Knöpfchendreherei im August

Hallo und herzlich willkommen zur neuen Episode der Knöpfchendreherei. Nachdem wir euch in der letzten Ausgabe dank der Superbooth mit neuen Geräten überschüttet haben, wollen wir die wunderbare Welt der modularen Synthesizer-Welt mal wieder ein bisschen psychologischer beleuchten. Jeder von euch, der ein paar Module und Klangerzeuger zu viel im Rack hat, kennt es. Die Fülle kann schnell überwältigend sein. Wie behält man den Überblick und findet den Weg zum kreativen Arbeiten in der unendlichen Vielfalt an Möglichkeiten? Wie gelingt der Spagat, aus fünf verschiedenen Hall- und Delay-Pedalen genau das richtige einzusetzen, ohne dabei komplett zu verzweifeln?

Fangen wir mal ganz vorne an. Wo liegt eigentlich der Reiz des Modularen? Modulare Synthesizer zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus verschiedenen, frei kombinierbaren Modulen bestehen. Jedes Modul hat eine spezifische Funktion, wie etwa Oszillatoren, Filter, Hüllkurven oder LFOs (Low-Frequency Oscillators). Diese Module werden mit Patchkabeln verbunden, wodurch ein individuelles Klanggebilde entsteht. Das Eurorack-Format ist heute das am weitesten verbreitete Format für modulare Synthesizer. Es bietet eine immense Vielfalt an Modulen von unterschiedlichsten Herstellern. An manchen Tagen weiß man nicht, mit welchem Modul oder Klangerzeuger man beginnen soll. Wir haben ein paar Tipps für euch zusammengestellt, wie ihr die Übersicht bewahrt:

  1. Struktur und Planung: Bevor man mit dem Patchen beginnt, ist es hilfreich, sich ein klares Ziel zu setzen. Welche Art von Sound oder Song möchte man erzeugen? Eine grobe Skizze oder ein Plan kann helfen, die richtigen Module auszuwählen und fokussiert zu bleiben.
  2. Beschränkung als Kreativwerkzeug: Es kann sinnvoll sein, sich selbst Einschränkungen aufzuerlegen. Anstatt alle Module zu nutzen, wählt man nur eine Handvoll aus und arbeitet ausschließlich mit diesen. Diese Selbstbeschränkung fördert die Kreativität und hilft, den Überblick zu bewahren.
  3. Kategorisierung und Dokumentation: Eine klare Kategorisierung der Module nach Funktionen und eine sorgfältige Dokumentation der Patches können enorm hilfreich sein. Viele Musiker führen Notizen, um ihre Patches festzuhalten. Dies erleichtert das spätere Reproduzieren und Variieren von Klängen.
  4. Regelmäßiges Ausmisten: Es kann nützlich sein, das eigene Modul-Setup regelmäßig zu überprüfen und auszumisten. Module, die selten genutzt werden, können vorübergehend aus dem Rack entfernt werden, um Platz für neue, inspirierende Module zu schaffen.
  5. Inspiration durch Limits: Ein gezielter Verzicht auf manche Module oder Funktionen kann neue kreative Wege eröffnen. Begrenzungen zwingen dazu, vorhandene Ressourcen intensiver zu nutzen und neue Lösungswege zu finden.

Der Schlüssel liegt darin, Geduld zu haben und den kreativen Prozess zu genießen. Modulare Synthesizer sind Werkzeuge der Entdeckung und des Experimentierens. Sie bieten eine einzigartige Möglichkeit, tief in die Welt der Klänge einzutauchen und dabei immer wieder Neues zu entdecken. Ein guter Tipp für Beginner*innen ist das Verwenden eines semi-modularen (in sich vorgepatchten) Moduls. Von der Firma Intellijel erschien gerade mit Atlantis die vielleicht beste Synthesizer-Stimme, die je erschienen ist.

Rolands legendärer SH101 nachempfunden bekommt man hier ein umfangreiches Modul samt 2 VCOs, Filter, Envelope-Generator, VCA, LFO und vielem mehr. Mit einem Gate-Signal und einer V/Oct-Tonhöhe kann man hier direkt einsteigen, ohne weitere Patchkabel zu stecken. Großen Spaß macht uns auch immer wieder, die Verbindung zwischen analoger und digitaler Welt herzustellen. Zum Aufnehmen von Sequenzen und weiterem Bearbeiten macht es ohnehin Sinn, eine DAW parallel zum Modularsystem zu betreiben.

Mit der richtigen Clock wird auch ein hybrider Jam zum absoluten Hochgenuss. VST-Drum-Designer wie z.B. der Visco von Forever 89 eignen sich hervorragend, um das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen. Visco klingt dabei einfach ultrafett und hebt die Drum-Modellierung auf ein neues Level.

Auf einem 2D-Raster findet ihr euren Sound als flüssige Darstellung, die sich mit Hilfe von verschiedenen Tools wie z.B. einem Radierer oder Magneten verformen lässt. Die superaufgeräumte Oberfläche bietet viel Platz für sämtliche Modulationen. Gut klingende Effekte wie Delay, Reverb und Co. sind auch an Board. Durch die Möglichkeit, eigene Samples einzuspeisen, wird euch hier ganz sicher nicht langweilig. Spätestens, wenn man auf den Würfel klickt und von der Random-Funktion regelrecht überfahren wird.

Fazit

Die Welt der Möglichkeiten ist faszinierend und vielfältig. Sowohl das Eurorack-System als auch hybride Setups bieten immense kreative Möglichkeiten. Doch um in diesem Meer aus Klangoptionen den Überblick zu behalten, sind Struktur, Planung und bewusste Beschränkung entscheidend. Mit diesen Ansätzen lässt es sich befreiender an den vielen Knöpfchen herumdrehen. Bis zum nächsten Mal!

Aus dem FAZEmag 150/08.2024