Wer sich mit elektronischer Musik auseinandersetzt, der stolpert zwangsläufig auch über Moon Harbour. Das Label wurde von Matthias Tanzmann und André Quaas vor 15 Jahren gegründet und hat sich im Laufe der Zeit zu einer festen Größe im House-Bereich entwickelt. Künstler wie Luna City Express, Sable Sheep, Marco Faraone, Sven Tasnadi, Dan Drastic so- wie die Mitbegründer selbst formten das Leipziger Imprint, doch finden sich heute viele weitere Artists im Labelkatalog wie Re.You, Ekkohaus, wAFF, Steve Lawler, DJ T., Chris Wood & Meat und Butch. Wir haben uns einmal mit Matthias Tanzmann über sein flügge gewordenes Baby unterhalten.
Du hast Moon Harbour zusammen mit André Quaas gegründet. Das war um 2000 herum. Was war die Idee hinter eurem Label?
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Jahre Musik produziert. Das Projekt hieß Gamat 3000, und wir hatten auf Labels wie Dessous Recordings von Steve Bug, Freude am Tanzen oder Lofi-Stereo von C-Rock veröffentlicht. Ich hatte also schon etwas Erfahrung gesammelt und hegte den Wunsch, mein eigenes Label auf die Beine zu stellen. Eine Plattform für eigene Releases zu schaffen, aber auch für die Musik von Freunden. Ich wollte selbst etwas aufbauen und weiterentwickeln. André war zu dieser Zeit einer der Eigentümer der Distillery, dem Club in Leipzig, in dem ich Resident war. Außerdem war er Herausgeber des 1000grad Magazins. Am Silversterabend 1999/2000 haben wir uns dann im Club unterhalten und festgestellt, dass wir beide Lust auf dieses Labelprojekt haben. Wir taten uns zusammen und ergänzten uns in der Tat. André brachte die Kompetenzen mit, was Büroangelegenheiten angeht, und ich, was den musikalischen Part betrifft.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Leuten. Das musste ja gut gehen. Aber wieso heißt denn Moon Harbour nun überhaupt Moon Harbour?
Das ist tatsächlich dem Zufall geschuldet. Wir waren auf Namenssuche, und ich habe mich durch allerlei Texte gekämpft. In einem englischen Artikel fand ich die Wörter, ein paar Zeilen auseinander, und ich habe sie zusammengeschoben. Das hat in diesem Moment für mich einfach gut ausgesehen. Einen inhaltlich tieferen Sinn hat es jedoch nicht. Zu der Zeit haben wir viel Deep House gemacht und das hat insgesamt ein schönes Bild ergeben.
Als Künstler ein Label zu gründen, ist heutzutage ein logischer Schritt auf der Karriereleiter. So macht es zumindest den Eindruck. Wie siehst du das?
Mit einem eigenen Label stellt man auch seine eigenen Kriterien auf für die Musik, die man veröffentlicht. Ich denke, es ist wichtig für viele Künstler, eine eigene Plattform zu schaffen, ein eigenes Kommunikationstool zu haben und das Label in gewisser Weise auch zu einer eigenen Marke zu entwickeln. Die Schwierigkeit, ein eigenes Label an den Start zu kriegen, ist allerdings auch viel kleiner, als es noch vor 15 Jahren der Fall war. Begünstigt durch das Internet und Social Media kann jeder im Handumdrehen ein Label gründen.
Neben Mitbegründer und Aushängeschild bist du auch als A&R für Moon Harbour tätig. Schaffst du es, überhaupt dir all die Demos anzuhören?
Es sind wirklich gigantisch viele, die uns da Tag für Tag erreichen. Das kann man nicht schaffen. Zum Glück hilft mir Dan Drastic diesbezüglich sehr viel im Office. Er trifft eine Vorauswahl und versucht, wirklich alles zu hören. So leid es mir für alle Künstler tut, die sich die Mühe machen, aber es ist zum Teil ein Glücksspiel. Der persönliche Kontakt ist da einfach vorteilhaft, aber das macht es für Produzenten am anderen Ende der Welt natürlich nicht einfacher.
Und als ob ein Label nicht genug wäre, habt ihr 2006 Cargo Edition als Sublabel gegründet. Weshalb diese neue Spielwiese?
Zu dieser Zeit war Daniel Stefanik ganz stark bei uns vertreten, und wir hatten Cargo Edition mit ihm zusammen gestartet. Das lief zunächst auch unter seiner Regie, und er hat dort viel gemacht. Wie das aber im Leben manchmal so ist, trennten sich unsere Wege irgendwann, und das Projekt ist mit der Zeit im Sande verlaufen. Ich hatte das Label zwar unter meine Fittiche genommen, soundtechnisch ging das dann aber immer mehr in die Moon-Harbour-Richtung. Seit einiger Zeit liegt Cargo nun auf Eis.
Apropos auf Eis. Wie sieht es denn mit einem neuen Album von dir aus?
(lacht) Also ich habe immer wieder den Wunsch eines zu machen. Dann setzte ich mich eine Weile hin und sammle Ideen, aber irgendwas reißt mich immer raus. Wenn ich jetzt ganz konkret ein Album angehen würde, dann müsste ich mir auf jeden Fall eine Auszeit nehmen, da ich seit Jahren sehr intensiv toure. Zwar habe ich EPs und Remixe veröffentlicht, aber ein Album ist da nicht möglich, zumindest geht mir das so. Allein schon wegen der Akustik. Im Studio mit richtigen Lautsprechern ist das etwas völlig anderes als im Flugzeug oder im Hotel mit Kopfhörern.
Die sogenannte Szene wandelt sich ja ständig, und immer neue Trends kommen zu Tage. Wie lief das in den letzten 15 Jahren bei Moon Harbour? Wann hattet ihr eurer Hochs und Tiefs?
Anfang der 2000er-Jahre kam der Minimal-Hype. Da hatten wir mit unserem House-Label nicht gerade die „hipste“ Musik. Ein paar Jahre später kam das House-Revival und wir feierten zum Beispiel mit der „Hold Home“ von Santos einen tollen Erfolg. Als Label haben wir versucht, uns nie einem Trend ganz und gar hinzugeben, sondern unser eigenes Ding zu machen. Ich glaube, mit diesem Konzept des Nichtanpassens sind wir gut gefahren. Das Label hat sich solide gehalten. So konnten wir uns auch über die Jahre eine echte Fanbase aufbauen. Trends sind eine schöne Sache, die auch immer eine Bereicherung sind, gerade für mich als DJ. Sie sorgen für die nötige Bewegung in der Musikbranche. Am Ende jedoch sollte sich ein Label treu bleiben könne.
Langfristig gesehen können alle Künstler und Labels von einem Trend profitieren, auch wenn sie sich eigentlich vom selbigen abgrenzen?!
Ich sehe das recht pragmatisch, muss ich sagen. Man sollte sich hier bewusst machen, von welcher Zielgruppe gesprochen wird. Die 16-, 17- oder 18-Jährigen zum Beispiel hatten bisher kaum die Möglichkeit, einen eigenen, echten Musikgeschmack zu entwickeln und sind gerade erst im Einstiegsalter für eine musikalische Bildung. Als ich in diesem Alter war, habe ich auch viel Musik gehört, bei der ich heute die Nase rümpfen würde. So nervig ein Trend auch sein kann, sollte man doch fairerweise sagen, dass er für die Kids von heute eine Chance darstellt, sich an gute elektronische Musik heranzutasten. / Gutkind
Review: V.A. – 15 Years Of Moon Harbour (Moon Harbour)
Aus dem FAZEmag 045/11.2015