Gemeinhin sind es die Debütalben, die schlicht den Künstlernamen im Titel tragen. Bei Jamie Lidell verhält es sich – wie wohl so oft in seinem bisherigen Musikerleben – anders. “Jamie Lidell” ist das mittlerweile fünfte Studioalbum des gebürtigen Briten, das am 15.02. auf Warp Records erscheinen wird. Hierfür hat er sich – nach zahlreichen Kollaborationen in der jüngeren Vergangenheit – offenbar mal ganz auf sich selbst konzentiert. Sicher konnte man Lidell noch nie vorwerfen, musikalisch nicht breit aufgestellt zu sein, und auch mit diesem neuen Album gelingt im der Schulterschluss von Funk und House einmal mehr. War schon der Vorgänger “Compass” brilliant, ist “Jamie Lidell” noch ein wenig brillianter. Mensch und Maschine sind bei Lidell im Einklang, und er mit sich und seinem Leben sowieso im Reinen. Privates und Berufliches zu vermischen ist für ihn ein Muss und notwendig, um mit möglichst viel Hingabe bei der Sache zu sein. Wir haben ihn zum neuen Album ebenso befragt, wie zu seiner weiteren Familienplanung in 2013. Und da hat er so einiges vor.
Während du bei “Multiply” mit Leuten wie Gonzales und Mocky und auf “Compass” mit Beck, Feist u. a. zusammengearbeitet hast, entstand “Jamie Lidell” eher im Alleingang. War es dir wichtig, dich nach all den Kollaborationen musikalisch mal wieder ganz auf dich zu fokussieren?
Ich sollte wohl mit dem Märchen aufräumen, dass ich das Album ganz allein aufgenommen habe. Auch diesmal hatte ich wieder einige unglaublich tolle Leute im Studio zur Seite, die mir auf so viele verschiedene Arten geholfen haben. Ich liebe es einfach, mit anderen Menschen zu arbeiten. Jeder, der in der Lage ist, meine Zwanghaftigkeit zu ertragen, ist eine mutige Seele. Meine Frau ist zum Beispiel die wichtigste Person auf dieser Platte. Sie hat mir mit vielen Worten, Sounds, dem ehrlichsten Feedback von allen, jedem Lächeln und jeder Umarmung geholfen. Besser hätte ich es wohl nicht treffen können. Ich habe keine ‚großen‘ Namen auf dem Album, das ist richtig. Aber alle Leute, die mir geholfen haben, sind groß in meiner ganz eigenen Welt. Nicht zuletzt Justin Stanley, der zwischen dem Lidell Home Studio in Nashville und seiner Arbeit für keinen Geringeren als Prince hin- und herswitchte.
Und trotzdem heißt das Album schlicht “Jamie Lidell”, vielleicht, weil noch mehr Lidell drin steckt als zuvor?
Es ist halt viel mehr “all round”. Ich habe Funk hinzugefügt, das Raue von Super_Collider mit dem Fokus und der Struktur aus “Multiply”- und “JIM”-Zeiten, das habe ich dann alles freestyle-mäßig zusammengeführt. Ich habe das Glück, Musik nach wie vor so zu lieben. Ich wache immer noch auf und bin ganz aufgeregt, weil ich etwas Neues mache. Etwas, das mich selbst herausfordert, noch besser zu werden. Es zu versuchen. Ich denke, diese Platte ist eine echte Lidell-Erfahrung. Es hat mich einige Zeit gekostet …
“Jamie Lidell” ist ein Stück weit elektronischer, was ein wenig verwundert, wenn man weiß, dass es in Nashville aufgenommen wurde – der Wiege von Country und Rhythm and Blues. Wie kam es dazu, und wie sehr hat es den Sound auf dem Album beeinflusst?
In New York zu leben, war unglaublich und frustrierend zugleich. Für einen Musiker braucht es Glück, Reichtum oder beides, um in NYC aufzufallen. Ich hatte eine harte Zeit dort, als ich Musik machte, denn mein Nachbar konnte jedes Atmen von mir hören. Meine Frau und ich fühlten uns wie Gefangene in unserem eigenen Apartment. Es wurde alles ein wenig zu eng, und so war bald klar, dass wir mehr Raum für uns brauchten. In Nashville gibt es davon jede Menge, es ist warm und es leben dort gute Leute. Und es befindet sich alles im Wachstum.
Wie schaut es derzeit mit deiner Zusammenarbeit mit Cristian Vogel und eurem Projekt Super_Collider aus? Findet dort noch etwas statt?
Im Moment nicht. Ich vermisse ihn dort in Berlin. Ich liebe es, mit ihm einfach mal ein Bier trinken zu gehen. Das ist immer der erste Schritt in Richtung einer neuen Super_Collider-Platte.
Gibt es sonst Pläne für Kollaborationen im neuen Jahr oder wirst du dich lieber weiterhin auf dich selbst konzentrieren?
Ich bin auf dem kommenden Tensnake-Album zu hören, ebenso auf dem von Brandt Brauer Frick. Ich habe einen Song mit den Jets aufgenommen und noch ein paar andere tolle Sachen, wie eine Nummer mit Atom Heart. Ich bin sehr froh darüber, in so viele Dinge mit so coolen Künstlern involviert zu sein. Ein Studio daheim zu haben, macht einen großen Unterschied. Ich habe während der Aufnahmen für mein eigenes Album noch zwei volle LPs für andere Artists produziert. Eins für Peagsus Warning und eins für Ludwig Persik. Big stuff! Unbedingt googlen.
Du hast immer wieder mit vielen tollen Künstlern in der Vergangenheit gearbeitet. Bleiben da noch Wünsche offen, zum Bespiel Leute, deren Musik du im letzten Jahr erst entdeckt hast?
Defintiv. Ich möchte damit beginnen, mehr zu produzieren. Da kommt eventuell einen Kollaboration mit Jack White auf mich zu – nein, das ist nur ein Scherz, aber er lebt immerhin auch in Nashville. (lacht) Azealia Banks ist super. Ich möchte sie unbedingt rappen hören. Im Moment aber höre ich sie singen. Großartig verspielter Stil. Ich hoffe, sie behält das bei und hält ihre Musik so frisch. Es gibt so viele gute Musik da draußen. Ich hoffe, zukünftig auf Tour wieder viel davon mitzubekommen.
Tour ist ein super Stichwort. Auch mit “Jamie Lidell” geht Jamie Lidell ja sicher wieder auf die Bühne. Was können wir erwarten? Jamie Lidell live und pur? Oder bist du lieber mit Band unterwegs?
Ja, solo, Baby! Die Live-Show ist noch in Arbeit, während wir sprechen. Ich bin dabei, eine coole, interaktive Audio/Visual-Party aufzubauen. Betonung auf Party! Diesmal könnt ihr euch den Arsch abtanzen. Looping, scooping and hoola hooping. Ich mag das alles. Wenn ich solo unterwegs bin, wünsche ich mir, eine Band dabei zu haben. Und wenn ich mit Band unterwegs bin, wäre ich lieber allein. Tja, so bin ich.
Sonst noch irgendwelche Pläne für 2013?
Ich möchte wirklich gern mit meiner Frau Urlaub machen und nicht so
viel arbeiten. Vielleicht Babys machen? Zur Hölle, ja!