Feiertag – Sommerkontraste

Der niederländische Live-Act Joris Feiertag – kurz: Feiertag – hat sein Debütalbum „Time To Recover“ auf dem Berliner Sonar Kollektiv veröffentlicht. Die 16 Tracks geleiten uns wärmevoll in den Sommeranfang, offenbaren aber auch düstere, melancholischere Momente. Gerade dieser Kontrastreichtum erweist sich als große Stärke des Albums, das zudem mit tollen Vocal-Features brilliert. Feiertag, bekennender Kraak-&-Smaak-Anhänger und professioneller Schlagzeuger, erzählt uns im Interview mehr über die Intention zu seinem Debütalbum.

Dein Album heißt „Time To Recover“ (Deutsch: Zeit, sich zu erholen). Erholen wovon? 

Der Titel kann verschiedenartig interpretiert werden. Während ich an dem Album saß, endete meine Beziehung mit meiner Ex-Freundin. Die Produktion fühlte sich ein wenig wie Therapie an und half mir, durch diese schwierige Zeit zu gehen. „Time To Recover“ hat gleichzeitig auch eine musikalische Bedeutung, da Musik auf mich sehr entspannend wirkt. Zu guter Letzt kann der Titel natürlich auf das hoffentlich baldige Ende dieser furchtbaren Pandemie angewandt werden, in der wir uns aktuell befinden.

Du hast zuvor auf renommierten Labels wie Spinnin‘, Boogie Angst, Majestic Casual und Kitsuné veröffentlicht. Wie kam nun die Zusammenarbeit mit dem Sonar Kollektiv zustande?

Mein Sound ist sehr vielschichtig. Manche Tracks gehen in Richtung Disco/Pop, andere sind eher obskur und düster. Das Sonar Kollektiv scheint meine komplette musikalische Reichweite abzudecken und erwies sich daher als perfektes Label für mein Debütalbum. Die Leute dort sind zudem sehr herzlich und unglaublich passioniert, was Musik angeht. Wenn ich in Berlin bin, habe ich immer eine schöne Zeit mit ihnen. 

Wie würdest du den Sound des Albums beschreiben? Was hast du erschaffen?

Das Album kombiniert Elemente der Weltmusik mit einer elektronischen, aber dennoch organischen Textur. Es fließt von Vocalstücken in instrumentale Downtempo-Tracks über. Ich habe viele unkonventionelle Instrumente wie die Koto-Harfe, eine Hang-Drum, die Kalimba, die Zungentrommel und arabische Gitarren genutzt. Auch die Violine hat einen großen Anteil. Sie ist so schön emotional. „Time To Recover“ entwickelt sich durch verschiedene Phasen. Es beginnt eher ruhig und entspannt, später wird es komplexer, experimenteller und düsterer. Das Album ist also sehr kontrastreich, was sich etwa anhand von „It’s Alright“ – einem popgetränkten Disco-Sommertrack – und „Trepidation“ – einem Looping-Chaos aus zerhackten Juno-Samples – festmachen lässt.

Auf drei Stücken hast du mit Tessa Rose Jackson zusammengearbeitet. Was macht sie als Künstlerin so besonders?

Tessa und ich kennen uns vom Konversatorium in Amsterdam, wir haben beide dort studiert. Sie ist eine echte Songwriterin, ich bin immer wieder beeindruckt von ihren perfekten Melodien und Texten. Ich arbeite meist intuitiv, aber Tessa schafft es, meine Stimmung einzufangen und diese perfekt in Worte und Töne umzusetzen. Sie ist unglaublich leidenschaftlich, ambitioniert und dennoch bodenständig. Schaut euch unbedingt mal ihr Projekt „Someone“ an. 

Wie kam es zu der Künstlerauswahl für die anderen Features?

Zunächst muss ich sagen, dass ich unheimlich glücklich und dankbar für diese großartigen Talente auf meinem Album bin. Es ist gar nicht einfach, den perfekten Vokalisten oder die perfekte Vokalistin für einen speziellen Track zu finden. Meistens versuche ich, aufstrebende Namen über Labels oder Künstler*innen, die ich mag, ausfindig zu machen. Auf diese Art und Weise habe ich beispielsweise Msafiri Zawose und Pete Josef entdeckt.

„Time To Recover“ ist der perfekte Startschuss, um den Sommer einzuläuten. Mit welchen Ambitionen gehst du in die warme Saison des Jahres?

Es mag ein Klischee sein, aber ich hoffe einfach nur, dass das Album seinen Weg zur richtigen Hörerschaft findet. Ich habe so viel Liebe, Zeit und Energie investiert, das wird sich hoffentlich rentieren. Gleichzeitig wäre es natürlich ein Traum, das Album noch in diesem Sommer live auf der Bühne zu präsentieren und die Reaktion des Publikums zu sehen.

Hast du einen persönlichen Favoriten auf dem Album?

Das ist fast unmöglich zu beantworten. Alle Stücke lösen etwas in mir aus und erwecken Erinnerungen. Bei manchen Tracks entwickelt man eine Art Hassliebe, da sie eben auch Schmerz hervorrufen. Wenn ich einen Favoriten wählen müsste, dann wäre das „Where Are We Now“ feat. Pete Josef, der wohl außergewöhnlichste und akustischste Track auf dem Album. Es berührt mich immer sehr, wenn ich die emotionalen Vocals von Pete höre.

Du bist professioneller Schlagzeuger. Inwiefern beeinflusst dies dein musikalisches Schaffen?

Ich bin sehr froh über diesen Background, denn somit muss ich mir nie Gedanken über ein Kick-Pattern oder den Groove machen, das kommt alles ganz natürlich. Derzeit lerne ich weitere Instrumente, um mir ein größeres Knowledge über Harmonie anzueignen. Das Schlagzeug ist natürlich in meiner DNA und viele Leute sagen tatsächlich: „Man hört, dass du Drummer bist“. Das ist irgendwie Fluch und Segen zugleich (lacht). An dieser Stelle möchte ich gerne noch eine Ode an Kraak & Smaak aussprechen. Bei meinem Uni-Abschluss im Jahr 2011 hatte ich die Möglichkeit, mit ihnen zu spielen. Ich war damals schon ein riesiger Fan von ihnen und dementsprechend nervös. Sie brachten mir eine Menge bei, sowohl beruflich als auch persönlich. Dank ihnen wuchs mein Selbstbewusstsein auf der Bühne und im Alltag.

Sind schon irgendwelche Auftritte in Sicht? Wie sehen deine Pläne für die nahe Zukunft aus?

Ich arbeite momentan viel an meinem Liveset, das ich hoffentlich endlich performen kann, wenn die Pandemie vorbei ist. Ansonsten stehen ein paar Gigs mit den Jungs von Kraak & Smaak an – etwa beim Amsterdam Dance Event. Auch eine USA-Tour befindet sich in Planung. In musikalischer Hinsicht tüftle ich derzeit an einem neuen Projekt, das mehr in Richtung Uptempo samt abstraktem Groove tendiert – eine völlig andere Herangehensweise im Vergleich zu „Time To Recover“. Es macht mir aber eine Menge Spaß und es tut gut, auch mal einen akustischen Tapetenwechsel vorzunehmen. Ihr dürft also gespannt bleiben.

„Time To Recover“ ist am 28. Mai auf dem Berliner Label Sonar Kollektiv erschienen.

Aus dem FAZEmag 112/06.21
Text: Milan Trame
www.sonarkollektiv.com