Nachdem erst im Juni vergangenen Jahres ihr Album „Alientronic“ veröffentlicht worden war, ist Mitte Juni schon der nächste Langspieler von Ellen Allien erschienen. Auf „AurAA“ erkundet sie den Begriff der unsichtbaren Energien, die unseren Planeten kontrollieren, und transportiert den Hörer roh und gefühlsbetont von der Realität in eine elektrifizierte Fantasie. Die insgesamt sieben Tracks erscheinen traditionsgemäß auf ihrem eigenen Label BPitch Control.
Mit diesem Werk erscheint nun schon bereits Alliens neuntes Album, das dritte binnen drei Jahren. Eine „kreative Welle“, wie sie es selbst bezeichnet: „Musikmachen ist mein Hobby. Es macht einfach Spaß, mit Tönen zu spielen und Emotionen fliegen zu lassen. Die entstandene Musik höre ich gerne und spiele sie auch in meinen Streamings. Clubs, Festivals sind ja nun leider dicht und ich finde das sehr merkwürdig alles. Ich frage mich, warum gerade unsere Szene so vielen Restriktionen unterliegt. ,Social Distancing‘ ist in so vielen Bereichen aufgehoben worden, warum können dann nicht wenigstens Clubs wieder öffnen? Die Leute machen jetzt Partys in großen Gruppen in Parks, quetschen sich in volle Busse oder U-Bahnen. So richtig ergibt das keinen Sinn für mich. Es ist Zeit, dass wir endlich wieder in die Clubs können. Durch den Lockdown hatte ich natürlich jetzt mehr Zeit, Musik zu machen. Seit einem Jahr arbeite ich mit meinem Produzenten Pablo Matteo und es fließt einfach musikalisch.“
Musikalisch sieht sie „AurAA“ als eine Art Weiterentwicklung zu den vorherigen Alben. Thematisch siedelt sie es in den Sphären des Kosmos an. „Wir haben hier vor allem mit einem Modularsystem gearbeitet, die Vocals sind anders bearbeitet. Das Thema ist die Erde, der ich mehr vertraue als der Menschheit. Die Sehnsucht, zu erfahren, was für Lebewesen es gibt. Plus die Kräfte der Aura. Unsichtbare Kräfte werden sichtbar, wenn man ihnen Bedeutung schenkt. Was die Sicht der Dinge total verändert. Wie wir mit Menschen, Tieren, Pflanzen und unserer Umwelt umgehen. Dinge, die wir nicht verstehen, sondern fühlen. Durch meine DJ-Sets, das Aufspüren von Klängen und das Teilen dieser Energie habe ich selbst das Gefühl, viele unterschiedliche Auren wahrzunehmen, und genieße es still. Es geht um die verlorene Energie unseres Planeten bei ,AurAA‘. Darum, etwas Gutes zu tun, statt auszubeuten, und sich nicht selbst im Egoschlamm zu suhlen. Natur und Auren lassen mich aufleben, mich mit ihnen zu vernetzen ist eine spannende Dynamik, die andere Wege aufzeigt, die schöner und glücklicher sind.“ Bei unserem letzten Gespräch mit Ellen, das wir im vergangenen Frühjahr im Rahmen des letzten Albums geführt haben, erzählte sie über ihre Vorliebe, besonders im kalten Berlin ins Studio zu gehen. Auch bei diesem Werk startete sie in den Wintermonaten. „Durch die Situation der letzten Monate hatten wir dann plötzlich unerwartet viel Zeit zur Verfügung und konnten intensiv an allen Tracks arbeiten, bis weit in den Frühling hinein.“
Allien hat die durch COVID-19 verursachten Umstände – darunter auch Liebeskummer –für kreativen Output und die Umsetzung verschiedenster Ideen genutzt. „Erst mal habe ich das Virus in ,c19 bitch‘ umbenannt und daraus einen Track gebastelt, der auf einer Compilation von The Third Room herauskommt – das sind die Veranstalter einer der besten Techno-Events in Deutschland. Ansonsten gehe ich oft ins Studio. Dann habe ich Tracks gesammelt von talentierten Techno-Produzenten für eine ,We Are Not Alone‘-Compilation, unsere Event-Reihe in der Griessmuehle, die ein neues Zuhause gefunden hat. Ich habe auch noch einige Projekte im Kopf, für die ich jetzt Zeit habe, die kreative Welle sozusagen. Es ist aber nicht immer so easy. Mein Lover fehlt mir, wir können uns wegen der geschlossenen Grenzen gerade nicht sehen. Dafür habe ich mehr Zeit und Kontakt zu meiner Berliner Familie, was sehr gut ist. Ich hoffe, es geht bald wieder los, da wir hier langsam alle Probleme bekommen.“ Bevor wir uns dann über ein zehntes Album unterhalten können, will sie einen Plan in die Tat umgesetzt haben – dazu ist sie fest entschlossen: „Erst gehe ich ein Jahr auf Tour rund um den Globus, daran glaube ich fest.“
Aus dem FAZEmag 101/07.2020
Text: Triple P
Foto: Stini Roehrs
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