FAZEmag-Jahrespoll 2022: Live Act National

FAZEmag-Jahrespoll 2022
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Erneuter Wechsel an der Spitze! Paul Kalkbrenner verliert seine Pole Postion und wird Zweiter, der letztjährige Drittplatzierte steh nun oben!

01 Anthony Rother
02 Paul Kalkbrenner
03 Stephan Bodzin

04 Ben Böhmer
05 Monolink
06 Neelix
07 AKA AKA
08 Jan Blomqvist
09 Komacasper
10 Extrawelt

11 Kraftwerk
12 Crotekk
13 Meute
14 Moderat
15 Booka Shade
16 Nils Frahm
17 Hannes Bieger
18 Recondite
19 Remute
20 Robert Babicz
21 Finch
22 Scooter

 

INTERVIEW MIT ANTHONY ROTHER 

Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Kategorie „Best National Live Act“. Während zahlreiche andere Urgesteine der Szene heute keine dominierende Rolle mehr spielen, bis du immer noch oben auf. Erfüllt dich das ein wenig mit Stolz und wie erklärst du dir das?

Vielen Dank. Ich freue mich sehr, dass die Leute mich auf den ersten Platz gewählt haben. Ich muss aber auch ehrlich zugeben, dass ich total überrascht bin und mich im ersten Moment gefragt habe, wie das sein kann. Meine ersten Worte beim Telefonat mit euch waren: „Wie abgefahren ist das denn?“ Stolz war nicht meine erste Emotion, sondern eine gefühlte Sprachlosigkeit. Es ist schön, dass ich als Musiker solche verrückten Überraschungen erleben darf. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit für die Anerkennung meiner künstlerischen Arbeit. Es freut mich, dass die Leute mir vertrauen und sich offenbar gut unterhalten fühlen. So verstehe ich zumindest dieses Voting. Es ist eine Zeit der Freude, aber selbstverständlich gab es auf meinem künstlerischen Weg nicht nur Sonnenschein, aber davon erzähle ich ein anderes Mal.

Wir erwischen dich offenbar gerade wieder in Brasilien. Bist du dort auf Tour?

Gerade bin ich in Sao Paulo. Heute habe ich den ganzen Tag in einem professionellen Tonstudio Musik produziert und morgen spiele ich hier auf einem tollen Open-Air-Festival. Ein Brasilien-Kurztrip mit vollgepacktem Terminplan. Ich liebe Brasilien und die Leute hier.

Live-Acts waren die am meisten gebeutelte Gruppe im Musikbereich während der Pandemie. Und gerade für dich hatte das Live-Spiel immer einen extrem hohen Stellenwert. Wie hast du die zermürbende Zeit überbrückt, wie oft warst du verzweifelt?

Mir war von Anfang an klar, dass diese Sache nicht in ein paar Monaten vorbei sein würde, und ich traf einige harte Entscheidungen, um wirtschaftlich überleben zu können. Ich organisierte dann mein komplettes Leben neu. Das dauerte ungefähr ein halbes Jahr. Danach konzentrierte ich mich zu 100 Prozent auf das Produzieren von Musik. Ich sagte mir: „Anthony, mach das, was du am besten und am liebsten machst und tue es mit voller Hingabe.“ Aus anfänglicher Sorge erwuchs langsam ein Gefühl des Vertrauens. Musik war meine Lösung für alle psychischen und wirtschaftlichen Probleme. Ich erkannte durch diese Situation sehr klar alle unwichtigen Dinge, die an mich herangetragen wurden und konnte nun mit voller Überzeugung Nein sagen. Nein bedeutet, zu dem Ja zu sagen, was einem wirklich wichtig ist. Alles kam auf den Prüfstand. Es war eine Reinigung. Eine künstlerische Wiedergeburt. Eine kreative Auferstehung. Ich bin heute dankbar für diese intensive Zeit. Sie hat mich auf mich selbst zurückgeworfen und mich daran erinnert, wer ich bin.

In wie weit laufen deine Studioproduktionen und Live-Sets zusammen? Du bist ja bekannt für deine sogenannten Hybrid-Sets, also die Symbiose beider Welten.

Mein künstlerischer Weg begann als Musikproduzent und nicht als Live-Musiker. Nachdem 1997 mein erstes Electro-Album auf dem Label Kanzleramt erschienen war, bekam ich kurz darauf meine allererste professionelle Anfrage zum Live-Spielen vom legendären Ultraschall Club in München. Ich hatte keine Booking-Agentur und auch keine Ahnung, wie man so einen Auftritt geschäftlich abwickelt. Und ich hatte auch kein Live-Setup, das ich hätte spielen können. Ich war ja Musikproduzent und damit vollkommen zufrieden. Damals konnte man allein mit dem Produzieren von Musik auskommen und im Studio zu sein war alles, was ich wollte. Ich hatte dann versucht, den Leuten vom Ultraschall freundlich abzusagen. Sie waren aber sehr hartnäckig und haben mich zum Glück überzeugt, einen Live-Act zu produzieren, um dann in München aufzutreten. Das habe ich gemacht und es war eine tiefgreifende Erfahrung. Auch die Gespräche mit dem Publikum nach dem Set waren eine schöne und wichtige Erfahrung. Heute bilden meine Studioproduktion, das Hybrid-Set und das Live-Set eine kreative Symbiose. Vor allem das Hybrid-Set. Es ist eine wichtige Grundlage für die tägliche Arbeit in meinem Tonstudio. Im Hybrid-Set spiele ich nur meine selbstproduzierte Musik. Die tägliche Studioarbeit und das Produzieren ist praktisch wie das ständige Auffüllen meiner Musikkiste. Eine Kiste nur mit meiner Musik. Ich liebe es im Studio zu produzieren und ich freue mich dann darauf, das Material im Club oder auf Events zu spielen. Für mich ein perfekter Kreislauf.

Die Beschäftigung mit gesellschaftlichen (Zukunfts-)Themen waren für dich als kritischer Geist immer auch Motor und Inspiration für deine Produktionen. Ist das immer noch so und was treibt dich aktuell um?

Das Leben ist meine Inspirationsquelle. Mein Leben und das, was ich so mitbekomme, was so passiert. Weltpolitisch oder im Zwischenmenschlichen. Meine Werke sind im Grunde immer Geschichten über Menschen. Der Futurismus ist ein Stilmittel. Die Maschine als Metapher für Probleme von Menschen. Ich mag es, basale Gefühle zu beschreiben. Geschichten von Maschinen erzählt mit Begriffen aus der digitalen Technik, die Synonyme für menschliche Emotionen sind. Dadurch entstehen schöne futuristische Bilder, die schwer zu erklärende Gefühle sichtbar werden lassen. Die Mehrdeutigkeit ist oft ein ungewolltes Resultat des kreativen Prozesses. Mein neues Album „AI SPACE“ habe ich gerade erst auf Bandcamp veröffentlicht.

Wie sieht deine Planung für 2023 aus? Sowohl was die Gigs als auch Produktionen betrifft.

Ich rede ungern über Dinge, die ich tun möchte. Viel lieber rede ich über die Sachen, die ich schon gemacht habe oder über Produkte, die fertig sind und kommen werden. Über ungelegte Eier spricht man nicht, das ist meine Devise. Meine anstehenden Gigs kann man auf meiner Webseite einsehen. Wer wissen möchte, was ich so mache, kann auf Instagram und Facebook sehen und hören, woran ich aktuell arbeite. Ihr seid dort herzlich willkommen. Wer mir auf Bandcamp folgt, bekommt alle Neuigkeiten zu meinen Aktivitäten als Newsletter zugeschickt. Ich bin immer am Machen, es gibt viele Videos von meiner Studioarbeit. Es ist immer irgendwas los. Geplant ist selbstverständlich einiges für das Jahr 2023. Im März gibt es wieder 3L3C7RO -T-Shirts. 2024 ist ein sogenanntes Jubiläumsjahr. Da gibt es dann anscheinend so etwas wie „20 Jahre Punkt Punkt Punkt“ und begleitend zu dem Jubiläums-Release anscheinend vier einmalig exklusive Live-Gigs, wo ich alle darunterfallenden Klassiker live spielen und singen werde.

Abschließende Worte?

Herzlichen Dank an jede(n), der für mich gestimmt hat. Tiefen Dank an alle, die meine Musik lieben und mich die ganzen Jahre unterstützt haben. Ich danke dem SourceArtists-Team für die perfekte Organisation meiner Auftritte. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Veranstaltern, die mich in ihre Clubs und auf ihre Events eingeladen haben, sowie für die tolle Gastfreundschaft. Danke auch an das FAZEmag-Team. Und ich gratuliere von ganzem Herzen all meinen Künstlerkolleg*innen zu ihren Jahrespoll-Platzierungen.

 

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