Klaas: Clubsound made in Germany – since 2006

Denkt man an Konzeptalben, denken vor allem die alten Hasen unter euch an Longplayer wie „The Wall“ von Pink Floyd, „Équinoxe“ von Jean-Michel Jarre oder „Love Symbol“ von Prince. Den Jüngeren kommt „Planets“ von Jeff Mills in den Sinn. Heutzutage gelten Konzeptalben eher als Rarität, als Geheimtipp, als Nischenprodukt. Einfach nur Track an Track aneinander reihen – das war dem Kölner DJ und Musikproduzenten Klaas Gerling alias KLAAS zu stupide. Er erkannte die Zeichen der Zeit, tüftelte, brainstormte und grübelte, wie er ein zeitgemäßes Konzeptalbum gestalten könnte. Ergebnis: „Klaasics“. Ein Zwei-Disc-Set, bestehend aus Eigenproduktionen und Coverversionen (CD 1) sowie einem DJ-Mix (CD 2). Release-Date: 29. Januar 2021. Wenn das mal kein Grund ist, dem sympathischen Kreativkopf ein paar Fragen zu stellen.

 

Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag, den du am 3. Januar gefeiert hast! Und mit deinem neuen Album hast du dir selbst das schönste Geschenk gemacht. Der Albumtitel ist so brillant wie einfach. Welches Konzept steckt hinter „Klaasics“?

Danke! „Klaasics“ ist tatsächlich mein erstes Album, obwohl ich seit 2006 Singles release. Ich wurde von Hörern sehr oft nach einem Album gefragt. Nun ist es endlich da. Es enthält überwiegend neue Titel.

 

Wie bist du bei der Track-Auswahl vorgegangen?

Ich wollte eine Mischung aus meinen persönlichen Favoriten und den erfolgreichen Songs der letzten Jahre. Das überschneidet sich zwar oft, aber nicht immer.


Tracks covern – das ist rechtlich nicht immer ganz einfach. Gab es andere Songs, die du gerne geremixt hättest, wo es jedoch an den Rechten scheiterte?

Ich glaube, man braucht viel Geduld bei der Organisation eines Cover-Releases. Das Schwierigste ist für mich das Warten über Monate auf die Freigabe. Ja, es gibt einige meiner Cover-Demos, bei denen ich eine Absage von den Urhebern bekam und der Traum eines Remakes platzte.

 

Es liegt absolut im Trend, 20 bis 30 Jahre alte Scheiben dem heute aktuellen Sound anzupassen. Wie bist du bei der Produktion vorgegangen: Wolltest du möglichst viel Originalerhaltenes einbauen oder nur minimale Wiedererkennungsmerkmale generieren?

Ich versuche, beim Covern einen gesunden Mittelweg zu finden. Die Alleinstellungsmerkmale des Originals versuche ich zu erhalten und mit meinen Sounds und meinem Stil zu kombinieren. Jedoch habe ich keine Faustformel, denn jeder Song hat verschiedene Eigenschaften, die ganz eigene Probleme beim Kombinieren mit meinem Stil hervorrufen. Akkordfolgen und Gesangsmelodien ändere ich bewusst nicht oder nur minimal, Rhythmen und Sounds jedoch oft sehr stark. Arrangements muss ich meist ändern, um die Produktion an die heutige Zeit anzupassen und überhaupt erst mit meinem Stil kombinierbar zu machen.

 

Der Kultklassiker „Children“ (im Original von Robert Miles) entstand in Kooperation mit Dimitri Vegas‘ Ehefrau MATTN und dem amerikanischen House-DJ Roland Clark. Wie kam es zur Zusammenarbeit und wer hat welchen Part bei der Produktion übernommen?

 

Die Idee stammt von Dimitri Vegas. Er fragte mich, ob ich für MATTN und mich ein Remake in meinem Stil produzieren könnte. Ich bin Fan des Originals von Robert Miles und habe es allein geremixt, gemischt und gemastert. Nachdem schon einige meiner Remixe für Dimitri Vegas auf seinem Label erfolgreich waren, hatte er vollstes Vertrauen in meine Arbeit und lieferte mir erstklassige Vocals von Roland Clark. Die gesamte Produktion war also mein Part, jedoch tausche ich mich während des Prozesses viel mit Dimitri über Demo-Snippets aus.

 

Push The Feeling On“ von The Nightcrawlers war Mitte der 1990er-Jahre eine der Clubhymnen schlechthin. Gibt es auch Nummern, die du nicht remixen würdest, weil du sagst „Das Original ist unschlagbar – davon muss man die Finger lassen“?

Es gibt viele Nummern, die ich nicht remixen würde. Die Gründe sind dann aber andere, wie z.B. dass das Tempo nicht passt, ich es kaum für kombinierbar mit meinem Stil halte, es zu cheesy ist oder mir schlicht nicht gefällt. „Unschlagbar“ ist denke ich jeder Hit auf seine Weise. Meine Remixe werden nicht von mir gemacht, um das Original zu schlagen, sondern es neu und zeitgemäßer zu interpretieren. Da „Push The Feeling On“ schon damals eine Club-Nummer war, habe ich hier nur wenig geändert, aber bei Sounds und Drums viel optimiert und das Arrangement zeitgemäßer gemacht. Wer das Original liebt, hunderte Male hörte und damit z.B. Jugenderlebnisse und Club-Erinnerungen verbindet, wird wahrscheinlich meine Version eher abstoßend finden. (lacht) Das ist völlig in Ordnung. Mir geht es auch oft so, wenn ich zum ersten Mal eine Cover-Produktion eines Kollegen höre.

Nun ist es so, dass du aber nicht nur Coverversionen auf deinem Album hast, sondern auch etliche Eigenproduktionen. Die Mischung macht’s?

Genau! Beides hat für mich seinen Reiz.

 

OK Without You“ ist eine deiner neuesten Singles. Und die war enorm erfolgreich. 35 Millionen Streams auf Spotify, 30 Millionen auf YouTube. Nun bist du ja auch in der Zeit aufgewachsen, in der Tonträger noch haptisch verkauft wurden. Sehnst du dich nach dieser Zeit zurück? 30 Millionen Singleverkäufe wären doch was …

2007 konnte ich erstmals von meiner Musik leben. Und erinnere mich noch sehr gut daran, wie der Electro-House-Markt damals lief. Da ich eher nach vorne blicke, habe ich mich nie zurückgesehnt – auch nicht auf Durststrecken zwischen 2012 bis 2015. Ich kann zwar an der Stelle nur für mich selbst sprechen, aber ich kann mich derzeit mit über fünf Millionen monatlichen Spotify-Hörern nicht über das moderne System des Streaming-Marktes beschweren. Er meint es scheinbar derzeit sehr gut mit mir. Und meine Arbeit rechnet sich.

 


Mit welcher Hard-/Software produzierst du deine Musik und welche Technik benutzt du bei deinen Live-Performances als DJ?

Ich produziere mit Cubase 11, Plug-ins wie Avenger, Massive, Absynth, Nexus, Fabfilter, Cableguys etc. Bei Auftritten lege mit dem üblichen Pioneer-DJ-Equipment auf.

 


Wie wichtig sind die sozialen Medien für dich und wie ausführlich kommunizierst du mit deinen Fans auf Facebook, Twitter & Co.?

Ich poste nicht allzu viel, aber ich kommuniziere sehr ausgiebig, beantworte viele Kommentare und fast jede PM. Es kostet viel Zeit, aber der Kontakt zu den Hörern und Kollegen ist mir wichtig.

 

Zurück zur Musik. Welche DJs, Bands etc. haben dich inspiriert, ebenfalls im Musikbusiness Fuß fassen zu wollen?

Als ich von ca. 1998 bis ca. 2005 in den Kölner Clubs feiern war, wurde ich von ganz verschiedenen Stilen geprägt. Meine Liebe zum Techno und zu Trance hört man zwar nicht mehr wirklich aus jeder meiner Produktionen heraus, aber die Zeit hat mich sehr geprägt. Armin van Buuren z.B. finde ich nach wie vor stark, die ganz alten Produktionen von damals jedoch mehr als die neuen. Als ich mich 2006 auf marktfähige eigene Songs konzentrierte, war mir das Wichtigste, einen eigenen Stil zu entwickeln.


Kurz & knapp:


Meine erste Platte war …

… ein Album von Bon Jovi, da ich damals Schlagzeug spielte und Rock- und Pop-Fan war.


Infinity“ war im Jahr 2008 für mich …

… wie „An der Nordseeküste“ von „Klaus & Klaus“. Man wird es nie mehr los! Aber im Ernst: Es war wohl der größte Karrieresprung, den ich in meinem Leben hatte oder haben werde. Ich war zwar vor „Infinity“ auch schon als DJ bis nach Australien gebucht worden, aber noch auf einem anderen Level.


Mit ihm/ihr würde ich gerne einmal im Studio zusammenarbeiten:

Armin van Buuren, Sia, Axwell. Bestimmt noch einige mehr.


Das Jahr 2020 war für mich …

… manchmal langweilig, aber sehr erfolgreich in Sachen Spotify.


Meinen letzten Auftritt hatte ich …

… auf dem Parookaville Festival.


Corona hat mich dahingehend beeinflusst, …

… dass ich gemerkt habe, wie enorm verschieden Freunde und Bekannte ticken, ohne es vorher bemerkt zu haben.


Wenn Corona vorbei ist, …

… gehe ich in einen Techno-Schuppen und genieße zahlreiche Biere …

Weitere Infos findet ihr auf www.klaas-music.de.

 

 

Aus dem FAZEmag 108/02.2021
Text: Torsten Widua
Fotos: Philipp Ständer