Drumcode – Spotlight on Anna Reusch / Melanie Ribbe

Anna Reusch

 

Adam Beyers Drumcode-Label stellt seiner gefeierten „A-Sides“-Compilation-Reihe ein Geschwisterlein an die Seite, das auf den Namen „Elevate“ hört. Mit dem Projekt unterstreicht das schwedische Imprint seine Ambitionen, als globaler Anziehungspunkt für Techno-Künstler*innen aus aller Welt zu dienen und richtet den Fokus auf vielversprechende Talente. Neben aufstrebenden Acts wie Miss Monique, Melanie Ribbe oder DJ Dee sind auf der neue Scheibe, die ganz im Zeichen des weiblichen Geschlechts steht, aber auch lang etablierte Artists zu Gast, zu denen sich etwa BEC, Juliet Fox und Anna Reusch zählen lassen. Wir waren neugierig auf die Mischung aus junger Innovation und erfahrener Routine. Lest ein Interview mit Anna Reusch und Melanie Ribbe. 

Hi, Anna. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlerinnen auf der Compilation blickst du bereits auf ein Drumcode-Release zurück. Wie kam der Erstkontakt damals zustande? Drumcode ist ja schon so etwas wie ein Branchenprimus … Ein Ritterschlag für dich?

Hi. Das ist richtig. Ich hatte davor schon eine Nummer auf der „A-Sides“. Der Kontakt zu Drumcode kam über meine Bookerin zustande. Sie kennt Adam und hat ihm hin und wieder Demos von mir geschickt, wenn ich der Meinung war, dass es zu Drumcode passen könnte. Als ihm dann schließlich „Deeper“ gefiel, freute ich mich natürlich sehr.

Du lebst auf einem Pferdehof in der Natur in der Nähe von Dresden. Das ist bestimmt ein willkommener Ausgleich zum stressigen Tourleben. Welche Wirkung hat das Leben dort auf deine Produktivität und Kreativität? Entstehen hier auch deine Tracks?

Ich muss hier korrigieren: Ende letzten Jahres wanderte ich aus und lebe nun in Dänemark an der Nordsee – auch auf einem Hof mit Pferden, Hunden usw. Es ist der absolute Gegensatz zum Leben am Wochenende, doch genau das brauche ich. Es holt mich total runter, erdet mich und bringt mich ohne viel Aufwand oder Überwindung dazu, auch an einem Montag um 8 Uhr aufzustehen. Kreativ werde ich dann erst wieder am Wochenende. Meine Tracks entstehen schon seit Jahren in England. Mehrere Male im Jahr besuche ich dort David Robertson. Er hilft mir, meine Ideen umzusetzen und Tracks zu optimieren.

Erzähle uns doch etwas über deinen Beitrag zur Compilation: „Let Me Take You There“. Ein typischer Anna-Reusch-Track?

Wenn ich spiele, versuche ich, in meinen Sets abwechslungsreich zu sein. Ich starte meist mit groovigem, treibendem Techno, hole zwischendurch mit etwas melodischen Sachen Luft, rolle hypnotisch und gebe hintenraus gerne nochmal Vollgas. Für alle diese „Sequenzen“ möchte ich produzieren, um  zu jeder Uhrzeit etwas aus meinem eigenen Repertoire zur Verfügung zu haben. „Let Me Take You There“ gab es schon im Juni letzten Jahres, jedoch ohne Bass-Stabs und dafür mit einem Acid-Break. Eine zweite Version war mehr ein Tool … mit beiden wurde ich nicht so richtig warm, hielt aber an der Grundidee fest. Also setzte ich mich im Januar mit Dave erneut ran. Der Mixdown ging direkt zu Drumcode, weil die Deadline für die Compilation nahte. Die Zusage kam, und ich war ausgesprochen glücklich.  

Auf „Elevate“ versammeln sich neben alten Bekannten auch einige neue aufregende Artists. Sticht eine(r) der Tracks oder Künstlerinnen für dich heraus?

Nein, und das ist auch super so. Alle sind auf einem soliden Niveau, ohne ihren Stil zu verlieren. Du hörst zum Beispiel genau, dass Tini oder Melanie eigentlich im Tech-House zu Hause sind. Alle Mädels haben ihre Note beibehalten, und ich finde es toll, dass sich Drumcode darauf eingelassen hat.

Auf deiner IG-Seite steht, du seist Teil des The-North-Face-Explorer-Teams. Was hat es damit auf sich?

Ich bin mittlerweile im dritten Jahr Brand Ambassador für The North Face. Das Explorer-Team ist das, was der Name schon sagt; Menschen, die die Welt erkunden. Eine bunt gemischte Truppe von Athlet*innen, Musiker*innen und Traveller*innen, um nur einige zu nennen. Man ist der Meinung, dass ich mit meinem Leben und meinen Ansichten die Marke gut repräsentiere, und das ehrt mich sehr. Wir bekommen oft Anfragen für Kooperationen oder Werbesachen, sagen aber eigentlich immer ab, weil ich nur Sachen machen möchte, mit denen ich mich identifizieren kann. Als jedoch die Anfrage von TNF seinerzeit kam, konnte ich gar nicht schnell genug die Zusage tippen.

Der Festivalsommer steht in den Startlöchern. Worauf freust du dich besonders? Welche Highlights stehen 2023 noch an?

Ich freue mich generell auf alle Gigs, aber um ein paar besondere zu nennen: die Drumcode Yacht Week, mehrere Elrow-Shows und mein Heimatfestival, das Homerun. Ich habe am 7. April ein Release auf Tronic, was sich nicht nur wie Heimkommen anfühlt sondern auch richtungsweisend für meinen Sound sein wird. Zudem darf ich für eine weitere Marke Ambassador sein, ein sehr spannendes Projekt, das schon seit Januar in der Planung ist und hoffentlich im Spätsommer gelauncht wird.

Privat freue ich mich riesig auf meinen ersten Sommer am Meer, viele Ritte sowie Spaziergänge mit den Hunden im Watt und auf die Renovierung des neuen Hofes.

Melanie Ribbe

Hallo, Melanie! Welchen Ansatz hast du für die Compilation gewählt? „Terremotto“ ist ja kein typischer Peaktime-Sound, für den das Label normalerweise steht, oder?

Adam Beyer hat diese Compilation persönlich kuratiert und versucht, all die verschiedenen Interpretationen und Facetten von Techno abzudecken, um sie schön rund zu machen.  Für mich ist dieser Track näher an meiner Identität; roher, minimaler, aber kraftvoller Groove. Ich freue mich schon darauf, ihn bei meinen Drumcode-Shows zu spielen.

Deine Karriere begann damals im Modelbusiness. Wann und warum bist du dann zur elektronischen Musik gewechselt? Was waren deine ersten Meilensteine?

Das Modeln war nie meine größte Leidenschaft, meine Leidenschaft war immer die Musik. Seit ich drei Jahre alt war, habe ich Techno als einen angenehmen Sound wahrgenommen, den ich gerne gehört habe, wenn mein Vater ihn im Auto spielte. Mit 13 Jahren habe ich dann meine eigenen Mixe am Rechner aufgenommen und mit 21 Jahren bin ich schließlich auf einer London Production School gelandet – der Startschuss für meine Karriere.

In gewisser Hinsicht kann man Modeln und Auflegen aber auch ganz gut kombinieren, oder?

Ja und nein. Manchmal hindert es einen daran, Unterstützung zu bekommen oder bei bestimmten Labels unter Vertrag genommen zu werden, weil sie aus Gründen der Seriosität keine „Models“ wollen. Ich hatte meine Höhen und Tiefen, was dieses Model-Stigma angeht. Es hat mir nicht unbedingt geholfen, sondern mich eher zurückgehalten. Es ist fast wie ein Vorurteil und Stereotyp.

Wenn uns nicht alles täuscht, bist du in Jamaika aufgewachsen, richtig? Wie haben dich das Land und seine Kultur beeinflusst? Menschlich wie musikalisch.

Jamaika hat mein Leben vollständig zum Besseren verändert. Ich hatte das Glück, mich an die beste Kindheit zu erinnern, die ich mir vorstellen kann. Ich erinnere mich, dass ich als Kind in Deutschland sehr schüchtern war und nie gelächelt habe. Aber Jamaika hat einen Prozess ausgelöst. Es ließ mich aufblühen. Dafür werde ich Jamaika immer dankbar sein. Die Kultur beeinflusst immer noch meinen Musikgeschmack. Sie ist voll von Schlagzeug und Bass, die zu meinen liebsten Schlüsselelementen in all meinen Tracks gehören.

„Elevate“ ist am 10. März auf Drumcode erschienen.

Aus dem FAZEmag 134/04.2023
Text: Milan Trame
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