HEX – Techno Movement

Foto: Elena Krasnokutskaya

Kennengelernt haben sich Lorenzo Raganzini und Paolo Ferrara auf einer Party in ihrer Wahlheimat Barcelona vor rund zehn Jahren. Im selben Jahr, 2014, starteten die beiden mit HEX eine Brand, die mittlerweile zu einer der spannendsten Adressen der Szene avanciert ist. Dazu beigetragen hat das neuartige Genre, das Raganzini und Ferrara liebevoll TechnoMetal getauft haben und nun rund um den gesamten Erdball populär machen wollen. Dieser Tage umfasst HEX verschiedene Facetten, die von powervollen Raves bis hin zu Label, Community und Fashion reichen. Dabei bieten sie einen Raum, der Freiheit und Inklusivität für Menschen fördert, die sich für alternative Ausdrucksformen der Kunst interessieren. Die Bewegung wird durch ein unverwechselbares kreuzförmiges Logo mit einer vertikalen Linie symbolisiert, die für Techno steht, der als verbindende Kraft für verschiedene Kulturen – dargestellt durch zwei horizontale Linien – dient und Grenzen überschreitet. Am 6. Januar 2024 kommen der TechnoMetal-Schamane und der TechnoMetal-Devil in den U-Club nach Wuppertal, präsentiert von FAZEmag. Wir haben die beiden Köpfe der neuen Techno-Bewegung getroffen.

Lorenzo und Paolo, wie geht es euch und wie war 2023 für euch?

Lorenzo: Wow, es war definitiv das verrückteste Festivaljahr und eines der besten in unserer bisherigen Karriere. Wir waren auf einigen der tollsten Festivals in Europa, wie etwa Tomorrowland, MAYDAY, NATURE ONE, Rotterdam Rave, Verknipt, World Club Dome und vielen mehr. Auf einigen von ihnen, wie dem Tomorrowland und der NATURE ONE, hatten wir unsere eigene HEX-Bühne und haben unser geliebtes TechnoMetal-Genre mit unseren Sets und denen der eingeladenen Künstler*innen präsentiert.

Paolo: Außerdem haben wir einen neuen Zyklus mit HEX Recordings gestartet – unserem Label, das aufstrebenden Künstler*innen die Möglichkeit bietet, wöchentlich ihre Vision des TechnoMetal-Sounds zu veröffentlichen.

Lorenzo: Ja, das stimmt. Außerdem haben Paolo und ich ziemlich erfolgreiche Tracks wie „This is Techno Metal“, „Aerials“, ein Edit von System Of A Down, und „My Pain is Yours“ veröffentlicht, die den Sound des gesamten Genres definieren, seine Grenzen erweitern und der Welt unsere Vision von diesem Genre vermitteln. Wir sind zuversichtlich, dass dieser neue Sound schon bald ein fester Bestandteil der großen Venues und Stages sein wird, da es an die Größe der Rock/Metal-Ära erinnert.

Bevor wir tiefer in euer Projekt einsteigen, wie habt ihr euch kennengelernt und welchen musikalischen Background habt ihr?

Paolo: Ich bin mit Nu Metal, Big Beat, Hip-Hop und Oldschool-Metal aufgewachsen. Nach der Pubertät fing ich mit elektronischer Musik an, die ich in meinem Zimmer zunächst hörte und dann irgendwann auch laut spielte und damit alle Nachbarn nervte (lacht).

Lorenzo: Ich war ein rebellisches Kind, aufgewachsen in einer kleinen Stadt namens Treviso, in der es nicht viel zu tun gab. Aus Wut fing ich an, Thrash Metal und Industrial Metal zu hören, las Biografien von Künstlern, aber ohne mir allzu viele Gedanken darüber zu machen, dass ich einer von ihnen sein könnte.

Paolo: Wir trafen uns 2014 zufällig in Barcelona auf einer Party. Wir haben uns auf Anhieb sehr gut verstanden und waren direkt auf einer Wellenlänge. Nachdem wir uns einen Monat lang kannten, haben wir unser erstes Event namens DOOM ins Leben gerufen, ein illegales Event. Es wurde schnell berühmt und ein Club lud uns ein, um es dort zu veranstalten. Um den Vibe einer Off-Location, die man von DOOM kannte, nicht zu verlieren, lehnten wir ab und beschlossen, stattdessen HEX zu gründen, eine etwas cluborientiertere Version unseres Projekts. Und wir merkten schnell, dass dies die beste Idee aller Zeiten war (lacht).

Lorenzo Raganzini, Foto: Elena Krasnokutskaya

HEX ging 2014 an den Start. Erzählt uns von euren ersten Schritten.

Paolo: Wir wollten einen Raum der Freiheit und Inklusivität für Menschen schaffen, die sich für alternative Ausdrucksformen der Kunst interessieren. Wir wollten in erster Linie vereinen. Wir träumten von einem gemeinsamen Ort, an dem Techno die verbindende Kraft ist und an dem sich alle wohlfühlen und gegenseitig respektieren würden. Ein Ort, an dem auch Künstler*innen sich frei ausdrücken und andere inspirieren können.

Lorenzo: Damals gehörten wir zu den Ersten, die in Barcelona diesen speziellen dunklen und industriellen Sound, aber vor allem den integrativen Vibe, der normalerweise eher mit Berlin in Verbindung gebracht wird, angeboten haben.

Paolo: Im Laufe der Jahre sahen wir, wie er sich entwickelte, wie die Menschen dieses Genre immer mehr akzeptierten, wie sie die Schönheit der Vielfalt in den Menschen erkannten, wie sie halbnackt und ohne Angst tanzten, einfach umgeben von einer umfassenden Gruppe von kultivierten Musik- und Kunstliebhaber*innen.

„Es ist eine Marke, die verschiedene Aspekte von Musik, Clubbing und Ravekultur umfasst und einen Raum bietet, der Freiheit und Inklusivität für Menschen fördert, die sich für alternative Ausdrucksformen der Kunst interessieren.“ Dieses Zitat habt ihr online veröffentlicht.

Lorenzo: Bei HEX haben wir uns schon immer für Vielfalt und freie Meinungsäußerung eingesetzt, egal, auf welche Weise. Als wir anfingen, waren wir anders als alle anderen Kollektive bzw. Marken in Barcelona. Es glaubten nicht so viele Leute an uns, weil sie nicht an ein stabiles Techno-Angebot in Barcelona glaubten.

Paolo: Wir fühlten bzw. fühlen uns immer noch sehr vielfältig. Während viele sich für etablierte Sounds entscheiden, verschieben wir die Grenzen dessen, was als „so oder so“ gilt, noch einmal und spielen unsere eigene Version von Techno, die wir TechnoMetal nennen. Wir betrachten Vielfalt als das Schlüsselelement für Fortschritt und Innovation. Wie kann man überhaupt Grenzen verschieben, ohne vielfältig zu sein?!

Lorenzo: Übrigens, um die Veranstaltungen noch spezieller und anders zu gestalten, haben wir mehrmals sogenannte „Techno-Museen“ organisiert. Wir haben Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Disziplinen wie Modern Dance, Shibari, Bildhauerei, Malerei, Schriftstellerei und Fotografie eingeladen, ihre Kunstwerke im Rahmen unserer Hauptveranstaltungen auszustellen und sie überall im Veranstaltungsort zu verstecken, damit die Leute sie in der Nacht entdecken können, manchmal in unerwarteten Situationen.

Die HEX-Events sind nicht nur in Barcelona und Berlin bekannt, sondern mittlerweile auch darüber hinaus in vielen Teilen der Welt. Was waren eure bisherigen Highlights?

Lorenzo: In diesem Jahr waren wir auf so ziemlich jedem Kontinent unterwegs, sowohl als Solokünstler als auch als Marke. HEX hatte weltweit 19 offizielle Shows. Darunter waren auch einige Länder, in denen die Szene noch im Entstehen begriffen ist, wie z.B. Indien, und die wir unterstützen wollen.

Paolo: Für uns ist es sehr bedeutsam, unsere Vision in die ganze Welt zu exportieren, und wir fühlen uns sehr glücklich, dass wir so viel Unterstützung aus aller Welt erhalten. Einmal mehr haben wir das Gefühl, dass unsere ursprüngliche Idee, Kulturen durch Techno und unter dem HEX-Kreuz zu vereinen, funktioniert und die Menschen glücklich macht, was ja das eigentliche Ziel ist.

Bis zum neuen Jahr sind es nur noch wenige Tage, dann wird HEX zehn Jahre alt. Wie hat sich die Marke in dieser Zeit entwickelt, aber auch verändert? Neben Raves und Musik gehört ja sogar Fashion dazu.

Paolo: Die Marke hat sich im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt, was durch die weltweite „HEXpansion“ unterstützt wurde. Nachdem wir 2014 mit Raves für 100 Leute anfingen, veranstalteten wir binnen eines Jahres bereits Events für 1.000 Leute. Wir entwarfen eine Fashion-Kollektion, um den Raver*innen die Möglichkeit zu geben, unseren Vibe auch am Körper tragen zu können und wir arbeiteten mit lokalen Designer*innen zusammen. Im Jahr 2019 wurde HEX dann mit einem ersten Sold-out-Event im Khidi in Tblisi sehr international und wir gründeten das Label HEX Recordings mit dem Ziel, aufstrebenden Künstler*innen und auch unserer Musik einen Kanal zu geben. Im Rahmen der Gründung haben wir unseren bisher größten Hit „Raving in Paris“ veröffentlicht, der mittlerweile über drei Millionen Menschen weltweit erreicht hat. Schaut euch unbedingt den Videoclip dazu an. Im Jahr 2020 haben wir unseren ersten HEX x Boiler Room in Barcelona veranstaltet, haben wir einen zweiten veranstaltet und auch in Berlin haben wir angefangen, regelmäßig Events zu organisieren.

Lorenzo: Unsere Pläne für 2024 sind, das TechnoMetal-Musikgenre noch weiter zu etablieren und so viele Länder wie möglich mit HEX zu erreichen, indem wir weltweit Events organisieren und mit den besten Promoter*innen und Venues zusammenarbeiten, um einen Beitrag zu ihren lokalen Szenen zu leisten.

Wie definiert sich TechnoMetal als Genre?

Lorenzo: Bei diesem Stil kommt unser Metal-Musikhintergrund zum Vorschein und verschmilzt gnadenlos verzerrte Gitarren und Schreie mit Heavy-Techno-Kicks und treibenden Basslines. Das Ergebnis ist ein dystopischer „Mad Max“-Vibe mit einigen epischen melodischen Komponenten und teuflisch aggressiven Vocals, um die Grenzen der Clubbing-Musik zu erweitern. „Heavy“ ist das neue „Fast“!

Paolo: 2020 haben wir damit begonnen, diesen Stil für uns zu kreieren. Im Folgejahr ist mit der Veröffentlichung „XXX001 | Lockdown Era“, die sowohl auf Vinyl als auch digital erschienen ist, das erste Release dieses neuen Genres erschienen. Ein schönes gelbes Vinyl für die Kollektion aller Vinyl-Liebhaber wie uns. Von da an haben wir das Genre mit weiteren Releases wie „HEX009 | Anarock 19“ oder „This is TechnoMetal“ und vielen anderen sowohl von uns als auch von einigen sehr talentierten Künstler*innen, die sich dem Genre verschrieben haben, stetig vorangetrieben.

Paolo Ferrara, Foto: Elena Krasnokutskaya

Euer Label hat trotz der recht jungen Geschichte einen unglaublichen Katalog.

Lorenzo: Vielen Dank. Wie bereits erwähnt ist unsere bisher erfolgreichste Veröffentlichung der Track „Raving in Paris“ mit seinem berühmten Videoclip und dem Remix von Nico Moreno. Die Entwicklung unseres Sounds kann man anhand des Katalogs förmlich hören und spüren, wenn man sich die folgenden Tracks der Reihe nach anhört: „No Escape“, „Human Nature“, „Sanitary Dictature“, „Killz Billz“, „This is TechnoMetal“, „Aerials“, „Crying Blood“, „The Riff“.

Paolo: Weitere bemerkenswerte TechnoMetal-Veröffentlichungen sind sicherlich „Brutalist“ von St. Mike, xk21 feat. F.I.T.A.R., „Borderline“ von AVCI, „Bloody Dreams“ von KAI & NIEM und „Soul Mate Connection“ von DSTM.

Welche Pläne habt ihr für HEX Recordings für die Zukunft?

Paolo: Wir fördern derzeit viele Talente auf der ganzen Welt, die sich die Vision und den Sound von HEX zu eigen machen. Sie haben uns einige wahre Bomben geschickt, die wir nacheinander veröffentlichen werden. Wir können es kaum erwarten!

Lorenzo: Von unserer Seite aus haben wir jetzt im Dezember eine neue Veröffentlichung mit dem Titel „Deathless“. Es ist wohl das Spirituellste, das wir mit einer völlig höllisch verzerrten TechnoMetal-Kreation erreichen konnten. Mal sehen, wie weit wir es noch treiben können (lacht).

Was steht in den nächsten Wochen und Monaten auf eurer persönlichen Agenda?

Paolo: Der Dezember wird einer der arbeitsreichsten Monate des Jahres mit zehn Shows und vier offiziellen HEX-Events in Paris, Istanbul, Berlin, Barcelona und Zürich. Außerdem leiten wir am 31. Dezember das größte Techno-Event in Italien, bei dem Galactica im Palazzo Congressi nach der legendären Band Kraftwerk spielen wird.

Lorenzo: Aber auch 2024 wird der Wahnsinn, seid bereit!

Am 6. Januar 2024 kommt ihr für einen Rave nach Wuppertal, präsentiert vom FAZEmag. Welche Connection habt ihr zum deutschen Publikum?

Deutschland ist definitiv eines der Länder, die uns am meisten supporten, wenn es um unseren Sound und unser Projekt geht. Darüber hinaus lieben wir die deutschen Raver*innen. Ihre Energie und Einstellung sind definitiv next Level. Wir freuen uns darauf, unseren Sound in Wuppertal zu präsentieren. Das wird der Wahnsinn!

Aus dem FAZEmag 142/12.2023
Text: Triple P
Fotos: Elena Krasnokutskaya
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