DJ Paulette – Das Leben und die Lehren einer schwarzen DJ

Mit „Welcome To The Club: The life and lessons of a Black woman DJ“ präsentiert DJ Paulette eine Autobiografie und die erste ihrer Art, die die einzigartige Perspektive einer queeren schwarzen Frau auf die Arbeit in einer weitgehend weißen, heterosexuell geprägten Musikindustrie wiedergibt. Doch „Welcome To The Club“ ist nicht nur eine Sammlung von Anekdoten über Ausgrenzung, Frauenfeindlichkeit, Rassismus und Klassismus. Es ist auch eine überaus unterhaltsame und lustige Lektüre, die aller Ernsthaftigkeit zum Trotz, zum Schmunzeln einlädt. Wir haben die ehemalige BBC-Moderatorin und Gewinnerin des DJ Mag Top 100 Lifetime Achievement Awards zu ihrem Werk befragt.

Hallo, Paulette – und herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung von „Welcome To The Club“! Wann und warum ist dir die Idee gekommen, ein Buch zu schreiben?

Ich habe von klein auf Tagebuch geführt und Geschichten geschrieben, und ich wollte schon immer ein Buch schreiben. Das ist der Hauptgrund, warum ich ein Studium der Englischen Literatur absolviert und zuvor in der Werbung als Werbetexterin gearbeitet habe. Die Idee, ein Buch über meine Erfahrungen in der elektronischen Musikindustrie zu schreiben, kam mir allerdings erst 2008, als ich einen Teil des Geldes, das mir mein Vater testamentarisch hinterlassen hatte, für ein Upgrade und den Kauf eines MacBook Pro verwendete. Ich versprach meinem Vater, dass sich die Investition lohnen würde. 2011/2012 herum hatte ich dann das Gefühl, dass ich genug Erfahrungen als DJ gesammelt hatte, um dieses Buch ins Leben zu rufen. Die Reise zum Buch war nicht kontinuierlich, aber der Wunsch zu schreiben schon.

Würdest du sagen, dass die elektronische Musikindustrie immer noch sehr männerdominiert ist? Ist es für eine Frau nach wie vor eine Herausforderung, in den Reihen der Profi-DJs Fuß zu fassen?

Anhand der DJ Mag Top 100 sieht man, dass mehr Frauen in die Top 50 aufsteigen. Tatsächlich machen aber immer noch 80 Prozent Männer die Liste aus. Es ist allerdings schön zu sehen, dass es immer mehr Frauen gibt, die sich durchsetzen und auf das Ungleichgewicht aufmerksam machen. Eine Herausforderung ist es nach wie vor, ja, aber es ist weniger anstrengend geworden. Es ist auf jeden Fall hilfreich, einen Agenten oder einen Manager an seiner Seite zu haben, der für einen kämpft, und das sind …  meistens Männer.

Wie hast du damals reagiert, wenn du mit Diskriminierung konfrontiert wurdest?

Resilienz ist mein zweiter Vorname – egal, wie groß die Herausforderung ist, ich sammle meine Energie und ziehe es durch. Meine frühe Karriere war von einer zehnjährigen Periode der industriellen Schönfärberei geprägt, die von vielen Künstler*innen – männlich und weiblich und auf der ganzen Welt lebend – ständig kommentiert wurde. Ich habe es zu meinem Kreuzzug und meiner Mission gemacht, dass dies nie wieder passiert und seit 2015 habe ich mich stets lautstark und sehr deutlich zu dieser Situation geäußert. Ich fing an, mit der Presse darüber zu sprechen, und lernte die Journalistin Kamila Rymajdo kennen, die sehr talentiert und effektiv darin ist, Reportagen in Auftrag zu geben. Als die Pandemie 2020 ausbrach, war das eine düstere Zeit, aber auch eine große Erleichterung, als die Menschen begannen, offen über all das zu sprechen, und es dann als Wahrheit und Realität wahrgenommen wurde.

Glaubst du, dass sich die Dinge jetzt geändert haben? Ist die Situation für Künstlerinnen heute besser als in der Vergangenheit? Die Zahl der in der Szene vertretenen Minderheitengruppen hat deutlich zugenommen, ist das ein akzeptabler Fortschritt für dich?

Ja, die Dinge sind jetzt in Bewegung – das sieht man am Aufstieg von Acts wie Sherelle, NIA Archives, Eliza Rose, TSHA, Jayda G, Natasha Diggs, Tarsza, Syreeta, Afrodeutsche oder Jamz. Aber nur weil Frauen sichtbarer sind, heißt das noch lange nicht, dass das ausreicht. Das ist erst der Anfang. Die Türen müssen noch viel weiter geöffnet werden, da es im Vergleich zu den Männern immer noch relativ wenige Frauen in der Branche gibt. Festivals buchen nach wie vor überwiegend männliche Line-ups und nutzen den einzigen schwarzen/weiblichen/farbigen/nicht-binären Artist als Möglichkeit, sich „woke“ zu präsentieren. Das ist kein Gleichgewicht. Wir alle können es besser machen, und der Wandel muss jetzt stattfinden.

Dein Buch behandelt viele ernste Thematiken und ist dennoch auf sehr lustige und unterhaltsame Weise geschrieben. Wie hast du es geschafft, die richtige Balance zwischen Humor und grauer Realität zu finden?

Ich bin ein sehr lustiger und sehr ernster Mensch. So bin ich nun mal. Ich war immer der Klassenbeste und der Witzbold in der Klasse. In jedem Zeugnis, das ich in der Schule bekam, stand: ‚Paulette ist eine hochintelligente Schülerin, die Großes leisten kann, aber sie redet auch zu viel und stört den Unterricht‘. Daran hat sich nichts geändert.

Ich glaube, es hat geholfen, dass ich bestimmte Punkte in meiner Laufbahn herausgegriffen habe und nicht chronologisch über alles geschrieben habe, das hat das Tempo und den Schwung erhöht. Es ist ein großes Kompliment von all den fortgeschrittenen Lesern, die mich kennen (darunter Gilles Peterson, Rowetta, Jaguar, Jamz Supernova, Bill Brewster und Frank Broughton), zu hören, dass sie meine Stimme und mich in den Worten auf der Seite sprechen hören können.

Wie stellst du dir die Reaktion der Leser auf dieses Buch vor? Gibt es eine zentrale Botschaft, die du ihnen mit auf den Weg geben möchten?

Ich habe gestern ein Nietzsche-Zitat gehört, dass diese Frage perfekt beantwortet: „Ein Leben ohne Musik wäre ein Fehler“.

Ein kurzer Blick in die Zukunft? Was steht als Nächstes für Paulette an?

Es ist viel geplant. Eine Buchtournee und Literatur- und Musikfestivals. Ich mache weiterhin Stand-in-Shows bei 6 Music und sammle Flugmeilen. Ich lege weiterhin auf und habe ein paar Projekte in der Pipeline, über die ich aber noch nichts verraten möchte.

 

„Welcome To The Club“ ist über den Manchester University Press Verlag erschienen. Bestellen könnt ihr es unter anderem auf Amazon.

 

Aus dem FAZEmag 144/02.2024
www.djpaulette.co.uk