Henrik Schwarz – Hochdekoriert und mit prall gefüllter Festplatte

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Gut Ding will Weile haben. Manche Sachen passieren einfach nicht von heute auf morgen, sondern brauchen ihre Zeit. Und am Ende gibt es dann sogar noch eine Zugabe. So ähnlich verlief auch die bisherige Beziehung zwischen Defected und Henrik Schwarz. Seit Jahren versucht Labelchef Simon Dunmore den Wahlberliner Produzenten für das britische Imprint zu gewinnen, um einen Remix oder Track zu bekommen. Aber Geduld gewinnt, und nun hat es endlich geklappt. Schwarz ist der neue „House Master“ und liefert obendrauf noch einen Remix ab. Wie es dazu kam, verriet er uns auf der Zugfahrt zu einem Gig nach Perugia.

Als ich ihn frage, wie man sich als House Master fühlt, müssen wir beide schmunzeln. Aber als ich davon hörte, dass der in Ravensburg aufgewachsene Produzent und Live-Act die neue Ausgabe der „House Masters“ von Defected mixt, war ich wie selten zuvor von dieser Entscheidung begeistert. Schwarz liefert seit Jahren kontinuierlich Qualität ab. Sowohl seine House-Erzeugnisse, als auch seine Crossover-Projekte sind von Detailreichtum und Schönheit geprägt. Seine Augen schauen immer nach und links und rechts, und wenn er dort etwas entdeckt, das ihm gefällt, dann macht er es auch. „Wenn mir etwas über den Weg läuft, was ich spannend finde, dann gehe ich dort entlang, ohne mir erstmal zu viel Sorgen zu machen, dass das nicht funktionieren könnte. Auf dem weiten Feld der Elektronik fühle ich mich sehr sicher, da könnte ich ja auch bleiben, aber das ist mir zu langweilig. Ich springe gerne ins kalte Wasser, das fand ich schon immer toll.”

In den frühen 90er-Jahren entwickelte Henrik seine DJ-Skillz und startete mit ersten eigenen Produktionen. Anfang der folgenden Dekade zog er mit einem Grafikdesign-Studium in der Tasche nach Berlin. Es stellte sich aber nach und nach heraus, dass die Musik einen immer größeren Teil seiner Zeit in Anspruch nahm, bis zur kompletten Übernahme. 2002 erschien auf Sasses Label Moodmusic seine erste 12Inch. Im Jahr darauf gründete er mit dem Finnen das Label Sunday Music, das er mittlerweile allein betriebt und nach fast sechsjähriger Pause Anfang letzten Jahres wieder aktiviert hat. Schwarz lernte Dixon und Âme kennen, mit denen er diverse Projekte verfolgte und immer noch verfolgt. Neben diversen Tracks war das unter anderem die Live-Vertonung des Stummfilmklassikers „Das Cabinet des Dr. Caligari“ für das Jetztmusik-Festival in Mannheim und die Compilation „The Grandfather Paradox“. Weiterhin ist es das neue gemeinsame Studio, das nach dreijähriger Planungs- und Aufbauphase demnächst seine Pforten öffnet. Dort werden sich die vier so schnell wie möglich zum Produzieren treffen. 2006 zählt sicherlich zu Schwarz’ erfolgreichsten Jahren. Er veröffentlichte seine Version der „DJ-Kicks“ (!K7) und hatte mit dem Remix von Coldcuts „Walk A Mile“ feat. Robert Owens einen weltweiten Clubhit. Schon vorher war er ein sehr gefragter Remixer, doch in der Folgezeit sollten diese Aktivitäten noch gefragter sein.

Parallel zu den Dancefloor-Aktivitäten startete Henrik seine Crossover-Projekte, wie 2009 eine Zusammenarbeit mit dem norwegischen Jazzmusiker Bugge Wesseltoft. Die beiden absolvierten gemeinsam eine Tour, die letztlich 2011 im gemeinsamen Album „Duo“ gipfelte. Eine Kooperation, die mittlerweile wieder neue Früchte hervorbringt: „Wir waren gerade zwei Tage im Studio, und mittlerweile ist aus dem Duo ein Trio geworden. Der schwedische Kontrabassist Dan Berglund ist jetzt mit an Bord. Wir müssen das Material nur noch aufnehmen, dann kann es veröffentlicht werden.“ Aber das ist bei Weitem nicht das einzige Album, das dieses Jahr erscheinen soll. Sein Orchester-Projekt kommt nun abschließend ebenfalls als Live-Mitschnitt vom letzten Konzert Ende 2013 in Tokio auf den Markt. Die Idee, die dahinter steckt: Henrik hat eine Auswahl seiner Stücke für eine klassischen Orchester arrangiert. „Eine rein akustische Sache, ohne Effekte, ohne Elektronik. Einfach die Essenz, das, was da musikalisch übrigbleibt.“ Ein langer Prozess, der immerhin drei Jahre in Anspruch nahm. Ein Prozess, den er in seiner Komplexität doch etwas unterschätzt hatte, gab es doch immer wieder Änderungen und Nachbesserungen. „Aber letztlich habe eine Menge gelernt und musste mich mit vielen neuen Sachen auseinandersetzen, die aber auch in die neuen Produktionen eingeflossen sind.“

Eine dieser neuen Produktionen ist der Remix von Chasing Kurts „From The Inside“, der im Rahmen der „House Masters“-Ausgabe veröffentlicht wird. Kontakt zu Defected hat Henrik schon seit fast zehn Jahren. Seitdem versuchte Simon immer wieder sein Glück, erwischte aber unglücklicherweise immer den falschen Moment. „Und das tat mir auch immer leid, da man einfach spürt, dass dort ein großer Musikliebhaber am Werk ist. Aber er ist konsequent am Ball geblieben, und jetzt hat es auch endlich geklappt. Volle Breitseite.“ Die Doppel-CD beinhaltet eigene Tracks und Remixe von Henrik, und auch wenn es insgesamt nur 20 Stücke (plus neuem Remix und Bonustrack in der digitalen Ausgabe) sind, so ist es ihm nicht allzu schwer gefallen, eine Auswahl zu treffen. „Eigentlich ging das alles so schnell, dass ich das gar nicht wirklich realisiert habe, was hier alles an Tracks bei mir herumliegt. Jetzt, wo man das alles mal eingesammelt und in einen Audio-Ordner gepackt hat, ist das doch schon eine ganze Menge.“ Aber lange hält er den Blick nicht auf die bisherigen Werke, er richtet ihn nach vorne. Auf die neue Musik, die er in den letzter Zeit parallel zum Orchesterprojekt vorbereitet hat. Neben bereits erwähnten Alben steht das Solodebüt auch weit oben auf der Liste. „Die letzten drei Jahre habe ich auch genutzt, eine Menge dafür aufzunehmen. Ich bin noch nicht ganz zufrieden, aber sobald das Orchesteralbum draußen ist, setze ich mich nochmal dran und hoffe, dass das auch schnell geht.“ Denn schließlich wartet da auch noch sein Label Sunday Music mit neuen Veröffentlichungen von Johannes Brecht, Henrik selbst als Album-Appetizer und Black Rose, seinem Projekt mit Jesse Rose. Eine Geschichte, die eigentlich einen eigenen Artikel verdient. Ebenso wie sein etwas anderes Klavierduett „Scripted & Prepared“ mit Hauschka, das in diesem Jahr auch wieder auf der Tagesordnung steht, wie weitere Live-Auftritte mit Frank Wiedemann (Âme) unter dem Namen Schwarzmann. Und und und … Simon Dunmore sollte sich glücklich schätzen, dass er es endlich geschafft hat. Für einen weiteren Versuch wären wohl wieder zehn Jahre einzuplanen. Mindestens.

 

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