Der Korg Volca FM2 im Test- FM-Eruption aus sechs Schloten

Der Korg Volca FM2 im Test- FM-Eruption aus sechs Schloten

Als Korg 2016 seine beliebte Volca-Reihe ausgerechnet um einen FM-Ableger erweiterte, war das schon eine ziemlich mutige Sache. Die geheimnisumwobene FM-Synthese war nach zahlreichen Software-Umsetzungen erstmals auch wieder im Hardware-Sektor en vogue. Der Volca hatte den unvermindert anhaltenden Trend sogar maßgeblich mit angeschoben. Aber wie sollte ein Miniinstrument in der Größe einer Zigarrenkiste etwas beherrschbar machen, das schon ausgewachsenen Synthesizern, allen voran der 1983er Urtyp Yamaha DX7, kaum möglich war? Das Ergebnis ist bekannt: Korg ist es im Rahmen der kleinformatigen Möglichkeiten bereits mit der Erstausgabe gelungen. Nun also der Nachfolger FM2. Zwar hält sich die Zahl der Neuerungen eher in Grenzen. Da wir den digitalen Vulkanier allerdings noch nie ausgiebig getestet haben, räumen wir ihm jetzt den gebührenden Platz ein.

Körperliches
Der Volca FM passt sich in Gestalt wenig überraschend dem Vorgänger und somit den anderen Volca-Geschwistern an: Ein Westentaschen-Synth in den Abmessungen 19,3 x 11,5 x 5 Zentimeter, der sich wahlweise mit sechs mitgelieferten Mignon-Batterien oder einem optional erhältlichen 9-Volt-Netzteil betreiben lässt. Unterseitig bringt er ebenfalls einen kleinen Lautsprecher mit, oberseitig befindet sich der Stereo-Hauptausgang, der gleichzeitig den Headphone-Out darstellt. Eine offensichtliche Veränderung zum Vorgänger ist die MIDI-Anschlusssektion. Hier ist der 5-Pol-DIN-Eingang zwei 3,5-Millimeter-Klinke-Anschlüssen gewichen. Mit dem Volca FM2 lassen sich jetzt als auch andere Klangerzeuger steuern. Und damit zieht der Nachfolger mit den anderen Volcas der zweiten Generation gleich. Wer die fünfpoligen benötigt, besorge sich für wenige Euro die TRS-Miniklinke auf DIN-MIDI-Adapter. Komplettiert wird die oberseitige Anschlusssektion durch bekanntes SYNC-In und -Out-Duo, um den Klangerzeuger mit weiteren Volcas oder sonstig entsprechend ausgestatteten Geräten zu synchronisieren. Sollte die Polarität nicht passen, kann sie in den Werkseinstellungen geändert werden.

Ansonsten bleibt Korg beim FM2 dem Layout und der Farbgestaltung des Vorläufers treu. Obwohl komplett in Kunststoff gefasst, geben das transparent schwarze Chassis, die dunkelbraune Faceplate und die goldene Touch-Tastatur ein edles Bild ab. Die Parameter-Potis sind unverändert transparente Stifte mit LED-Beleuchtung, die entsprechend der Triggerung rot pulsieren. Blaugrün statt vormals Rot sind jetzt jedoch die Lauflicht-Dioden unterhalb des Keyboards sowie die kleine LED-Segmentanzeige an der oberen Geräteflanke gefärbt. Was im Display dargestellt, lässt sich ohne Blick in die Anleitung zwar nur erahnen, aber als kleine Hilfestellung reicht’s. Wer mit dem FM2 viel unterwegs ist, sollte ihm zum Poti-Schutz eine Abdeckhaube gönnen, wie sie zum Beispiel von Decksaver angeboten wird.

Geistiges
„Wow, echt?“ Das war bislang die Reaktion jedes uns bekannten Anwenders, der den Volca FM(2) erstmals anschlug. Dass die kleine Kiste einen derartigen überzeugenden Sound zustande bringt, mag überraschen. Wobei die digitale Klangerzeugung natürlich keinen großen Platzbedarf hat. Die Architektur entspricht übrigens der des legendären Yamaha DX7, direkte Vergleiche zu ziehen ist also keinesfalls unfair oder übertrieben. Wir werden jetzt nicht tiefer in die FM-Synthese einsteigen und wollen auch gar nicht den Eindruck erwecken, als wären wir diesbezüglich selbst die Oberchecker. Drum an dieser Stelle nur so viel, dass es zum Verständnis und zur Bedienung des Volca FM2 reicht: Er beherbergt 32 anwählbare Algorithmen als Klangbasis, die jeweils aus sechs Sinuswellen-Operatoren bestehen. Diese Operatoren wiederum können ganz nach Bedarf zwei unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Die des Elements, das eine Modulation der Frequenz ausführt (Modulator) oder die Elements, das diese Modulation empfängt (Träger, Carrier). In einem Algorithmus ist also festgelegt, welche Aufgabe die einzelnen sechs Operatoren übernehmen und wie sie die Frequenzen beeinflussen.

Korg hat seinem FM-Vulkanier ein stabiles Kärtchen beigefügt, das durch Blockschaltbilder gut veranschaulicht, wie die sechs Operatoren der 32 Algorithmen in Beziehung stehen. Dort wird auch gleich farblich markiert, welcher Regler auf dem Minisynth welchen Operator manipuliert. Der FM2 stellt auf seiner Faceplate folglich die Sektionen Modulator und Carrier mit jeweils zwei Potis bereit: einen für das Attack und einen für das Decay. Die Klangveränderung erfolgt bei der FM-Synthese neben der Frequenzbeeinflussung im Wesentlichen durch die Manipulation der Hüllkurve. Die nach außen geführten Attack- und Decay-Optionen erscheinen dabei zunächst nicht viel. Sie genügen aber bereits, um die Sounds einem beherrschbaren Rahmen zu shapen. Jedes Sound-Program besitzt zudem noch einen einstellbaren LFO, der dann auch die dritte Sektion auf der Bedienoberfläche bildet. Mittels Rate- und Parameter Depths-Regler lassen sich hier die LFO-Frequenz und Modulationstiefe für die FM-Klangquellen anpassen.

64 Preset-Sounds sind ab Werk vorhanden, die Auswahl erfolgt über einen Program-Endlos-Encoder. Darunter befindet sich dann ein Algorithm-Regler, mit dem man einen der 32 möglichen Algorithmen für den jeweiligen Sound auswählen und jederzeit tauschen kann. Die Presets sind gerade für Elektronik-Produktionen ausgezeichnet gewählt und durch die Bank nutzbar – das ist bei FM-Synthesizern mit ihren fast unbegrenzten Möglichkeiten auch in Bezug auf naturalistische Klänge nicht immer der Fall. Hier muss man nicht lange suchen und stößt fortwährend auf Klänge, die man schon immer besitzen wollte oder von deren glorreichen Existenz man gar nichts ahnte. Von Nadelspitzen und gläsernen Gefäßen über tief tönende Metallbässe bis hin zu atmosphärischen Dub-Chords ist alles möglich.

Theoretisch könnte man mit FM-Vulkan über einen Edit-Button sogar tief in die Klangsynthese eingreifen und die Operatoren einzeln bearbeiten. Die Rückseite der erwähnten Algorithmus-Pappkarte weist eine Parameterliste aus, die zeigt, was möglich ist. Das wird jeder schon aus Neugier sicher auch mal versuchen. Aufgrund der wenigen Bedienelemente und des rudimentär auskunftsfähigen Displays entwickelt sich das aber rasch zur Nervenprobe. Besser lässt sich die FM-Lobotomie übersichtlich am Computer-Bildschirm durchführen. Korg empfiehlt dazu den kostenlosen Online-Patch-Editor Synthmata von Oscillatorsink, mit dem sich die Operatoren detailliert editieren lassen. Ebenfalls Teil der Software ist ein Randomizer, der unter Berücksichtigung einiger Wunschparameter zufällig neue Patches kreiert. Mit derselben Software kann man übrigens auch auf den Yamaha DX7 zugreifen. Auch diese Gleichartigkeit lässt ahnen, dass noch ein ganz anderer Stunt möglich ist: Die Sound-Patches des DX7-Originals lassen sich tatsächlich als SysEx-File über den MIDI-Input in den FM2 laden. Volltreffer! Um frische Sounds zu generieren wartet der Vulkan als weitere Neuerung übrigens selbst ebenfalls mit einem Zufallsgenerator auf. Dieser wird per Function-Button in zweiter Ebene auf der Touch-Klaviaturtaste 6 aktiviert und spuckt auf Grundlage des Ausgangsklangs magischerweise in 90 Prozent der Versuche tolle Ergebnisse aus.

Seelisches
Apropos Tastatur: Ein Handicap der Volca FM-Erstausgabe war, dass sich die Klänge selbst bei Nutzung eines externen Keyboards nicht anschlagdynamisch spielen ließen. Das ist bei dieser Syntheseform insofern wichtig, da die Stärke des Anschlags häufig nicht nur die Lautstärke, sondern den Klang insgesamt deutlich verändert. Korg hat dem vielfachen User-Wunsch gebeugt, so dass der FM2 bei Anschluss eines entsprechenden Keyboards anschlagdynamisch reagiert. Den wohl wichtigsten Kritikpunkt haben die Japaner gleich mit entschärft: Die Anzahl der Stimmen. Statt aus dreien schleudert der Vulkan nun stimmlich aus immerhin sechs Schloten, was sich bei melodischem Spiel oder ambienten Klangschichtungen dann auch gleich positiv bemerkbar macht. Die Stimmen lassen sich übrigens auch auf mono reduzieren oder als unison zusammengefasst ausspielen. Dafür einfach die Function-Taste in der Transportsektion und die Klaviaturtaste 1 bzw. 2 anwählen. Über die Taste 4 kann zusätzlich zum Chorus-Effekt der Vorgängerversion jetzt zusätzlich ein Reverb-Effekt aktiviert werden. Dieser verhält sich angenehm unauffällig und macht die Klänge abermals plastischer.

Wie die anderen Volca-Modelle, wartet der FM-Neuling mit einem kleinen Sequenzer auf. Step-Eingaben sind dabei nicht vorgesehen, es wird alles live über die Tastatur im Overdub-Prinzip eingespielt und eventuell unerwünschtes mit Erase wieder gelöscht. Natürlich lässt sich der Record-Modus im laufenden Spielbetrieb jeder ein- und ausschalten. Echtes Gold wert ist in diesem Zusammenhang der eingebaute Arpeggiator, der per Poti neun Spielmuster zur Auswahl stellt und über einen weiteren Drehregler in der Notenwert-Auflösung verändert werden kann. Mit ihm lassen sich in Handumdrehen simple Notenabfolgen in quicklebendige Melodien verwandeln oder einfache Bassläufe in irre Stakkatos. Sofern man den Motion Sequencer aktiviert, können die Parameterveränderungen praktisch aller Regler mit aufgezeichnet werden. Das inkludiert auch die Moves, die man über die 27-Millimeter-Schieberegler Transpose und Velocity auf der linken Geräteseite ausführt oder wenn man die Arpeggio-Auflösung ändert – und dann geht der Spaß richtig los. Bis zu 16 Pattern vermag der FM zu speichern, ebenso lassen sich diese zu Songs verketten.

Schön und gut
Aufgewertet mit einer verdoppelten Stimmenzahl, einem MIDI-Out-Port, Hall-Effekt, Random-Patch-Generator sowie der Möglichkeit des anschlagdynamischen Spiels hat der Volca FM2 die Schwelle zum ernstzunehmenden Instrument endgültig überschritten. Geeks, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die komplexe FM-Synthese bis in die Grenzbereiche auszuloten, wird er kaum befriedigen – dazu sind Gestaltungsmöglichkeiten direkt am Tool zu gering. Die Beschränkung auf das Wesentliche macht ihn aber gleichzeitig zum idealen Tool für alle, die nach hochwertigen FM-Sounds für den sofortigen Einsatz suchen. Das können Einsteiger sein, aber auch Fortgeschrittene. Dass der junge Vulkanier zudem mit Original-DX7-Patches, wie sie in riesiger Anzahl im Netz existieren, gefüttert werden kann, macht ihn zum regelrechten FM-Klang-Chamäleon. Wer möchte da sein Nervenkostüm noch selbst mit endlosen Operatoren-Operationen ruinieren? Leider gibt die mitgelieferte Anleitung nur sehr unzureichend preis, welches Potential in der Maschine schlummert. Wer es wecken will, sollte in den Expert Guide von Tony Hogan investieren. Er hat gleiches bereits für die anderen Volca-Modelle verfasst und erklärt Schritt für Schritt die Bedienung. Diese zusätzlichen 10 EUR fürs E-Book sollten in Anbetracht der schmalen 180 EUR für das Instrument selbst bestimmt noch drinsitzen.

 

Aus dem FAZEmag 128/10.2022
www.korg.com