Dapayk & Padberg – zwei Jahrzehnte

Dapayk & Padberg – zwei Jahrzehnte. Credit: Sarah Storch

Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten transformieren Niklas Worgt und Eva Padberg als Duo die elektronische Musik in Europa maßgeblich mit. Mit ihrer Fusion zwischen Electronica, Ambient und Pop schaffen sie einen ganz eigenen Sound, der sich nun auf einem neuen Album manifestiert. Dabei sind die beiden nicht nur im Studio oder bei Auftritten ein Duo, sondern auch privat. Die beiden heirateten bereits im Jahr 2006. Sieben Jahre ist es her, dass das letzte gemeinsame Album, damals unter dem Titel „Harbour“, von Dapayk & Padberg erschien. Das heißt nicht, dass Niklas Worgt und Eva Padberg in dieser Zeit ihr künstlerisches Schaffen niederlegten. Es entstanden gemeinsame EPs und Singles. Außerdem verfolgten die beiden diverse andere Projekte, unter anderem solo.
Nun erscheint endlich ein neuer gemeinsamer Longplayer, der wiederholt markiert, wofür die beiden als Duo stehen. Zehn Tracks beinhaltet das neue Werk, wovon jeder einen ganz eigenen markanten Charme besitzt und trotzdem immer den typischen Sound des Gespanns mitbringt. Von entspannt-poppig über Ambient-chillig bis hin zu progressiv-Electro-lastig nimmt „In Between“ die Hörer*innen mit auf eine Reise durch verschiedene elektronische Sphären. Darüber hinaus mixen Dapayk & Padberg den offiziellen FAZEmag-Downloadmix unserer 150. Jubiläumsausgabe.

Eva und Niklas, Glückwunsch zum neuen Album. „In Between“ wird als euer facettenreichster und vielschichtigster Longplayer beschrieben. Was war der Auslöser oder die Inspiration zu dieser Vielseitigkeit?

Eva: Klanglich und soundtechnisch ist „In Between“ für uns die logische Fortführung unseres letzten Albums „Harbour“. Außerdem haben wir versucht, Elemente aus unserer kompletten 20-jährigen History einzuarbeiten. Da kommt einiges zusammen, haben wir doch 2002 eher mit reinen Clubtracks angefangen und sind im Laufe der Zeit im Listening angekommen.

Wie habt ihr die Veränderungen und Herausforderungen der letzten Jahre in eure Musik integriert? Niklas, wir haben ja erst vor ein paar Monaten über ein „Reset“ gesprochen, das du auf beruflicher Ebene erlebt bzw. durchgeführt hast.

Niklas: Das gefühlsmäßige Verarbeiten von aktuellen Situationen oder Ereignissen passiert eigentlich ganz automatisch. So ist jedes Album von uns auch immer wie eine Momentaufnahme oder eine Art Polaroid von der Zeit, in der es entstanden ist. Das Ende meines Labels Mo’s Ferry Prod. war auch ein Befreiungsschlag. Ich muss nicht mehr einkalkulieren, wie viele Leute ich im Office bezahlen muss, sondern mache nun alles allein. Daher können wir mit Dapayk & Padberg viel freier und kreativer agieren.

Eva, auf diesem Album hast du viel mehr mit deiner Stimme experimentiert. Wie hat sich dieser Prozess entwickelt und was hat dich dazu inspiriert?

Eva: Auch wenn ich es überhaupt nicht erwartet hätte, hat meine Teilnahme bei „The masked Singer“ im letzten Jahr sehr viel damit zu tun. Ich hatte in der Zeit eine ganz tolle Vocal-Coachin, die mich fit für die Bühne gemacht hat, und ich konnte mir aus den Sessions viel für das Studio mitnehmen. Es war schon ein paar Jahre her, dass ich mit Niklas Vocals im Studio aufgenommen oder live performt hatte und ich war erst einmal unsicher, ob ich das überhaupt noch kann. Da hat mir das Coaching wirklich mehr Sicherheit und auch Experimentierfreude gegeben.

Niklas, das Grundgerüst zur Single „It’s All Yours“ ist am Pool in der französischen Provence entstanden. Wie hat dieser Ort dich und deinen Sound beeinflusst?

Niklas: Wir waren an dem Tag mit unserer Tochter unterwegs. Leider war sie nicht gut drauf und wir ziemlich gestresst. Erst am Pool kam sie zur Ruhe, ich setzte die Kopfhörer auf, um ebenfalls zu entspannen. Ich blickte über die Weinberge, das Kind war glücklich und dann passiert so etwas wie „It’s All Yours“. Auch „In Between“ entstand in den Grundloops an diesem Tag. Das Runterkommen, Entspannen, das Entkrampfen hört man einfach.

Hier könnt ihr die Single „It’s All Yours“ von Dapayk & Padberg streamen:

Das Album erscheint auf eurer Label-Holding Sonderling Records. Wie hat sich das Label seit der Gründung entwickelt?

Niklas: Sehr gut. Wir haben für unterschiedliche Genres Sublabel gegründet. So ist „In Between“ auf dem Sub „Fruehling“ erschienen. „Sonderling Berlin“ ist eher für den melodischeren Clubsound gedacht, „Rohling“ für Techno. Mit „Licht“ haben wir auch ein kleines Label für Piano-Ambient-Electronica.

Euer Lebensmittelpunkt liegt schon einige Zeit nicht mehr in Berlin, sondern in der Uckermark. Wie haben persönliche Veränderungen – der Ortswechsel, die Entschleunigung, der Nachwuchs – eure Sicht auf die Musik und das Leben im Allgemeinen beeinflusst?

Eva: Umzug, Kind, Corona, das sind auf jeden Fall alles Faktoren, die für uns die Prioritäten etwas verändert haben. Die Musikbranche hat sich durch den Corona-bedingten abrupten Generationswechsel sehr verändert und wir sind mittlerweile an einem Punkt in unserem Leben angekommen, wo wir viel entspannter mit unserer eigenen Rolle in der Musikwelt umgehen. Die Ruhe und Abgeschiedenheit der Uckermark machen es uns leichter, uns auf uns selbst zu konzentrieren und uns nicht von dem Noise der Szene künstlerisch aus dem Konzept bringen zu lassen. Das macht das Arbeiten auf der einen Seite freier, aber kann auch gefährlich werden, wenn man nicht ganz den Bezug zu den Realitäten des Business verlieren möchte.


Eva, du hast mal über einen neuen Blick auf die Zeit und die Vergänglichkeit gesprochen, der durch das Muttersein entstanden ist. Wie hat sich dieser Blick auf deine kreativen Prozesse ausgewirkt?

Eva: Die ersten vier Jahre als Mutter war es für mich gänzlich undenkbar, wieder musikalisch kreativ zu werden. Es war, als wäre dieser Teil meines Gehirns komplett lahmgelegt worden. Ich war sehr fokussiert auf meine Rolle als Mutter und hatte da einen regelrechten Tunnelblick. Erst seit Mitte 2023 etwa konnte ich mir wieder vorstellen, gemeinsam mit Niklas im Studio zu arbeiten und neue Texte zu schreiben. Am Ende hat sich herausgestellt, dass das genau das war, was ich gebraucht habe. Beim Schreiben konnte ich viele Gedanken der letzten Jahre verarbeiten. Ich merke immer erst im Nachhinein, wie wichtig diese Arbeit auch für mich selbst ist. Ich lasse mir wieder mehr Raum und auch Zeit für mich selbst.

Niklas, du warst im letzten Februar mit der 60-köpfigen Staatskapelle Weimar zu sehen. Wie hat diese Erfahrung deine Herangehensweise an das neue Album beeinflusst?

Niklas: Ich glaube, ich denke viel mehr über „Layering“ nach, also, wo packe ich welchen Sound hin und wie funktioniert der mit anderen. Meine Titel steigern sich in der Regel zum Ende hin immer weiter, und ich glaube, es sind dieses Mal wesentlich mehr Spuren und Melodieläufe geworden als bisher. Es ist absolut faszinierend zu sehen, wie ein Orchester den Raum klanglich füllt, so etwas geht nicht spurlos an einem vorbei.

Ihr seid seit über zwei Jahrzehnten als Duo aktiv. Wie hat sich eure Arbeitsweise im Laufe der Zeit verändert und weiterentwickelt?

Eva: Mittlerweile ist das schon eine gewisse „gemütliche“ Routine bei uns beiden im Studio. Die Arbeitsaufteilung ist klar und die Arbeit geht uns meistens recht schnell von der Hand. Früher haben wir oft mehr Zeit gebraucht, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Was aber nach wie vor gleich geblieben ist, ist, dass Niklas immer sehr fleißig und vorbereitet ist und ich immer viel Zuspruch gebe. Und dass ich Aufforderung brauche, bis ich dann mal loslege (lacht).

Niklas: Im Grunde sind die Abläufe gleich geblieben: Ich entwerfe Skizzen und Loops und sammle musikalische Ideen und sende sie Eva, die anschließend damit herumprobiert. Früher lief das per Mail und mp3 nach New York, wo Eva anfangs wohnte, heute reicht es, wenn ich im Studio etwas aufdrehe.

Auf dem Album vereint ihr verschiedene musikalische Stile und Elemente. Wie gestaltet sich der kreative Prozess bei der Integration so unterschiedlicher Einflüsse?

Niklas: Da gibt es ehrlich gesagt keine bewusste Entscheidung zum Stilmix. Wir hören beide sehr viel Musik aus unterschiedlichsten Richtungen. Das fließt ganz zwangsläufig ein. Wir müssen durch den geringeren Druck von der Label-Seite nicht mehr mutig sein, Sachen auszuprobieren. Wenn es irgendwie funktioniert und sich gut anfühlt, bleibt es drin, auch wenn es die Genre-Einordnung erschwert.

Wie schafft ihr es, die Balance zwischen Ratio und Emotion, Bewusstsein und Unterbewusstsein in eurer Musik zu halten – zumal ihr ja nicht nur Kollegen, sondern auch ein Paar seid und daher quasi eine viel engere Verbindung habt?

Eva: Uns ist es generell sehr wichtig, dass das, was wir musikalisch schaffen, uns vor allem erst einmal emotional abholen muss. Wenn mir Niklas einen Track vorstellt, der mich nicht anspricht, dann lautet die Regel immer: Der wird vorerst zur Seite gelegt. So gesehen kann man wahrscheinlich sagen, dass er zunächst für mich als einzige Hörerin produziert. Von da ausgehend kann sich so ein Track aber im Prozess immer wieder verändern oder auch mal verschwinden. Wir sind eigentlich beide sehr klar in dem, was wir wollen und was wir nicht wollen.

Niklas: Das Veto des Anderen geht immer vor. Wenn mir eine Idee von Eva nicht so gefällt, lassen wir das liegen und arbeiten später weiter. Manchmal dauert es acht Jahre, bis ein Titel dann wieder herausgekramt wird und endlich „reif“ ist. Wir schmeißen keine Idee weg, manchmal ist es einfach noch nicht so weit. Wir sind da sehr entspannt.

Niklas, im Rahmen der Groove Symphony spielst du aktuell mit verschiedenen Orchestern. Ein Projekt, das äußerst aufwendig und zeitintensiv zu sein scheint. Erzähle uns gerne mehr darüber.

Niklas: Dr. Barbara Volkwein, die Initiatorin von Groove Symphony, nahm 2017 Kontakt zu mir auf. Es dauerte dann tatsächlich bis Mitte 2023, bevor es konkreter wurde und die Arbeiten begannen. Gemeinsam mit dem Dirigenten und Arrangeur Christian Dellacher und Alec Troniq erarbeiteten wir ein Programm, das wir nun, jeweils angepasst, zum dritten Mal aufführen. Christian hat als klassischer Komponist auch ein Gespür für elektronische Musik und ist offen für Alecs und meine Perspektiven. Wenn ein Orchester über bestehende Clubtracks spielt, wird es schnell zu viel. Wir haben aber gemeinsam eine gute Balance gefunden und arbeiten weiter an den Details.

Im Oktober geht es mit dem Filmorchester Babelsberg im Potsdamer Nikolaisaal weiter.

Niklas: Genau, wir spielen zum dritten Mal in der Konstellation Groove Symphony/Dapayk/Alec Troniq. Aus den letzten beiden Auftritten haben sich Ideen entwickelt, die wir im September umsetzen wollen, um das Ganze für Potsdam zu optimieren. Es ist ein ständiger Prozess. Hier kommt ein Part dazu, dort verschwinden ein paar Spuren. Mit dem Filmorchester Babelsberg zu spielen, ist eine Ehre, und für mich wird mit der Groove Symphony ein Traum wahr.

Wie sieht es mit gemeinsamen Shows für die nächsten Wochen und Monate aus?

Eva: In den letzten Jahren haben wir nur sehr wenig gemeinsam gespielt, da unsere familiäre Situation eine richtige Tour nicht zulässt. Deshalb suchen wir uns nur ein paar einzelne „Wohlfühlgigs“ heraus, die sich gut mit der Familie vereinbaren lassen. Am 7. August spielen wir wieder auf der „Insel der Jugend“ in Magdeburg und im September beim „geht raus!“-Festival in Gera.

In diesem Monat mixt ihr den Jubiläumsmix zur 150. Ausgabe vom FAZEmag. Was erwartet die Hörer*innen?

Niklas: Ein Streifzug durch 20 Jahre unserer musikalischen Geschichte.

Das Album „In Between“ von Dapayk & Padberg ist am 28. Juni 2024 via Fruehling / Sonderling Records. Hier könnt ihr in das Album reinhören und dieses käuflich erwerben:

Aus dem FAZEmag 150/08.2024
Text: Rafael Da Cruz
Credit: Sarah Storch
www.instagram.com/dapayksolo