Tayfun Guttstadt – so gut harmonieren Trap und die Vielfalt des Nahen Ostens

Foto: Anton Tal

Für das westliche Ohr macht Tayfun Guttstadt orientalische Musik mit Trap- und Hip-Hop-Einflüssen, dabei ist sein Album noch vielfältiger. Der Genre-Mix sei ein unmittelbares Ergebnis seiner Biographie und seiner Identität, so Guttstadt. Hauptsächlich traditionelle nahöstliche Musik, Hip-Hop, Trap, aber eben auch Elemente aus Jazz, Pop, Trip-Hop und „Singer-Songwriter-Sachen“. Sein Debütalbum umfasst all diese Felder. Wer übrigens versucht, über Google-Translate oder DeepL herauszufinden, was der Titel „Tarâpzâde“ bedeutet, der wird ohne weitere Recherche scheitern.

„Dieses Wort gab es bisher auch nicht“, gesteht der Multi-Instrumentalist. Er habe mit Worten herumgespielt. „Zunächst entstand aus Trap die Variante ‚tarâp‘, sehr osmanisch. Zudem bedeutet ‚tarab‘ auf Arabisch so viel wie Entzückung oder Trance. Schließlich habe ich ‚zâde‘ hinzugefügt, was aus dem Persischen kommt und ungefähr ‚geprägt von/getroffen von‘ bedeutet und Teil vieler alter Nachnamen ist. Es bedeutet also mehr oder weniger ‚von Trap beeinflusst/von Trap getroffen‘ und klingt dabei klassisch osmanisch.“  Somit sind Titel und Musik wohl konzipierte Überraschungseier. Selbst die Genre-Clashs folgen Guttstadts Meinung nach einer gewissen Natur. „Es gibt recht viele Musiker*innen aus verschiedenen Teilen der Welt, die in ihrer Musik unterschiedliche Stile und Sprachen auf eine so selbstbewusste und selbstverständliche Weise mischen, dass es total natürlich wirkt“, sagt der Berliner Musiker und führt fort „… und genau das ist es auch, da sie diese Stile in sich selbst vereinen. Ein großer Unterschied zu einer Herangehensweise, die explizit darauf abzielt, Stile des Vermischens wegen zu vermischen. Das wirkt dann oft verkrampft.“

Grenzen scheint sich der Produzent aber nicht zu setzen. „Ich produziere auch viele Beats, die sehr clubtauglich sind und die ich bisher nur bei manchen Live-Shows verwendet habe. Auf dem aktuellen Album hatte so etwas natürlich nicht so viel Platz. Aber das würde ich gerne ausbauen. Schon sehr hip-hopig, manchmal Richtung EDM.“ Er würde zudem irgendwann gerne einmal ein Album machen, auf dem nur mit akustischen Instrumenten gearbeitet wird, nahöstliche Volksmusik im Stile von Bossa Nova mit weichen Gitarren, Doublebass und jazzigen Chords. Verfolgt er seine Pläne so zielstrebig wie bei seinem Debüt, wird dies auch sicher eintreffen. Die Arbeit an seinem ersten Album hat immerhin rund drei Jahre gedauert, weil Guttstadt mehrmals in die Türkei reisen musste. „Das Album ist schon ein Ego-Trip. Alle künstlerischen Entscheidungen, die Auswahl der Tracks, die Arrangements, die Produktion – das alles lag bei mir allein. Für manche der Texte habe ich mir Unterstützung von Freunden aus der Türkei geholt, die viel mit Texten arbeiten und mir definitiv geholfen haben, meine eigenen Lyrics auf das nächste Level zu heben.“ Ohne die wenigen Gastmusiker*innen auf dem Album hätte er „niemals den Sound kreieren können, der mir vorschwebte. Gerade in den längeren Soli haben sie natürlich ihren Fingerabdruck auf dem Album hinterlassen“.

Nach eigener Aussage sei 2023 bislang sein musikalisch intensivstes Jahr, dank vieler Konzerte, vieler Interviews und vieler Features. „Ich bin total geflasht von den krassen Reaktionen, die ich erhalte, und dem großen Interesse gerade in der deutschsprachigen Medienlandschaft. Das hatte ich wirklich so nicht erwartet. Gerade von Leuten aus dem Musikbusiness habe ich fantastisches Feedback erhalten.“ Im Frühjahr habe er mit Broken Silence einen Vertriebsvertrag geschlossen, seitdem vertreiben die Hamburger die Musik seines Labels good&lovely records: „Ich kann mich somit noch mehr auf die Produktion und das Künstlerische konzentrieren und plane, nicht nur mich selbst, sondern auch andere Artists zu produzieren. Inshallah.“

 

Aus dem FAZEmag 139/09.2023
Text: scharsigo
Foto: Anton Tal
www.instagram.com/tayfun.guttstadt