Ja / Nein – Sven Väth „Feiern“ – ein Track – zwei Meinungen

Ja / Nein – Sven Väth „Feiern“ – ein Track – zwei Meinungen

Die neue Single von Sven Väth ist endlich draußen. Die Reaktionen auf „Feiern“ sind jedoch sehr unterschiedlich.

 

Ja: Sven

Sven Väth
Feiern (Cocoon)
Da ist es also, das neue Werk von Sven Väth. 15 Jahre sind nun bereits vergangen, dass die bislang letzte Single des Cocoon-Gründers releast wurde; damals „Spring Love“ in Zusammenarbeit mit Anthony Rother. Das neue Release ist eine Co-Produktion des ‚Babba‘ und des Break-New-Soil-Inhabers Gregor Tresher, bietet deepen und melodiös groovenden Techno mit eingängigen Vocals von Sven Väth und einen starken Spannungsbogen. Hypnotisch trifft es wahrscheinlich am besten. Das Tempo ist gemäßigt und Fans der ersten Stunde könnten bemängeln, dass „Feiern“ nach angezogener Handbremse klingt. Aber anhand der Sets der deutschen Techno-Lichtgestalt ist diese Entwicklung zu smootherem Techno ja seit einiger Zeit mitzuverfolgen. Ob sich der Sound auf dem bevorstehenden Album „Catharsis“ von „Feiern“ unterscheiden wird, ist eine der spannenden Fragen, die im kommenden Jahr beantwortet werden. Es ist in jedem Fall schön, etwas Neues von Sven Väth zu hören und den Inhalt der Textzeilen nimmt man ihm zu 100 Prozent ab; natürlich will er wieder feiern. Ohne harten Techno aber dafür mit viel Groove. Das Vinyl folgt Mitte Oktober. 9 Points tseb

 

 

Nein: Benedikt

Sven Väth
Feiern (Cocoon)
Um die neue Veröffentlichung von Sven Väth besser einordnen zu können, möchte ich etwas weiter ausholen. Lange Zeit galt „der Sven“ als Innovator, als einer der beliebtesten DJs der Welt, als jemand, dessen Sets verlässlich überraschten, Zeitrekorde brachen, Maßstäbe setzten, nachhaltig einschlugen. Er blickte dabei immer vorwärts. Omen-Revival-Partys oder Oldschool-Harthouse-Sets waren überhaupt nicht sein Ding. Ein Sven Väth spielte lieber die neuesten Platten und blieb sympathischerweise dem Vinyl treu. Er versteht sich bis heute hauptsächlich als DJ, doch zusammen mit Produzenten wie dem großen Ralf Hildenbeutel, oder auch Stevie B-Zet, Alter Ego, Anthony Rother und Johannes Heil veröffentlichte der ehemaliger Frankfurter in der Vergangenheit Musik, die viele unvergessene Hymnen und Clubhits zwischen Ambient und Techno hervorgebracht hat.
Väth befindet sich gefühlt seit Christi-Geburt auf unermüdlicher Welttour. Er, die gnadenlose Rampensau (Zeitungen sprachen gerne vom „Schamanen“). Er, der „Gude-Laune“-Onkel mit der so charakteristischen Stimme. Auch nach gescheiterten Projekten stand er immer wieder auf, machte weiter, verwirklichte neue Ideen, glaubte an seine Mission. Seit Jahrzehnten wird der Babba dabei überall hofiert, gefeiert und verehrt wie ein König. Der passende Hofstaat steht immer bereit zum ergebenen Support. Lange schien „die Szene“ ihm nichts krumm zu nehmen. Skandalgeschichten blieben Gerüchte. „So ist er halt, der Sven…“ Die Marken Väth wie auch Cocoon schwebten über allen Dingen, gaben nicht nur auf Ibiza oder in den Jahrescharts der Väth-ergebenen Magazine den Ton an, sondern hatten natürlich ebenso das nötige Kleingeld.

Wann begann nun der Niedergang? Wann begannen die Sets und Tracklists des Herrn erschreckend vorausschaubar zu werden, was so seltsam diametral zu seiner, nach wie vor ungebrochenen Energie zu stehen schien? Klar, schon in den Neunzigern sorgten Väths Fernsehauftritte und manches Interview für Heiterkeit.  Wie zum Beispiel hier. Doch gerade in letzter Zeit verursacht „der Sven“ mehr als nur Stirnrunzeln. Wie bizarr, nahezu ekelhaft war es, als er Morillo nach dessen Ableben in den schönsten Farben pries, als hätte es die zahlreichen Vergewaltigungsvorwürfe nie gegeben. Ibiza-Buddies halten zusammen, oder was? Die Kooperation mit Tesla (inklusive Mix und Remix) riss vor ein paar Monaten keinen vom Hocker, tat aber auch nicht weh.

Doch dass Väth inmitten einer tödlichen Pandemie, wo so viele Künstler aus Solidarität daheim blieben, munter in Indien tourte, das war mehr als nur unverantwortlich und rücksichtslos. Es schien, als habe der einstige Popstar den Kontakt zur Realität verloren. Hauptsache Auflegen, Vielfliegen macht Spaß. Aus Sven Väth wurde Cringe Väth, denn aus finanziellen Gründen muss der Millionär garantiert nicht mehr touren.

Nun, mit großem Tamtam, ist nach langer Zeit wieder eine neue Single von ihm erschienen, ein Album soll folgen. „Feiern“ heißt das Stück, als Produzent saß Gregor Tresher an den Reglern, mit dem Sven Väth schon seit geraumer Weile zusammenarbeitet. Die Erwartungen an das Ergebnis waren recht hoch. Gerade jetzt, wo ein wenig Normalität zurückkehrt und die Clubwelt ein wenig aufatmet, wäre doch ein ekstatisches, wildes, euphorisches Stück nach der monatelangen Feierpause so angebracht gewesen. Man sah die hochgereckte Faust hinter dem DJ-Pult und die hüpfende, ravende, motivierte Menge schon vor sich.

Was Väth und Tresher allerdings abliefern, ist ein Track, von dem ich behaupten mag, dass wirklich JEDE Meditations-CD aus den Neunzigern mehr Abfahrt und Feierei bietet. Wir hören Big-Schnarch-Room-Tech-House mit lahmem Babba-Gesülze und -Geraune.

Ein weiterer Tiefpunkt in einer Reihe von Tiefpunkten. Von den Lyriks her ist das nahe am Schlager dran. Ohne die Vocals (es gibt einen Dub-Mix) tönt es beliebig wie der Musikgeschmack von braven Bausparern im Ibiza-Urlaub und mutig wie ein Auftritt von Massengeschmack-Künstler X im Fernsehgarten. Stilistisch wirkt „Feiern“ eher wie aus 2006 als aus 2021. Schade, denn gerade von Gregor Tresher kennt man viel bessere Stücke. Wer soll nun dazu feiern? Ein kluger Kollege sprach resigniert: „Wenn das auf den Partys abgeht, will ich nie wieder auf Partys.“

Biedert sich der Väth an jüngere Generationen heran? Doch deren Sound ist längst innovativer, ungezügelter, als es diese Produktion leisten kann. „Feiern“ wird natürlich all jene gut bedienen, die kritiklos wirklich alles bejubeln, was vom Sven kommt, die druffen Zeitgenossen sowieso, die Musik lieber als gleichmäßigen Hintergrundsound ihres Rausches haben. Die Floors kann Sven Väth auch weiter füllen, doch spannende Musik findet längst anderswo statt. Auf das Album bin ich dennoch, die Hoffnung stirbt zuletzt, gespannt. 0 Points (BS)

 

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