Koks, Gras & Viagra – Interview mit einem Dealer

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Koks, Gras & Viagra – Interview mit einem Dealer

Für manche Menschen sind sie Abschaum, für andere die Rettung in der Not. Die Rede ist von Drogenverkäufern – oder wie die meisten von uns sie nennen: Dealer. Es gibt sie in jeglicher Form, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, durch oder nüchtern, ungebildet oder hochintelligent, sympathisch oder angsteinflößend und vor allem gut oder schlecht. Doch wer an Stoff rankommen will, hat nicht immer die Qual der Wahl. Wir schreiben viel über die Dinge, die sie unters Volk bringen, doch woher das Ganze kommt, wird meiner Meinung nach etwas totgeschwiegen. Zum anderen ist es ein sehr interessanter Lifestyle, den der ein oder andere Ticker an den Tag bringt. Aus diesem Grund habe ich mich in einem Café mit einem getroffen, um mehr über die Hintergründe und das illegale Business zu erfahren.

Zum Schutz meines Informanten möchte ich noch erwähnen, dass es sich hierbei um reines Interesse meinerseits gehandelt hat und alle wesentlichen Informationen unter Verschluss bleiben. Es geht hier rein um einen Einblick in die Tätigkeit und nicht darum, jemanden ans Bein zu pissen.

Hallo Dealer. Erzähl doch mal, wie alt bist du und seit wann verkaufst du schon Drogen?

Ich bin 23 Jahre alt und habe das erste Mal mit 14 Jahren Drogen verkauft. Danach habe ich jahrelang pausiert, aber seit ca. einem Jahr bin ich wieder aktiv.

Wie kam es dazu?

Zum einen natürlich aus finanziellen Gründen. Leichter kommt man wohl kaum zu Geld und das auch noch in kürzester Zeit. Auf der anderen Seite hat mich das Business schon immer gereizt.

Aber wie genau kam es dazu, dass du wieder damit angefangen hast?

Ich bin schon sehr früh mit Leuten aus der Szene in Kontakt geraten.

Auf die Frage hin, um was für Leute es sich handelt, habe ich beschlossen, die Antwort zu unserer beider Schutz hier nicht zu erwähnen.

Wo triffst du dich mit deinen Lieferanten?

Meistens in verschiedenen Cafés.

Wie können wir uns das vorstellen, was läuft in dem Café ab?

Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Man sitzt an einem Tisch und redet.

Über?

Preise und Optionen.

Und dann passiert was?

Ich bekomme meinen Stoff meistens geliefert – ganz einfach aus dem Grund, dass es weniger Risiko in sich trägt. Man muss nicht durch die halbe Stadt mit dem Zeug fahren und Angst haben, erwischt zu werden.

Was wäre die Alternative?

Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten. Eine andere wäre zum Beispiel, dass man das Zeug an einem öffentlichen Ort abholt. Hierfür ist es wichtig, dass man immer pünktlich ist, da können schon 30 Sekunden Verspätung zu einem geplatzten Deal führen.

Und was verkaufst du so?

Ganz klassisch, Gras und Kokain. Manchmal auch Viagra.

Warum ausgerechnet Viagra?

Weil hier die Gewinnspanne sehr groß ist. An einer einzigen Pille verdiene ich zwischen 10 und 25 Euro.

Wie können wir uns denn den typischen Kunden hierfür vorstellen?

Also in der Regel sind das typische Druffies die keinen hochbekommen, wenn sie geballert haben. Aber auch Typen, die einfach Bock auf kranke Sex-Sessions haben.

Und warum ist dein „Sortiment“ so knapp gehalten?

Meiner Meinung nach hat das einfach mehr Stil.

Würdest du sagen, du hebst dich dadurch von anderen Tickern ab?

Ne, null.

Beschreib doch mal den typischen Konsumenten für unsere Leser.

Ich finde, der Durchschnittskonsument ist genauso schwierig in eine Schublade zu stecken, wie der Durchschnittsbürger. Es ist alles dabei, jeder Geldbeutel. Von Millionärskindern bis hin zu alten Lappen. Drogen sind für alle Randgruppen. Man macht vor keinem Milieu Halt.

Jetzt haben wir eine Menge über deine Kunden erfahren, aber wie stet’s um dich, wer bist du?

Ich bin eigentlich ein ganz normaler Typ. Ich arbeite als Schreiner und stelle dort Möbel für Privatkunden her. Täglich sitze ich um halb Acht in der Bahn und arbeite bis zum frühen Abend. Meine Interessen bestehen momentan hauptsächlich aus dem weiblichen Geschlecht und Literaturklassikern. Ich lese total gerne Kafka, ein großer Name, der sich einfach von anderen literarischen Werken abhebt.

Okay, interessant. Zurück zum Geschäft. Hattest du denn jemals ein schlechtes Gewissen, weil du Drogen verkaufst?

Ehrlich gesagt, nein. Aus zwei Gründen: Ich glaube ganz einfach daran, wer konsumieren will, der konsumiert eh. Die Verantwortung ob Menschen Drogen nehmen, liegt nicht bei Leuten wie mir, sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen kann nur derjenige entwickeln, der auch die Verantwortung für seinen Konsum trägt.

Wie viel Geld machst du monatlich im Durchschnitt?

Um die 3000 Euro, davon wird noch der Einkaufspreis abgezogen. Also bleiben am Ende zwischen 600 und 800 Euro für mich.

Gar nicht mal so viel?

Die größte Gewinnspiele liegt in den kleineren Mengen, aber das ist einfach viel zu zeitaufwendig und riskant. Da das für mich nur ein Nebenverdienst ist und kein Vollzeitjob, versuche ich zu vermeiden, dass Leute wegen einer Kleinigkeit zu mir kommen.

Und was davon haust du dir selbst rein?

Ich nehme nur Koks. Und habe dafür monatlich um die 250 Euro an Kosten.  Unter der Woche nehme ich nur ab und zu mal was, am Wochenende kann es dann schon mal ein ganzes Gramm werden.

Wie behältst du den Überblick darüber?

Ich packe es direkt nach dem „Auspacken“ ab und lege mir eine gewisse Menge zurück.

Würdest du sagen, dass es einen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Drogenverkäufern gibt?

Ich glaube nicht, dass man das Gender-spezifisch aussagen kann. Männer konsumieren auf jeden Fall mehr und passen dadurch auch eher in die klassische Dealer-Schiene.

Wie steht es um dein Backup? Hast du einen Schutz für alle Fälle?
Nicht wirklich, dafür mische ich nicht genug mit. Doch wenn es um bestimmte Gebiete geht, in denen mich andere Dealer nicht sehen wollen, gibt es Leute, die sich darum kümmern.

Interessiert es dich, was mit diesen Personen passiert?

Nein. Manchmal ist es einfach besser, Dinge nicht zu wissen. Um den eigenen Kopf zu schützen. Jedoch habe ich schon Unterhaltungen mitbekommen, bei denen es um Personen ging, die nicht gezahlt haben. Also ich meine damit kleinere Ticker wie mich, die auf Kombi geholt haben. Solchen kann es dann durchaus passieren, dass sie irgendwo eingesammelt werden und für einen Abend auf dem Schwulenstrich anschaffen müssen, als kleine Lektion.

Hast du mal überlegt, damit aufzuhören bzw. hast du dir ein Ziel gesetzt, wann du damit aufhören willst?

Nein, im Gegenteil. Ich bin gerade dabei das Geschäft auszubauen.

Wie können wir uns das vorstellen?

Ich will in die Schieberposition. Das heißt, ich hätte nicht mehr so viel Kontakt zu Klienten, sondern würde größere Mengen an andere Kleindealer bringen. Ganz einfach aus dem Grund, dass ich weniger Arbeit hätte.

Woran erkennst du unreines Zeug?

Eigentlich ganz easy. Bei Weed ist die klassische Variante der Aschetest. Ungestrecktes Gras hat hellgraue, leicht zerfallende Verbrennungsrückstände. Wenn das Zeug gestreckt wurde, riecht es sehr scharf und bildet eine schwarze, feste Asche die fest am angezündeten Joint bleibt. Und man kann es natürlich auch sehen, gutes Marihuana hat schöne, leicht glitzernde Knospen.

Beim Koks ist es eigentlich noch einfacher zu erkennen und zwar übers Zahnfleisch. Koka hat keinen eigenen Geschmack, es macht einfach nur taub. Im Idealfall schmeckt es nach nichts. Am besten ist es auch, wenn man das Kokain als Stein erhält, aber sogar das kann gestreckt worden sein und im Anschluss wurde es wieder zusammengepresst. Daher einfach übers Zahnfleisch testen.

Und was bist du für einer? Streckst du deinen Stoff auch?

Eher selten. Wenn ich es dann mal mache, dann nur bei neuen, fremden Kunden. Zum Beispiel wenn ich auf Partys verkaufe.

Und mit was pimpst du dein Zeug auf?

Entweder mit Koffein oder mit Tabletten der Marke Hevert, die haben noch den nützlichen Zweck, dass die Nasenschleimhäute nicht anschwellen. Ansonsten mit typischen Streckern wie Magnesium oder Babyabführmittel.

Muss man selbst Drogen nehmen, um Gutes von Schlechten unterscheiden zu können?

Ne, man kann es auch einfach von Freunden testen lassen.

Gibt es eine Droge, die tabu ist?

Heroin auf jeden Fall.

Was würde sich damit ändern?

Wenn man Hero verkauft, hat man einfach mit anderen Menschen zu tun. Ich habe zwei Heroinabhängige kennengelernt, deren Leben noch irgendwie funktioniert hat. Aber ein Leben ohne Drogen war für die beiden nicht mehr möglich. Alles verliert an Wert, nur die Droge zählt. Auch enge Freunde fangen auf einmal an sich zu beklauen, nur um an Stoff zu kommen.

Als Kokser kann ich behaupten, dass „nur“ mein Charakter sich verändert hat. Aber nicht mein Leben. Bei H gibt es einfach keinen verantwortungsvollen Umgang, der einzige Weg, hier Verantwortung zu übernehmen, ist es, es nicht zu nehmen. Und deshalb würde ich das Zeug auch niemals verkaufen, geschweige denn selbst nehmen.

Warnst du denn deine Kunden, wenn du etwas sehr Starkes, vielleicht sogar etwas Gefährliches verkaufst?

Nö, das dient nur als Verkaufsargument um mehr Geld zu verlangen oder schlechtere Kurse zu bekommen. Meiner Meinung nach ist das nur eine Strategie, hinter welcher nicht mehr steckt.

Anhand was suchst du dir deine Kunden aus?

Ich such die nicht wirklich aus, die sind einfach da.

Wann entscheidest du dich gegen jemanden?

Wenn ich das Gefühl habe, dass die Leute im Zweifelsfall nicht ihre Klappe halten können.

Und wenn jetzt eine Schwangere vor dir stehen würde?

Der würde ich unter keinen Umständen etwas geben.

Schon mal was an Minderjährige verkauft?

Nein, nicht seit ich selbst über 18 bin.

Und wie siehts mit der Polizei aus? Wurdest du mal erwischt?

Ja mit 14. Auf dem Schulhof habe ich Gras verkauft und ein Junge aus der Nachbarsschule wurde damit aufgeschnappt und hat es dann ausgeplaudert. Das ging dann auch vor Gericht und ich musste 50 Sozialstunden machen. Ich habe das Gefühl, dass umso jünger man ist, die Strafen auch härter ausfallen. Quasi als Erziehungsmaßnahme.

Und das war das einzige Mal?

Ja, mit der Zeit wird man auch einfach besser und vorsichtiger. Und mit zunehmendem Alter verliert man auch Kunden und meidet den Kontakt zur Polizei. Das ist einfach zum Grundgesetz in unserer Szene geworden. Ganz nach dem Motto: nichts gesehen, nichts gehört. Keiner hat Bock auf Stress. Wenn man bedenkt, dass es Menschen gibt, die bezahlt werden, um sogenannte „Petzen“ zu foltern, dann ist Schweigen definitiv die sicherere Nummer. Etwas, was die Polizei leider nicht immer im Hinterkopf hat. Für einen geschnappten Dealer, leiden kontinuierlich viele unschuldige Personen. Der Dealer ist ja sicher im Knast. Und danach gehts meistens wieder weiter.

Was war das Absurdeste, das dir in deiner Dealer-Karriere je passiert ist?

Mit 17 habe ich mein Gras bei einer Frau geholt. Eigentlich durften dort auch nur Volljährige einkaufen, aber aus irgendeinem Grund mochte sie mich und erlaubte es mir. Ich habe dann auch gleich größere Mengen geholt, um meinen Freundeskreis auszustatten. Ja und einmal klingelte ich bei ihr und es standen zwei oder drei Leute in der Tür – einer hatte eine riesige Machete in der Hand, weil sie jemand anderen erwartet hatten. Andere wurden auch schon mal mit einer Knarre weggeschickt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keine Erfahrung mit solchen Dingen, das war schon echt heftig.

Doch so schlecht das Bild jetzt aussehen mag, es waren eigentlich gute Leute. Solche Dinge gehören einfach in dieser Welt dazu. Ein Mal wurde ich auf der Straße zusammengetreten und hatte es meiner Dealerin ein paar Tage später erzählt, weil sie wissen wollte, wer das war. Daraufhin zitierte sie den Verantwortlichen zu sich in die Wohnung und forderte ihn dazu auf, sich bei mir zu entschuldigen. Mehr nicht. Sie war schon Anfang 60 und wurde nach und nach vom Krebs zerfressen.

Letzte Frage, bist du für eine Legalisierung?

Da bin ich wirklich zwiegespalten. Einerseits ist es natürlich lukrativer für mich, das Zeug günstiger zu bekommen. Durch die Gewährleistung würde das enden. Man kann dann kein Geld mehr damit verdienen. Aus diesem Grund, nein. Aus der Sicht eines normalen Bürgers würde ich ja sagen, denn Menschen lernen nur aus ihren eigenen Fehlern. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Substanzen wäre dadurch eher möglich und die Probleme könnten teilweise beseitigt werden.

 

 

Epilog
Dieses Interview soll dem Zweck dienen, dass man sich einfach mal Gedanken über diese Dinge macht. Ich habe noch viel mehr Storys von ihm bekommen, aber die kann ich hier einfach nicht nennen. Während des gesamten Gesprächs hatte ich Gänsehaut. Ich bin selbst kein Unschuldslamm, aber gerade mich hat das Thema schon echt platt gemacht. Ich will euch hier auch überhaupt keine Standpauke halten, aber wie mein Dealer schon gesagt hat:

„Die Verantwortung ob Menschen Drogen nehmen liegt nicht bei Leuten wie mir, sondern einen verantwortungsvollen Umgang mit Drogen kann nur derjenige entwickeln, der auch die Verantwortung für seinen Konsum trägt“

Ich wünsche mir, dass sich der ein oder die andere das Geschriebene zu Herzen nimmt und das Bewusstsein auftaucht, dass viele Menschen für diesen Spaß leiden oder sogar sterben müssen. Ich bin schon zufrieden, wenn leichtsinniger Konsum in bedachten Konsum geändert wird. Lest euch einfach mal durch, was die genauen Inhaltsstoffe sind, welche Dosierung am besten ist und was die langfristigen Folgen bei den jeweiligen Drogen sind. Und vergesst nicht das nach Hause gehen. Gute Freunde sind das wichtigste, das habe ich aus meinen Zeiten gelernt und es hat mich immer geschützt.

 

Text: Sofia
Foto: fotoschiko