Flashback – 90s Underground Special Edition mit Nightmares On Wax

Flashback – 90s Underground Special Edition mit Nightmares On Wax

Für unseren neuesten Flashback haben wir uns eine Special Edition überlegt und die Warp-Records-Legende Nightmares On Wax um eine Zeitreise in den UK-Underground der 90er-Jahre gebeten. George Herbert Evelyn, der das Projekt 1988 gemeinsam mit John Halnon gründete, gilt als Pionier im Bereich Trip-Hop und Electronica und blickt auf eine umfassende Vita mit zahlreichen Alben und EPs zurück, deren Großteil auf dem 1989 von Steve Beckett und Rob Mitchell gegründeten Warp-Imprint erschien. Let’s go!

Die 90er-Jahre sind für mich ein unglaublich wichtiges Jahrzehnt, da das Sampling in diesem Jahrzehnt einen maßgeblichen Einfluss auf das Musikmachen besaß. Egal, ob im Hip-Hop, House, Jungle, Drum ‘n‘ Bass oder im Pop – zahlreiche Klassiker basierten auf der Methode des Sampling. Die 90er waren es auch, in denen die Afterhour-Kultur entstand und zu einem festen Bestandteil der Clubszene wurde. Unabhängige Plattenlabels feierten ihren Aufstieg und das Diggen nach neuen Platten wurde zu einer unglaublich aufregenden Angelegenheit, da häufig nur 1.000 bis 2.000 Exemplare gepresst wurden.

Dein Lieblingstrack?

Wenn ich einen Track nennen müsste, dann wäre es wohl „Expansions“ von Lonnie Liston Smith. Ein Song, der ein unglaubliches Bewusstsein auf dem Dancefloor kreiert und extrem deepe und kraftvolle Lyrics mit einem legendären Groove verbindet.

Der schlimmste Track?

Bei den schlimmsten Tracks erinnere ich mich immer nur an den Chorus, aber nicht an den Artist. Vielleicht ist es „Saturday Night“ von Whigfield.

Der beste Club?

In der UK vermutlich das Phonox in London, das Kitchen Street in Liverpool und die Belgrave Music Hall in Leeds. International muss ich das Heideglühen in Berlin und Freddie’s Room im Pikes auf Ibiza erwähnen.

Dein Lieblings-Club-Outfit?

Vermutlich Sneaker und eine Boss-Jogginghose oder so etwas in der Art. Bei mir war immer alles sehr sportlich bzw. lässig, und das ist es auch heute noch.

Deine krasseste Underground-Rave-Erfahrung?

Eine illegale Veranstaltung in einem Industriepark in Blackburn mit 10.000 Raver*innen. Bereits auf dem Hinweg versuchte die Polizei, uns am Betreten des Geländes zu hindern, doch wir kamen irgendwie rein. Es wurde geravet, bis der Strom abgeschaltet wurde. Die Polizei blockierte dann die Ausgänge und Tausende der Leute waren gefangen. Und das alles zwei Wochen nach der Hillsborough-Katastrophe, das muss man sich mal überlegen. Man musste wirklich höllisch aufpassen, dass man nicht eingeklemmt oder gar erdrückt wurde. Irgendwer schaffte es schließlich, die Fensterläden zu öffnen und alle stürmten auf die Polizei zu. Von allen illegalen Partys war das definitiv die kultigste, da man sich fühlte, als sei man Teil einer Revolution. 

Gab es auch etwas Negatives an dieser Zeit?

Vermutlich, als sich das Rave-Geschehen von illegalen Veranstaltungen in die Clubs verlagert hat. Viele der Clubs wurden von Gangs betrieben, was die Sache irgendwie unangenehm gemacht hat. Es ging nicht mehr ausschließlich um Frieden, Liebe und Pillen, sondern auch um Geld und Einfluss. Das hat das Ganze ein wenig kaputtgemacht.

Dein persönlicher Held?

Vermutlich meine Mutter. Sie hat mich ertragen, mich unterstützt und war immer mein größter Fan. Eine große Inspiration war außerdem Quincy Jones, der nicht nur einer meiner Lieblingskünstler, sondern auch ein wichtiger Mentor von mir war. Was DJs angeht, muss ich DJ Spinna nennen. Ein Meister seines Handwerks mit einer grandiosen Track-Selection.

Drei zeitlose Klassiker aus den 90ern?

„Can You Feel It“ von Mr. Fingers
„Rouse Rouge“ von St. Germain
„Space Bass“ von Slic

 

Aus dem FAZEmag 139/09.23