Docklands Festival 2024 – Thomas Pieper im Interview

Docklands Festival 2024 – Thomas Pieper im Interview

Festivals gibt es wie Sand am Meer – mittlerweile auch in unseren deutschen Breitengraden. Ein Open-Air auf einem stillgelegten Flugplatz, ein Event unter freiem Himmel irgendwo im Nirgendwo. Das Line-up: Oft ein kunterbunt zusammengewürfeltes Sammelsurium mit Vertreter*innen sämtlicher Musikgenres. Von EDM über Trap, Dancehall und Hip-Hop bis hin zu Bass, Trance, Techno und Minimal. Doch wo sind sie, die Festivals, die sich musikalisch glasklar orientieren und einen stringenten Plan einhalten? Urbane Festivals, die authentischen Underground-Output mit kommerziell erfolgreichen Acts verbinden und dabei maximal authentisch bleiben? Tja, da trennt sich oftmals die Spreu vom Weizen. Und doch gibt es in der Republik ein genau solches Event, das die Herzen aller Techno- & Househeads höher schlagen lässt: das Docklands Festival in Münster. Am 8. Juni 2024 steigt das Happening am Hawerkamp zum 13. Mal. Höchste Zeit, mal den Founder, Initiator und Geschäftsführer zu einem musikalischen Stelldichein zu bitten: Thomas Pieper, eine regelrechte Legende der Nacht.

Foto: Diana Fabbricatore

Lieber Thomas, bevor wir in die Materie des Docklands Festivals einsteigen, erzähle doch einmal von deinem musikalischen Background. Wie kam es eigentlich zur Dockland GmbH und all euren Projekten?

Da muss ich zurückreisen ins Jahr 1987. In eine Zeit, in der Münster noch nicht so eine bunte, multikulturell und international geprägte Stadt wie heute war. Es gab so gut wie keine Clubs, die eine klare musikalische Linie verfolgten. Schon gar nicht im Bereich der von uns so geschätzten afroamerikanischen Musikkultur, die gerade dabei war, mit Hip-Hop und House die Popkultur für immer zu verändern. Wenn überhaupt etwas in der Richtung ging, waren das lose Bookings in den üblichen Clubs oder Events bei den hier stationierten Soldaten aus den USA und England. Heute übrigens unvorstellbar, sind wir damals mit dem alten Benz eines Kumpels, ohne jegliche Kontrollen, einfach mit sechs Leuten in die Kaserne gedüst und haben mit den GIs zünftige Hip-Hop-Jams zelebriert.

Mit „wir“ meine ich neben meiner Wenigkeit unter anderem Cutmaster Jay, der übrigens noch heute Resident-DJ bei uns ist, und meinen Geschäftspartner Christof Bernard. Die eigentliche Initialzündung für unser heutiges Schaffen kam dann ein Jahr später durch einen Trip nach Chicago, zu dem mich der Cutmaster animiert hatte. Er war seinerzeit schon drüben und konnte nicht fassen, was da im Bereich House Music abging. Also bin ich auch hin und wurde sofort vollgepackt.

Egal, wann man das Radio eingeschaltet hatte: Es lief immer House. Vorzugsweise war das beispielsweise der legendäre Kanal 107,5 WGCI-FM, auf dem alle großen DJs den ganzen Tag performten. Natürlich hingen wir dann auch bei Gramaphone Records und im Warehouse ab, zwei der bedeutendsten Institutionen in der Geschichte der House Music. Zurück in Deutschland verlor unser Studium dann nach und nach an Bedeutung, bis uns irgendwie klar wurde, dass es eventuell mehr Sinn macht, das Studium an den Nagel zu hängen und sein Hobby zum Beruf zu machen. So starteten wir 1994 mit dem Projekt Dockland unseren ersten Club, wo sich so ziemlich die gesamte Welt-Elite im Hip-Hop und House die Klinke in die Hand gab. Von Armando, über Bad Boy Bill und Gang Starr bis Paul Johnson, Rakim, The Roots oder den Wu-Tang Clan. 1997 wurde uns dann eine Location am autonomen Hawerkampgelände angeboten, in dessen Keller wir schon Ende der 80er-Jahre unsere ersten Events organisiert hatten. Das war dann die Geburtsstunde unseres geliebten Fusion Clubs, wo wir uns ausschließlich nur noch der elektronischen Musik hingaben. Zumal das Dockland 2004 der Gentrifizierung weichen musste.

Und heute feiert ihr im Jahr 2024 die bereits 13. Ausgabe des Docklands Festival.

Du sagst es. 2010 haben wir das Festival ins Leben gerufen. Damals noch als Indoor-Clubfestival. Mit der Entscheidung, nach draußen zu gehen, wurde es dann zu dem, was es heute ist. Zur diesjährigen Edition kommen ca. 80 Künstler*innen aus der ganzen Welt und Besucher*innen aus über 20 Nationen. Insgesamt erwarten wir wieder ein mit 15.000 Gästen ausverkauftes Festival. Mehr geht im Übrigen auch nicht, da das Docklands ein innerstädtisches urbanes Festival am alten Stadthafen 2 und auf dem Hawerkampgelände ist und somit räumlich eine Limitierung vorweist. Abgesehen davon, dass wir das alte Industrieareal lieben, hat der Standort übrigens einen entscheidenden Vorteil: Um uns herum sind zig Clubs, sodass wir mit unserem Festival fast 24 Stunden lang beide Welten darstellen können. Auf der einen Seite das Open-Air-Feeling und auf der anderen Seite die Intimität energetischer Club-Shows, wobei der Open-Air-Part in den letzten Jahren eine stetig wachsende Bedeutung eingenommen hat.

80 Acts, 15.000 Gäste aus 20 Nationen. So ein Event wuppt man nicht als One-Man-Show.

Nein, auf gar keinen Fall. In der Dockland GmbH arbeiten über 30 Festangestellte und durchgehend rund 150 Teilzeitkräfte. Wenn dann das Docklands Festival ansteht, schnellt die Zahl auch mal fix auf über 300 Personen. Das für alle elektronischen Events, wie z.B. unsere Kanello-Galore-Serie, verantwortliche Team ist allerdings tatsächlich recht klein, aber umso schlagkräftiger. Mit der Entwicklung, leitenden Organisation und dem Marketing der ganzen Events beschäftigen sich neben mir noch Stefan „Papst“, Eva, Paulina, Aaron, Paco, Helena, Pia und in Bezug auf den gastronomischen Teil unsere Betriebsleiter in den jeweiligen Venues. Allerdings betreiben wir ja auch noch ein paar andere Dinge, wie z.B. das Conny Kramer oder unsere Open-Air-Venue Dockland, ehemals Coconut Beach.

… Komma, aber?!

Genau, Komma, aber. Denn die Marke Coconut Beach gibt es nicht mehr. Der Name ist Vergangenheit und wird durch „Dockland“ ersetzt. Aberwitzig war, dass wir im Team tatsächlich drei, vier Monate gegrübelt und gebrainstormt haben, welchen Namen wir für das Re-Branding wählen. Manchmal ist das Naheliegende halt doch so fern. Dockland, zu Deutsch Hafengelände, und wie kein anderer Begriff in unserem Unternehmen mit elektronischer Musik verbunden, passt einfach zu 100 Prozent. Zumal das ganze Areal ja auch noch am alten Stadthafen 2 liegt. Die Eingebung hatte ich dann auf einmal beim Radeln. Wo auch sonst in Münster?

Warum der Change?

Ganz einfach, uns fehlte als einer der größten Open-Air-Venues für elektronische Musik in NRW schlichtweg die Identität und Profilschärfe. Wahrgenommen wurden wir ausschließlich über die dort stattfindenden Events wie Kanello Galore oder das Docklands Festival, aber nie über die Location an sich. Die Idee, den Namen loszuwerden und programmatisch vieles auf links zu drehen, beschäftigte mich deswegen tatsächlich schon drei oder vier Jahre. Coconut Beach – das klang zu cheesy, zu sehr nach „Füße im Sand und Cocktail in der Hand“. Natürlich ist es mit einer Umbenennung nicht getan und so werden nicht nur mehr und vielfältigere Mini-Festivals im Bereich der elektronischen Musik dort stattfinden, sondern auch das Rahmenprogramm bekommt einen ganz anderen Anstrich. Wir wollen zukünftig als offener Kulturstandort wahrgenommen werden und sind gerade im regen Austausch mit Kreativen, Künstlern und Kollektiven, die dort Events jeglicher Art kuratieren können. Tja, und wie schon erwähnt passt der neue Name halt perfekt. Dockland steht ja nicht nur für elektronische Clubkultur, sondern auch für unsere lange Geschichte, die ab 2024 wieder ein neues Kapitel bekommt.

Wobei die Brand Kanello Galore aber nicht ihren Namen abgeben muss, oder?

Natürlich nicht, zumal sich die Kanello-Galore-Serie einen sehr guten Ruf erarbeitet hat, weit über Münsters Grenzen hinaus. Grundsätzlich versuchen wir aber, stetig in Bewegung zu bleiben und nie stillzustehen. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Veranstaltern und vielversprechenden musikalischen Talenten. Ich glaube, das sieht man auch an unseren Bookings. Egal, ob Docklands Festival, die Open-Airs oder im Fusion Club. Klar, buchen wir auch alte Freunde oder klassische Headliner, aber wir bieten ebenso neuen, spannenden Künstler*innen eine Plattform. Deswegen bin ich auch seit Beginn unserer langen Reise weltweit auf allen möglichen Events unterwegs, um mir Input und Inspiration zu holen. Wie unschwer zu erkennen ist, hat in der letzten Zeit die Popularität elektronischer Musik zudem einen wahren Quantensprung hingelegt. Noch krasser als damals zur Peaktime Anfang/Mitte der 90er.

Ich sage bewusst auch, dass sich diese gesteigerte Popularität nicht immer auf die Qualität von Events oder künstlerischen Darbietungen auswirkt, aber Fakt ist definitiv, dass ein derartiger Boom auch immer eine große Vielzahl an Talenten hervorbringt, was ich persönlich total begrüße. Dass der Boom heute noch mal um einiges krasser als damals ist, sieht man übrigens auch am inflationären Anstieg der Anzahl von Festivals. Man kann quasi täglich beobachten, wie viele Leute sich von heute auf morgen zur elektronischen Musik hingezogen fühlen, und die zugegebenermaßen kommerzialisierte Ravekultur für sich entdecken. Alles in allem finde ich diese Entwicklung trotz der Kommerzialisierung durchaus positiv, denn mir ist allemal lieber, dass die Kids zu Techno anstatt zu Schlager oder gleichgeschaltetem Auto-Tune-Hip-Hop abgehen. Überhaupt schätze ich elektronische Musik gerade deswegen so sehr, weil es keines Nummer-1-Hits und eben keines vom Major-Label vorgegebenen Algorithmus bedarf, um Tausende zum Ausrasten zu bringen. Wenn irgendeine populäre Musikströmung sich immer noch in großem Umfang dem Underground verschreibt, dann ist es die elektronische Musik. Irgendwelche 90s-Eurodance-Edits von Tracks, die damals schon scheiße waren und mit 20 BPM mehr nicht besser werden, schließe ich hier allerdings kategorisch aus.

Viele Festivals: Das ist für die Szene sicherlich ein Pro. Aber es gibt auch ein Kontra. Nämlich: Man muss sich ja irgendwie von den anderen Festivals absondern, unterscheiden. Wo liegt der USP beim Docklands Festival im Vergleich zur „Konkurrenz“?

Ein Faktor ist sicherlich, dass ich nahezu das ganze Programm nach meinem persönlichen Geschmack selbst kuratiere. Wenn ich im Spätsommer in die Planung für das Folgejahr einsteige, überlege ich also nicht, ob irgendein Künstler gerade super Tickets verkauft, sondern ich frage die Artists an, die ich unglaublich gerne bei uns sehen möchte. Das gibt dem Line-up automatisch eine individuelle Note, die gerade vielen großen Festivals irgendwie abhanden gekommen ist. So zumindest mein Eindruck. In dem Moment, wo ich mein Booking schlichtweg nach Ticketverkäufen richte, verzichte ich ja automatisch darauf, den Gästen einen musikalischen Mehrwert zu bieten und sie eventuell Künstler*innen erleben zu lassen, die sie noch nie live gesehen haben und womöglich gar nicht auf dem Schirm haben. Oft fehlt mir bei vielen Festivals auch eine künstlerische Linie, und damit meine ich nicht den Mix verschiedenster elektronischer Musikstile. Es ist eben eher das Gefühl, dass da Leute bzw. mittlerweile eher Konzerne am Werk sind, die eben nicht leidenschaftlich für die Musik brennen, sondern eher fürs Geld.

Ich glaube, dass bei unseren Dockland-eigenen Events die Menschen halt eine gewisse Authentizität spüren. Auch bei der Ausrichtung der Bühnen gehen wir oft andere Wege. So bekommen bei uns die derzeit größten Trends, nämlich Hard-Techno und Neotrance, die kleinste Bühne, die allerdings auch superintensiv ist. Chicago-Legende Honey Dijon wiederum wollte eigentlich gerne auf der Kanello-Stage mit Âme, DJ Holographic, DJ Tennis, Egyptian Lover und Shubostar spielen, ich habe sie aber ganz bewusst zur Mainstage überredet, weil ich mir 100-prozentig sicher bin, dass sie diese mit ihrem grandiosen House-Sound, inmitten von Melodic-Techno-Artists, ordentlich auseinandernimmt und die 10.000 davor begeistern und überraschen wird. Last but not least ist das Docklands, wie schon erwähnt, eines der wenigen urbanen innerstädtischen elektronischen Day & Night Festivals, gepaart mit echter Underground-Clubkultur. Das gibt es in der Form auch nicht woanders. Zumindest fällt mir da gerade nichts Vergleichbares ein.

Hast du ein Vorbild in Bezug auf die Eventbranche?

Da ich mit meinem Partner in einer Zeit angefangen habe, wo es im Grunde keine Vorbilder gab, muss ich da passen. Woran hätten wir uns damals schon orientieren sollen? Wir haben in unserer westfälischen Oase irgendwie immer unser eigenes Ding gemacht. Allerdings nötigen mir einige Kolleginnen und Kollegen größten Respekt ab. Allen voran die Time-Warp-Crew. Ich denke nicht, dass es irgendeine Brand aus Deutschland gibt, die weltweit zu Recht eine derartige Anerkennung genießt. Sowohl die musikalische Auswahl als auch die Produktionen sind wirklich großartig. Witzigerweise habe ich erst 2018 meine Time-Warp-Premiere gefeiert, aber seitdem bin ich in Mannheim immer dabei gewesen. Wird Zeit, dass ich die Jungs mal im Ausland heimsuche. Also, Frank, Robin und Steffen, falls ihr das lest: Alles Gute zum 30-Jährigen und auf weitere 30 Jahre!

Vom Line-up zur Location.

Auch dies ist ziemlich einzigartig. Während die meisten Festivals irgendwo im Nirwana außerhalb jeglicher Zivilisation stattfinden, sind wir mit dem Docklands Festival ein innerstädtisches Event. Wir sind sowohl mit dem ÖPNV sehr gut zu erreichen, zugleich kannst du zu uns auch mit dem Fahrrad kommen. Es ist alles also sehr komprimiert und über kurze Wege erreichbar. An dieser Stelle ein wichtiger Hinweis. Auch wenn wir zum Glück ein paar wirklich schöne neue Hotels bekommen haben, sollte man spätestens jetzt nach Zimmern Ausschau halten. Sonst kann es eng werden.

Nachteil ist vielleicht aber die begrenzte Kapazität an Besuchern bei euch.

Jein. Klar – bei 15.000 verkauften Tickets sind wir sold out. Die limitierte Größe, auch platzbedingt, mag, wenn man das so sagen will, ein Nachteil sein. Allerdings wissen die Leute einfach, was sie erwartet. Und bevor du jetzt fragst: Warum geht ihr nicht raus aus Münster, dann könnt ihr auch 30.000 Karten verkaufen – sage ich dir: No Way! Das Docklands wird niemals freiwillig diesen für uns perfekten Standort verlassen. Außerdem ist es keine Monetarisierungsmaschine. Uns ist ganz wichtig, dass wir unsere Identität bewahren und uns nicht verkaufen. Zudem sind beispielsweise 30.000 Besucher*innen schon eine heftige Ansage. Irrsinnig schwierig, so viele Tickets zu verkaufen in der heutigen Zeit. Stichwort „Vielzahl an Festivals“. Und außerdem: Was wäre der Preis, den wir bezahlen müssten bei einem Standortwechsel nach „jwd“? Wir wären raus aus der City, hätten keinen urbanen Standort mehr, auch das alte Industrie-Feeling wäre weg. Und bei so einer großen Besuchermasse musst du halt zwangsläufig auf Megastars setzen, die 250.000 Euro an Gage verlangen, um den Ticketverkauf anzukurbeln. Es sei denn, du bist eine Fusion oder ein Burning Man und gehst schon viele Jahre, also seit Beginn der ersten Veranstaltung, diesen kollektiv-artigen Weg. Eine Richtung, die wir aber nicht eingeschlagen haben. Wir waren immer sehr Artist-fokussiert. Ich finde unsere Größe zudem ziemlich perfekt. Die einzige Überlegung, die wir immer wieder mal haben, ist: Man könnte auf zwei Tage gehen. Denn der ganze technische Aufbau, die Logistik, die Vorbereitungen, das gesamte Setup – all das wäre annähernd das Gleiche, egal, ob man ein oder zwei Tage umsetzt.

Tauchen wir mal ein bisschen mehr in die Hintergründe des Docklands Festivals ein. Ich nenne mal den Begriff „Booking“.

Ich sag’s dir ganz ehrlich: Die Zeit von Oktober bis März, April, also bis jetzt zu unserem Interviewtermin ungefähr – das ist die Zeit, die mir mittlerweile am wenigsten Spaß macht. Man muss sich mit weltweit operierenden Mega-Agenturen beschäftigen, die ihre Künstler möglichst lukrativ vermarkten wollen und wo Leidenschaft und Hingabe nur in Bezug auf das Geld eine Rolle spielen. Wir als Docklands Festival sind eins von zig Events, die weltweit allein an unserem Termin stattfinden und die Agenturen sind halt zu 100 Prozent businessorientiert. Bis wir als recht „kleine Nummer“ mal eine finale Zu- oder Absage bekommen, dauert es manchmal ewig. Ganz zu schweigen von den Hunderten Mails, die man in der Zeit so schreibt. Warum das so ist? Weil die Agenten natürlich abwarten, ob neben dem Docklands nicht noch ein anderes Event eine Anfrage startet, das mit 50.000 Besuchern irgendwo in Saudi-Arabien aus dem Boden gestampft wird und so richtig viel Cash auf den Tisch legt. Fakt ist daher leider: Die Agenturen treffen keine schnellen Entscheidungen und es dauert von Jahr zu Jahr länger, bis man sein Wunsch-Line-up stehen hat.

Und dann ist er da, der Frühling.

Genau. Und mit ihm geht auch bei mir im Herzen mehr und mehr die Sonne auf. Es ist die Zeit, in der wir die Früchte ernten, deren Saat wir in der dunklen Jahreszeit eingepflanzt haben. Mit dem Jahreswechsel haben wir die ersten Bookings eingetütet und sind jetzt gerade mit dem gesamten Sommer durch. Die Pflicht haben wir also hinter uns und es ruft  die Kür, die eigentlich nur eine Gefahr birgt. Man sollte nicht auf jedem Rave der letzte Gast sein, denn sonst ist man schon auf halber Stecke durch.

 

Kommen wir noch einmal kurz zurück auf die Besucher. Welche Art von Leuten tummeln sich so beim Docklands Festival?

Eine sehr interessante Art. Denn Münster hat seine ganz eigene Atmosphäre und ein sehr studentisches Klientel. Das Mindset hier ist super. Hier findet sich ein durchaus alternatives Völkchen wieder. Leute, die sich nicht tausend Gedanken über ihr Insta-Gesicht machen, sondern einfach loslassen. Apropos Insta-Gesicht. Auf all unseren Events werden so gut wie keine Fotos oder Videos gemacht, und das obwohl wir nur zu Saisonbeginn darauf hinweisen, dass wir keine Smartphone-Raver wollen. Unsere Hammer-Crowd hat offensichtlich ganz freiwillig keinen Bock auf so einen Mist und gibt sich auf dem Dancefloor dann doch lieber der Musik hin. Auch finden sich hier keine Schickimickis und Ibiza-Snobs, die bereit sind, für eine Club-Show 50 Euro Eintritt und 10 Euro für ein Bier hinzublättern. Der Altersdurchschnitt unseres Publikums ist bei grob 25 Jahren, es liebt eher den Underground der elektronischen Musik und hat ein wirklich gutes Musikverständnis.

Ihr bietet euren Gästen ein wirklich exquisites, ja handverlesenes Line-up – was mich zur Frage führt: Braucht man eigentlich hochkarätige Acts im Namelisting, um den Ticketverkauf voranzubringen?

Da das Docklands Festival immer Künstler-fokussiert war, braucht es natürlich ein anspruchsvolles Line-up, weil wir ja genau dafür auch stehen und unsere Gäste selbiges erwarten. Allerdings benötigen wir keine Mega-Ticketseller, die alleine schon 5.000 Gäste ziehen. Zumal wir immer auch eine gewisse Breite im Line-up wollen und sich jeder denken kann, dass das budgetär gar nicht mehr möglich wäre, wenn wir 200.000 Euro für nur einen Act ausgeben würden. Wenn wir tolle Artists, die zufällig auch viele Tickets verkaufen, für eine halbwegs moderate Gage kriegen können, sagen wir natürlich nicht nein. Warum auch? Solange es sympathische Menschen sind, die coole Mucke spielen. Viel Wert legen wir beim Line-up zudem nicht nur auf musikalische Vielfalt, sondern auch auf Diversität. Dass wir mit unserer Strategie nicht falsch liegen, zeigen übrigens die diesjährigen Verkaufszahlen. Wir liegen aktuell ca. 25 Prozent über dem Ticketselling im Vergleich zum Vorjahr, was uns wirklich sehr freut und auch ein wenig entspannt.

Und mit Sicherheit wird auch 2024 das Docklands Festival wieder ausverkauft sein. Es steigt am Samstag, 8. Juni 2024, auf dem Gelände Süd/Süd der Halle Münsterland, dem Dockland-Areal und dem benachbarten Hawerkampgelände in Münster.

 

Aus dem FAZEmag 147/05.2024
Text: Torsten Widua
Foto Thomas Pieper: Diana Fabbricatore
www.docklands-festival.de