Junior Boys – Audiophile Perfektion

Die Junior Boys – das sind Jeremy Greenspan und Matt Didemus – kehren mit ihrem nunmehr sechsten Album „Waiting Game“ auf City Slang zurück, für das sie sich von ihrer druckvollen, R&B-lastigen Dance-Melodik abwenden und stattdessen einer zärtlichen, kontemplativen Stimmung widmen. Ohnehin haben die Junior Boys für den Nachfolger von „Big Black Coat“ (2016) eine ganze Reihe an neuen Ansätzen gewählt, über die wir mit Greenspan gesprochen haben. Eine große Rolle spielt dabei auch der Bau eines neuartigen, nie dagewesenen High-End-Studios …

„Ich habe nicht allzu viele Erwartungen an mich selbst. Ich versuche, ein gesundes Maß an Distanz zur geschäftlichen Seite der Musik zu halten und überlasse das der Plattenfirma, der ich vertraue, aber es war ein echtes Vergnügen, das Album zu machen, wahrscheinlich das angenehmste Album seit vielen Jahren“, erklärt Greenspan eingangs. In der Tat ist „Waiting Game“ ein überaus stimmiges Hörvergnügen, das seinen angenehmen Vibe insbesondere dem innovativen Produktionsprozess zu verdanken hat: „Ich habe etwas gemacht, das ich ,periphere Musik‘ nenne. Ich habe im Grunde eine Menge Material aufgenommen und dann viele kleine Details in die Mischungen eingebracht, aber bei sehr geringer Lautstärke, sodass es kleine Funken gab, die der Hörer kaum hören konnte. Der Effekt hat mir sehr gut gefallen. Ich habe das Album auch auf Band abgemischt, was für mich etwas Neues war und mich dazu zwang, eine Menge Mischentscheidungen zu treffen, die viele der Tracks leiser machten, als ich es normalerweise getan hätte.“

Und dann wäre da noch das neue High-End-Studio, das eigens für „Waiting Game“ vom amerikanischen Ingenieur Lou Clark konzipiert wurde und über das Greenspan sagt: „Das ist das beste Equipment, das du je haben wirst.“ Wir waren neugierig und haben nachgefragt: Was genau wurde dort gebaut und warum war es für die Produktion des Albums so essenziell? Der Kanadier erklärt: „Ich hatte die Gelegenheit, ein altes Gebäude zu einem neuen Aufnahmestudio zu renovieren, und so habe ich etwas Aufwendigeres gebaut, als ich mir jemals hätte träumen lassen. Verglichen mit Multimillionen-Dollar-Studios ist es sicherlich nicht besonders schick, aber es ist mit mehr Liebe zum Detail gebaut als alles, was ich mir je hätte vorstellen können. Da ich nicht viele akustische Instrumente aufnehme, konnte ich die Kosten für aufwendige Aufnahmeräume zugunsten eines erstaunlichen Misch- und Abhörraums einsparen. Die Fähigkeit, Dinge mit dieser Klarheit zu hören, wurde zur Hauptinspiration. Audiophiler Sound ist ein schwieriges Thema, weil er oft viel Geld erfordert, aber in Wirklichkeit machen selbst kleine Verbesserungen der Art und Weise, wie man Musik hört, einen enormen Unterschied, wie begeistert man als Hörer und Schöpfer ist.“

Es heißt, Greenspan und sein kongenialer Partner hätten fast sechs Monate gebraucht, um sich an all die neuen Geräte und Bandmaschinen zu gewöhnen. Für den Geej-Labelgründer ganz sicher kein Hindernis: „Ich war nie ein Schnelllerner in Sachen Produktion. Ich habe seit meinem ersten Studiojob im Jahr 1996 in irgendeiner Form als Musikproduzent/Tontechniker gearbeitet, was eine lange Zeit ist. Ich habe hart daran gearbeitet, aber ich war nie ein absolutes Naturtalent. Jetzt bin ich endlich an einem Punkt angelangt, an dem ich das Gefühl habe, dass ich bereit bin, die Dinge zu verlernen. Es ist ein Klischee, dass man etwas erst beherrschen muss, bevor man die Regeln vergessen kann, aber da ist etwas Wahres dran. Ich fühle mich jetzt als Musikproduzent sehr befreit, weil ich mich nicht mehr wie ein Anfänger fühle.“

Dass Greenspan und Didemus wahrlich keine Anfänger sind, beweist uns indes der hochkonzeptionelle Ansatz des Albums, für den die Junior Boys den Gesprächen zufälliger Leute lauschten. So stammt etwa der Text von „Samba on Sama“ aus einer Konversation zwischen „zwei seltsamen Fremden“ an einer Brücke in einem Industriegebiet von Hamilton, die um ein Feuer im Schnee kauerten. Das mag zunächst banal klingen, verleiht „Waiting Game“ aber eine ungeheure Raffinesse und Plastizität. Abschließend bleibt wohl nur zu sagen: Das Warten hat sich gelohnt.

„Waiting Game“ ist am 28. Oktober via City Slang erschienen.

 

 

Aus dem FAZEmag 129/11.2022
Text: scharsigo
www.juniorboys.fm