HEERHORST – One to watch

HEERHORST – One to watch / Credit: Thomas Friedrich

Mit HEERHORST öffnet Bastian Heerhorst, eine feste Größe der elektronischen Musikszene, ein neues Kapitel seiner künstlerischen Reise. Geboren und aufgewachsen in Hamburg, hat Bastian seit 1995 die Entwicklung der regionalen und anschließend der internationalen elektronischen Musiklandschaft maßgeblich mitgeprägt, zunächst unter seinem bekannten Alias „Fukkk Offf“. Mehr als ein Jahrzehnt auf Welttourneen, hat er sich einen Ruf als renommierter Produzent erarbeitet, dessen Tracks von Größen wie Moby gespielt wurden. Er remixte Stücke von Rammstein, Icona Pop, Jan Delay, T. Raumschmiere, Oliver Huntemann und vielen weiteren. Seit 2017 taucht er unter seinem eigenen Namen in die Tiefen des Techno-Genres ein, wobei er ein breites Spektrum von reinem Techno bis hin zu düsteren Industrial-Klängen erkundet. Sein einzigartiger Stil und seine energetischen Live-Auftritte haben ihm rasch internationale Anerkennung eingebracht. Mit zahlreichen Releases auf renommierten Labeln und durch Kollaborationen wie etwa auf „Dark Clouds“ ist HEERHORST bereit, seinen Platz als führender Innovator in der elektronischen Musikszene weiter auszubauen. In diesem Monat mixt er den offiziellen FAZEmag-Download-Mix.

Basti, wie bist du zur Musik gekommen und wer hat dich dabei besonders inspiriert?

Meine musikalische Reise begann etwa 1994, als ich das Musikprogramm ProTracker auf dem Amiga entdeckte. Damals war ich 16 Jahre alt und experimentierte hauptsächlich mit Hip-Hop, Gabba und Hard-Trance. Eine meiner prägendsten Erfahrungen war der Besuch des legendären Tunnel in Hamburg, wo die Türsteher es mit der Alterskontrolle nicht so genau nahmen. Dort habe ich mit weißen Handschuhen zu den Beats von WestBam und Gary D geravet. Später spielte ich meine ersten eigenen Live-Acts mit der MC-303 Groovebox.

Wann und wie hast du entschieden, selbst Künstler zu werden?

Nachdem ich 1996 auf der ersten Voov Experience war, verschickte ich meine ersten Psytrance-Demos. Obwohl ich damals aufgrund technischer Einschränkungen – ich hatte nur die MC-303 und Cubase auf dem Atari – nicht mit anderen Produktionen mithalten konnte, verbesserte sich die Qualität meiner Musik mit der Zeit. Mit Propellerheads Reason und später Ableton gelang es mir, meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Schließlich hatte ich 2007 mein erstes Release zusammen mit meinem Kumpel als „Heerhorst und Meissner“ auf Kompass Records. Dort lernte ich auch viel von unseren Freunden Extrawelt, die ebenfalls auf dem Label veröffentlichten.

Inwieweit hat deine Heimat Hamburg dich als Künstler und auch deinen Sound beeinflusst?

Hamburg hat mich und meinen Sound stark beeinflusst. In den 90er-Jahren, als das Internet noch nicht so weit verbreitet war, spielte das direkte Umfeld eine entscheidende Rolle. Hamburg war zu dieser Zeit sowohl vom Hard-Trance-Sound des Tunnel als auch von der House-Musikszene geprägt. Clubs wie das Front und später der Kontor Club waren wichtige Anlaufstellen. Ich selbst war oft im Gaswerk, im Palladium und auf zahlreichen Open-Air-Veranstaltungen unterwegs. Dort habe ich viel live gespielt und mich vor allem dem damals angesagten Minimal-Sound oder Neotrance im Stil von Künstlern wie Extrawelt, James Holden und Stephan Bodzin gewidmet.

Die ersten zehn Jahre warst du als „Fukkk Offf“ unterwegs. Erzähle uns von diesem Alias und inwieweit sich dieses Projekt vom neuen bzw. alten Alias HEERHORST unterscheidet.

Mit neuen technischen Möglichkeiten wie dem Sidechain Ducking in Ableton habe ich als Fukkk Offf neue, härtere musikalische Wege erkundet. Endlich konnte ich die Bassline von Benny Benassis „Satisfaction“ nachbauen. Inspiriert war ich dabei von Künstlern wie Boys Noize, Justice und den Veröffentlichungen von Ed Banger. Über MySpace-Demos knüpfte ich sehr schnell Kontakt zum legendären Label Coco Machete. Dieses Label suchte nach einem Sound, der sich vom klassischen New Yorker House in eine etwas härtere Richtung bewegte. Ich traf genau zur richtigen Zeit mit meinem einzigartigen Sound ein, und der „Maximal“-Hype begleitete mich etwa zehn Jahre lang mit großen Tourneen weltweit. Ein Major-Deal mit Warner markierte das Ende dieser Ära, da der Deep-House-Sound zu dieser Zeit populär wurde – ein Stil, mit dem ich allerdings überhaupt nichts anfangen konnte. Neben diversen Ausflügen und Jobs in allen möglichen Genres entschied ich mich 2016 dazu, wieder in die technoidere Richtung zu gehen und belebte mein altes Alias Heerhorst wieder.

Credit: Thomas Friedrich

Welche waren bislang deine größten Highlights und Meilensteine?

Das allererste Vinyl-Release mit Vorschuss vom Label im Jahr 2007 war etwas ganz Besonderes. Auch der erste gut bezahlte Gig zu dieser Zeit hat mich überzeugt, dass ich in Zukunft mit meiner Musik meinen Lebensunterhalt verdienen kann und möchte. Dann kam die erwähnte Entdeckung von Coco Machete Records für mein Fukkk-Offf-Projekt über MySpace. Die anschließende Welttournee war ein Rock ‘n’ Roll-Erlebnis, und der Major-Deal mit Warner setzte dem Ganzen die Krone auf. Später wagte ich Ausflüge in ganz andere musikalische Richtungen, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Studio Braun oder lukrative Werbejobs. Als Heerhorst konnte ich dann wieder auf verschiedenen Labeln veröffentlichen und auf Gigs spielen. Und natürlich waren die beiden Releases auf Drumcode ein absolutes Ziel für mich im Techno-Bereich.

Auf Beatport hast du aktuell großartigen Erfolg und bist Nr. 1 der letzten zwölf Monate mit „Dark Clouds“. Erzähle uns mehr zur Kollaboration mit Teenage Mutants und Peter Pahn.

Der Erfolg von „Dark Clouds“ auf Beatport hat uns alle überwältigt. Die Idee zu diesem Track entstand, als Peter Pahn vorschlug, etwas Ähnliches wie Charlotte de Wittes „Sgadi Li Mi“ zu produzieren. Ich begann, nach den passenden Vocals zu suchen, und lud zahlreiche bulgarische Chöre herunter. Schließlich fand ich einen Gesang, der sich nach einigen Anpassungen im Pitching und Timestretching perfekt einfügte. Da ich zu dieser Zeit viele Psy-Trance-Tracks produzierte, entschieden wir uns für die klassische Kombination aus rollendem Bass und Kick-Drum – eine perfekte Ergänzung zu den Vocals. Peter Pahn besuchte mich am nächsten Tag in Hamburg und wir verbrachten den ganzen Tag damit, den Track zu verfeinern.

Dieser Tage erscheint weiteres Material, Ende April war es „Champagne Spannung“, in wenigen Tagen „The Show 1605“ und im Juli eine 3-Track-EP. Darüber hinaus sind viele Tracks in der Pipeline. Es scheint, als seist du besonders aktiv im Studio?

Ja, ich verbringe täglich etwa zehn Stunden im Studio. Neben meiner eigenen Musik produziere ich auch viel für andere DJs in verschiedenen Genres. In letzter Zeit habe ich mich dazu entschlossen, meine eigenen Werke selektiver zu veröffentlichen und mich auf ausgewählte Label zu konzentrieren. Früher habe ich originale Tracks und Remixe in vielen verschiedenen Techno-Genres auf zahlreichen Labeln veröffentlicht.

Wie können wir uns deinen Workflow vorstellen und was sind deine favorisierten Tools in Sachen Soft- und Hardware?

Nach der Zeit als Fukkk Offf hatte ich eine Blockade, Tracks fertigzustellen. Also begann ich einfach, meine Lieblingstracks zu kopieren – insbesondere das Arrangement. Doch am Ende entstand meist etwas völlig Eigenes und Neues. Diese Herangehensweise half mir enorm, schneller und besser zu werden. Zusätzlich habe ich bereits diverse Workshops gegeben. In Bezug auf Hardware sammle ich zwar einiges, aber für die schnelle und effektive Produktion nutze ich inzwischen hauptsächlich Ableton Live. Oft lade ich Referenztracks in ein neues Projekt, um mich inspirieren zu lassen. Eine gute Auswahl an Samples und Plug-ins, die ich gut kenne und schnell einsetzen kann, ist für mich enorm wichtig. Ich scheue mich nicht vor Kick-, Hi-Hat- oder Toploops – Hauptsache, ich kann schnell und effizient arbeiten, um den kreativen Fluss nicht zu verlieren. Sobald das Grundarrangement von Beat und Bass steht, was eher Fleißarbeit ist, lasse ich mich endlich mit Melodien und Vocal-Ideen aus. Hierbei verwende ich Tools wie Phil Speisers „The Hack“ oder andere Hilfsmittel, um immer in der richtigen Tonart zu bleiben. Für Vocals sind Splice und Loopcloud großartig, da sie bereits beim Vorhören in der richtigen BPM und Tonart sind und keine rechtlichen Probleme durch Sampling verursachen. Der Nachteil ist natürlich, dass es mindestens zehn andere Tracks mit denselben Vocals geben wird.

Spielt KI eine Rolle für dich?

Ja, neuerdings nutze ich auch gerne die beeindruckend guten KI-Song-Generatoren wie Suno, Udio oder Elevenlabs als Samplematerial. Am Ende verziere ich den Track mit Effekten. Der Vorteil dieser Arbeitsweise ist, dass man sofort einen fertigen Track hat, ohne einen perfekten Loop noch arrangieren zu müssen, was oft unbefriedigend ist.
Ein Großteil meines Sounds hängt auch von der Qualität des Mixings und Masterings ab, bei dem ich nie aufhöre zu lernen. Hardwareseitig helfen mir meine Neumann-Lautsprecher mit eingebautem DSP, da ist quasi Sonarworks bereits installiert, meine Slate-VST-Kopfhörer, die verschiedene Studio- und Clubumgebungen simulieren, sowie mein Sub Pac. Letzteres nutze ich zum Spaß und um den Impact von Kick und Bass besser einschätzen zu können. Als Analyzer verwende ich gerne iZotopes Tonal Balance, um das richtige Frequenzverhältnis zu überprüfen, und Vision 4x, um zu sehen, wie sauber das Low-End aussieht. Ein hervorragendes Tool ist auch „Fuser“ von Mastering the Mix, das ich gerne als Ducker für bestimmte Frequenzen nutze, sowie die eingebaute Phasenkorrektur – ein Thema, mit dem ich mich erst seit Kurzem intensiv beschäftige.
Da ich gerne schnell und effektiv arbeite, greife ich gerne auf Plug-ins wie Refx Nexus und VPS Avenger zurück. Für stundenlange Klangforschung oder modulare Experimente habe ich momentan keine Zeit, obwohl das natürlich viel Spaß macht – es endet jedoch selten in meinen Tracks.

Das klingt nach einer Menge Tools, die du in deine Routinen implementiert hast.

Das stimmt, ja. Darüber hinaus interessiere ich mich hardwareseitig seit der MC303 von 1996 sehr für Grooveboxen – also All-in-One-Geräte, mit denen man ganze Live-Acts spielen kann. Aktuell experimentiere ich mit der Akai Force, die eher ein Computer mit DAW ist, aber live unglaublich viel Spaß macht.

Du bist nicht nur DJ und Produzent, sondern auch Live-Act. Erzähle uns gerne von deinem Set-up auf der Bühne und deiner aktuellen Show.

Meine musikalische Reise als Live-Act begann bereits 1997 mit der MC-303 und einem TB-303-Klon. Später spielte ich als Heerhorst gemeinsam mit Meissner und dann als Fukkk Offf hauptsächlich Ableton-Live-Sets. Das Plattensammeln und Auflegen interessierte mich nie so sehr wie die eigene Musikproduktion. Erst viel später, in der Ära der USB-Sticks und Sync-Buttons, kam ich zum Djing. Als Heerhorst habe ich bereits verschiedene Ansätze ausprobiert. Ich schleppte tonnenweise Equipment zu Gigs, weil es mir wichtig war, keinen Laptop zu verwenden. Am Ende schien es jedoch niemanden wirklich zu interessieren.
Dennoch reizt es mich immer noch, zumindest etwas in die Musik, die ich spiele, eingreifen zu können. Selbst wenn es nur eine TR-8S ist, mit der ich zusätzliche Beats und Percussions spiele – quasi als Hybrid-Set. Meiner Meinung nach macht Live-Performance besonders dann Sinn, wenn das Genre klar vorgibt, dass dieser Stil auch mit den Geräten aufgenommen wurde. Beim Raw-Deep-Techno lasse ich gerne solche Elemente in meine Sets einfließen. Aktuell spiele ich live mit meiner Akai Force. Sie ist das perfekte Gerät, um sicher zwischen Stems und Clips zu variieren und mit Effekten zu experimentieren. Gleichzeitig bietet sie unglaubliche Möglichkeiten mit internen Plug-ins und Performance-Tools, um das Vorhandene komplett zu verfremden, Neues zu erschaffen und on the fly zu remixen.

Welche weiteren Highlights, z.B. in Sachen Shows, stehen für die kommenden Wochen und Monate an?

Ich bin zurzeit unheimlich motiviert, im Studio zu produzieren. Außerdem freue ich mich auf die kommenden Veröffentlichungen auf großartigen Labeln wie zum Beispiel Arcane und Hilomatik. Und natürlich blicke ich erwartungsvoll auf einen tollen Festival-Sommer, der Events wie das Love Explosion, Airbeat One b2b mit meinem Helden Umek, Sea You Festival, SonneMondSterne sowie das Dome Festival in Frankreich umfasst. Airbeat One ist dabei eines meiner Lieblingsfestivals und sie haben auch dieses Jahr ein wahnsinnig starkes Techno-Line-up. Da freue ich mich schon sehr drauf.

In diesem Monat mixt du den offiziellen FAZEmag-Download-Mix. Auf was dürfen sich die Hörer*innen freuen?

Ich habe mich entschlossen, ein reines „Heerhorst-Ego-Set“ zu mixen. Dabei spiele ich natürlich einige meiner Klassiker in neuen Versionen und präsentiere auch bisher unveröffentlichte Tracks, die bisher noch nicht zu hören waren und bald erst releast werden. Also einige echte Premieren hier in dem Mix! Danke für das Interview!

Aus dem FAZEmag 148/06.2024
Text: Triple P
Foto: Thomas Friedrich
www.instagram.com/heerhorst