Kompakt Total – Terranova & Michael Mayer

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Nach einer Pause im vergangenen Jahr kehrt eines der traditionsreichsten Labels unseres Landes mit der nunmehr 14. Ausgabe der renommierten „Total“-Reihe zurück. Darauf vertreten sind neben den bekanntesten Nummern der letzten Wochen und Monate auch zahlreiche unveröffentlichte Tracks aktueller Kompakt-Acts. Nimmt man die Bedeutung von Kompakt in diesem elektronischen Zirkus in die Wertung sowie das hohe Qualitätslevel, das nun schon über Jahre hinweg von der Domstadt aus den Rest der Welt erreicht, zählt diese Kopplung zu den wichtigsten des Jahres. Man denke nur an all die wegweisenden Releases der ewig langen Label-Historie. The Modernist 1999 mit „Explosion“, die gesamte Speicher-Serie, Fehlmanns „Honigpumpe“ in 2007 und Gui Borattos Album aus 2009. Oder die überaus erfolgreiche „Pop Ambient“-Reihe. Kölschs Durchbruch vor vier Jahren – die Diskografie des Kölner Imprints ist lang, sehr lang. Darunter unvergessene Tracks, die Clubgänger dieser Tage noch immer im Ohr liegen.

Und nach wie vor wird die Szene mit dem Kölner Output immer wieder aufs Neue beeinflusst und geprägt. International genießt das Brand seit Jahren einen ausgezeichneten Ruf. Und so wurde im Laufe der Zeit aus einem Label ein großes und gut geöltes Zahnrad – bestehend aus Plattenladen, Vertrieb und Booking-Agentur. In diesem Jahr hört der geneigte Kompakt-Fan auf „Total 14“ Stücke von Thomas Fehlmann, Maceo Plex, DJ Tennis (feat. PillowTalk), GusGus oder natürlich den beiden Köpfen Michael Mayer und Wolfang Voigt. Dies alles sind Gründe für uns, die Story zu unserem Download-Mix nicht wie gewohnt nur mit einem Künstler zu führen. Das Rennen haben Terranova – die den Mix ablieferten – und Kompakt-Mitbegründer Michael Mayer gemacht. Während Mayer im Kölner Headquarter für viele Dinge hinter den Kulissen verantwortlich zeichnet, veröffentlichten Terranova – das Projekt von Fetisch Bergmann und &Me – 2012 ihr aktuelles Album „Hotel Amour“ auf Kompakt. In den letzten zwei Jahren erschienen darüber hinaus die „Painkiller“- und die „Headache“-EP.

TERRANOVA (Fetisch)

Auf der „Total 14“ ist auch ein Track, den du mit Catch Coffey gemacht hast. In einem Interview mit dir habe ich gelesen, dass du das Gefühl hast, bei Kompakt „gelandet zu sein“. Wie ist generell deine Beziehung zu Kompakt und deine Geschichte zum Label? Wie waren deine Anfangszeiten dort bzw. wie entstand überhaupt der Kontakt?
Angefangen hat unsere Zusammenarbeit mit einem Anruf von Michael Mayer. Er hatte damals „Paris Is For Lovers“ auf unserem MySpace-Account gehört und wollte den Track unbedingt auf Kompakt veröffentlichen. Seitdem kann ich mir – ehrlich gesagt – kein anderes Label mehr als Zuhause vorstellen. Dabei habe ich weiß Gott wie viele kennengelernt. Kompakt ist solide, zuverlässig, visionär, vielfältig, professionell und unabhängig. Das alles sind Faktoren, die das ganze familiär machen.

Was waren für dich die wichtigsten Releases des Labels, und was zeichnet Kompakt für dich aus?
Das ist schwer zu beantworten, denn der Katalog ist so immens vielfältig und groß. Im FAZEmag Download-Mix konnte ich daher auch nur einen Bruchteil meiner Favoriten unterbringen. Der erste Kompakt-Track, der mich wirklich umgehauen hat, war damals „Shelter“ von Justus Köhncke. Aber nicht nur die eigenen Releases oder Serien wie Speicher finde ich phänomenal – die Labels, die von Kompakt vertrieben werden, gleichen ebenfalls diesem hohen Standard. Zeitlos und brutal gut.

Das Projekt Terranova gibt es nun seit 1996. Seit 2007 gehört &Me dazu. Wie verläuft die Arbeit bei euch im Studio ab? Wer ist für welchen Part verantwortlich?
André ist für Ruhe verantwortlich, während ich für Panik stehe. Ansonsten werfen – oder schießen – wir uns die Bälle in einem guten Tempo zu. Zum Teil arbeiten wir alleine, dann auch mal gemeinsam. Die Chemie passt perfekt, anders wäre er nicht über so einen großen Zeitraum Teil dieses Projektes. Bis dato sind wir am Ende des Tages immer auf einen gemeinsamen Nenner gekommen. Und genau darauf kommt es an.

Wie würdest du die Entwicklung – auch Soundtechnisch – von Terranova seit der Entstehung bis heute sehen?
Definitiv als Kreis. Angefangen hatte ich mit einer House EP auf Warlock Rec., anschließend Leftfield Electronic Music, zum Teil sehr sehr langsam. Seit einigen Jahren und nach Sub-Projekten wie Lotterboys auf Eskimo, Lottergirls auf Ministry oder aber auch Fetisch&Me auf Gigolo, sind wir nun erneut bei House angelangt. In dieser Zeit habe ich in Sachen Sound stets das gemacht, wonach mir gerade war. Denn nur so, kann Qualität auch nachhaltig funktionieren.

Ich habe ein sehr interessantes Interview von dir und Westbam gelesen, in dem ihr u.a. über Berlin, die Punkbewegung und die Bedeutung der Stadt für euch berichtet. Du hast darüber hinaus auch in New York und London gewohnt. Wie siehst du persönlich, als Berliner Ur-Gestein, die Entwicklung der Stadt, und wohin geht die Reise deiner Meinung nach für dich als Künstler?
Das Leben hier in Berlin ist gut für mich. Ich habe ein gutes Netzwerk von Freunden. Was allerdings die urbane Entwicklung Berlins als Metropole betrifft, sehe ich ziemlich schwarz. Investoren und Politiker zerstören mit aller Gewalt was diese Stadt spannend gemacht hat.

Was genau meinst du damit?
Es leben zum Teil noch immer großartige Musiker und Künstler hier, und es gibt auch noch ein paar tolle Clubs. Allerdings tickt die Uhr ganz laut. Die Bedingungen für solche Leute werden immer schwieriger. Über dieses Thema könnte ich mich seitenweise auslassen, aber das ersparen wir uns. Schließlich möchten wir hier auf eine weitere Edition von Kompakts Total-Reihe feiern, von Leuten die im Gegensatz zu denen da oben, ihr Handwerk in Perfektion beherrschen. Vielleicht ziehe ich einfach nach Köln … (lacht)“

Zurück zur Musik also. Dein letzter Longplayer ist von 2012 …
Das ist richtig. Wir sitzen gerade inmitten der Produktion für den nächsten Longplayer, der nach einer EP gegen Ende des Jahres im Februar 2015 erscheinen soll. Der Titel ist noch geheim, musikalisch steuern wir immer mehr auf reinen Clubsound und weniger Vocals. Neben der Studioarbeit und den DJ Gigs, arbeite ich zur Zeit an einem Soundtrack für einen Kinofilm. Erst vor kurzem ist unser Remix für die Stereo MC’s und ihr „Good Feeling“ erschienen. Ein Remix für eine Kollabo von Iggy Pop und Westbam müsste bald folgen.

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MICHAEL MAYER

Wie seid ihr bei der Trackauswahl zur „Total 14“ vorgegangen, und wie war die Idee in diesem Jahr? Die Serie gilt ja quasi als Flaggschiff des Labels.
Wie jede Ausgabe der „Total“-Reihe besteht auch die 14 zu zwei Dritteln aus den Höhepunkten des vergangenen Kompakt-Jahres und zu einem Drittel aus exklusiven neuen Stücken, die sich dann auch auf der Vinylversion wiederfinden. Die Totals sind so etwas wie ein Jahrbuch, das zugleich einen umfassenden Blick zurück wirft, um der keine Singles kaufenden Welt eine Zusammenfassung zu liefern, sowie ein Blick nach vorne, da wir zum Beispiel mit den tollen Weval auch neue Künstler vorstellen, die bei uns im kommenden Jahr eine grössere Rolle spielen werden.

Wie hat sich die Reihe in eurem Augen seit der ersten Edition verändert und entwickelt?
Optisch vielleicht weniger, musikalisch aber bestimmt. Auch wenn das Spektrum der ersten „Total“ schon recht weit gefasst war, hat sich unser Künstlerstamm und Repertoire über die Jahre doch sehr ausdifferenziert. Da hat von leicht schrulligem Minimalismus eines Tobias Thomas/Michael Mayer Tracks bis zum stadiontauglichen Maximalismus eines Kölsch alles seinen Platz. Und das ist auch gut so.

Wie rekapitulierst du die letzten Jahre bei euch, und welche Entscheidungen waren goldrichtig, welche vielleicht weniger?
Ein Label, das schon so lange aktiv ist wie Kompakt, ist natürlich Schwankungen unterworfen, was das Interesse des geschätzten Publikums anbelangt. Mal ist man gerade out, weil der heiße Scheiß vermeintlich woanders passiert. Dann ist man plötzlich wieder hip und aus dem Geschehen nicht wegzudenken. Damit können wir, denke ich, ganz gut umgehen. Mal trifft man den Zeitgeist, mal eben nicht. Als wir zum Beispiel im Jahre 2009 GusGus unter Vertrag nahmen, wollte die keiner so richtig lieb haben. Fünf Jahre später spielen sie wieder vor ausverkauften Häusern und entern die Charts. Wir denken zeitlos modern, wenn man das so sagen kann.

Ist das der Grund dafür, dass Kompakt nicht wie andere Labels oder Vertriebe vor der Pfortenschließung steht? Wie reagiert ihr auf den Wandel der Zeit, um nachhaltig wirtschaftlich zu bleiben und irgendwann eine „Total 30“ zu feiern?
Unsere Firma befindet sich konstant in Bewegung. Es vergeht kein Jahr ohne größere Umbauten oder Neustrukturierungen. Bei all den Veränderungen und Herausforderungen ist uns aber sehr wichtig, dass wir unserem tollen Team die nötige Sicherheit vermitteln, um in Ruhe arbeiten zu können. In der Ruhe liegt ja bekanntlich die Kraft. Kompakt war schon immer eher eine Firma der langsamen, bedachten Schritte. Wir sind wohl mittlerweile so was wie die Schildkröte unter den Technolabels.

Wie wichtig ist Köln dafür als Hauptsitz für euch?
Sauwichtig. Wir fühlen uns hier pudelwohl.

Du hast eben den generellen Zeitgeist angesprochen. Wie nehmt ihr den Wandel in der Szene wahr, und in welche Richtung bewegen wir uns in euren Augen aktuell? Sowohl was die Plattenindustrie angeht, als auch die Wahrnehmung der Leute dort draußen und die scheinbar immer größer werdende EDM-Welle …
Das faszinierende an elektronischer Clubmusik war ja schon immer die enorme Innovationskraft. Stile werden blitzschnell aus dem Boden gestampft, aufgedröselt, neu verästelt und kreuzüber neu befruchtet, wie ein lebender Organismus, ein Pilzgeflecht unterm Boden. Mit EDM ist nun eine große neue Eiterbeule dazugekommen. Aber auch die wird platzen und durch neue ersetzt werden. Mir fiel leider gerade keine schönere Metapher ein. (lacht)“

Wo positioniert sich Kompakt in der Diskussion, die aktuelle Kommerzialisierung der Szene würde auch für kredibile Imprints ihre Vorteile mit sich bringen?
Vielleicht fallen ein paar von Steve Aokis Kuchenkrümel bei uns unter den Tisch. Ein kleiner Prozentsatz der Kids, die sich das gerade reinziehen, wird vielleicht irgendwann keine Lust mehr haben, ihre „fucking hands in the air“ zu throwen oder „some noise“ zu maken, und die werden dann stattdessen lieber zu einer Dial Labelnacht gehen. Wer weiß? Wichtig ist, dass wir mit dem Fokus bei uns und uns treu bleiben.

Mit Pachanga Boys, Kölsch, GusGus, Blond:ish und Co. beheimatet ihr eine Reihe von derzeit sehr gehypten und fleißigen Acts. Welche bislang eher unbekannten Akteure werden bei euch bald einen ähnlich Weg einschlagen können?
Die bereits weiter vorne erwähnten Weval aus Amsterdam haben ein irres Potenzial. Da freuen wir uns schon auf die ersten Platten. Dauwd aus London geht auch gerade ziemlich steil. Coma haben sich mittlerweile schon eine große Fangemeinde erspielt, da wird aber noch mehr gehen.

Welche Releases stehen in den kommenden Wochen und Monaten an?
Wir schießen derzeit aus allen Rohren. Der Sommer ist mit schwergewichtigen Singles von u.a. Maceo Plex, Blond:ish und Danny Daze ziemlich fruchtbar. Danach gehts dann mit der „Total 14“ und Gui Borattos neuem Album in die Vollen.

Und wann hören wir von dir etwas Neues?
Ja, wie immer kommt das Produzieren bei mir zu kurz. Immerhin hab ich es geschafft, ein paar Remixe einzutüten. Die kommen jetzt alle nacheinander raus… Gui Boratto, Audion, Dreems und Zoot Woman.“

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