Thema. Das wird erhebliche Folgen haben. Der positive Effekt kann sein, dass man den Wert der kulturellen Einrichtungen mehr zu schätzen lernt. Vieles wird da für selbstverständlich genommen. Aber es wird viele treffen, es ist ja gar nicht klar, wie man überleben kann. Auch für mich nicht. Ich muss ganz klar sagen: Auch ich stehe vor einer Herausforderung. Es geht dabei nicht nur um mich, sondern um das ganze Team von KMA60. Wie lange können wir das so aushalten, was können wir tun, um weiterzumachen? Nichts ist klar. Und so geht es vielen.

 

Aus dem FAZEmag 098/05.2020
Text: Julian Haußmann
Foto: Charlotte Thor
Kauflink: https://kma60.com/product/dana-ruh-time-out-of-mind

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