Moritz Hofbauer – Emotionen als Schlüssel

Foto: Sandro Stumpf

Mit seinem Debütalbum „A Blurry World“ auf Boris Brejchas Label FCKNG SERIOUS erreicht der Mannheimer Live-Act Moritz Hofbauer den bisherigen Zenit seines Schaffens und präsentiert eine Zwölf-Track-Reise, die von Melodic-House bis hin zu sphärischem Techno führt. Nach einer mehr als einjährigen Produktionsphase mit Blut, Schweiß und Tränen erntet Hofbauer nun die Früchte seiner Arbeit und kann sein atemberaubendes Live-Musik-Spektrum um zusätzliche Facetten erweitern. Bereits mit 15 Jahren veröffentlichte der passionierte Musiker sein erstes Release „In Between“ und setzte somit den Grundstein für eine florierende Karriere, die den 25-Jährigen in aller Regelmäßigkeit rund um den Erdball führt. Wir haben mit ihm über Impressionen und Reflexionen gesprochen, die er in den vergangenen Jahren gesammelt und nun auf „A Blurry World“ vereint hat.  

Hallo, Moritz. Wir hoffen, du hattest ein paar besinnliche Tage. Stehen die DAWs und Geräte an den Feiertagen auch mal still bei dir?

Vielen Dank! Auf jeden Fall. Die Feiertage verbringe ich in meiner Heimat mit meiner Familie und meinen Freunden. Da bleiben die Geräte in meinem Studio in Mannheim stehen. Mir tut es gut, die Tage zu nutzen, um etwas Abstand von der Musik zu haben und den Kopf wieder frei zu bekommen, besonders weil ich gerade erst von einer über vierwöchigen Südamerika-Tour zurückgekommen bin. Die ganzen Eindrücke muss ich erst einmal verarbeiten.

Du sagst selbst, „Ich bin kein DJ!“. Hat dir das herkömmliche DJing irgendwann keinen Spaß mehr bereitet oder wie ist die Liebe zum Live-Musizieren entstanden?

Meine Leidenschaft und mein Fokus lagen schon immer beim Musikmachen im Studio. Das Auflegen diente zunächst mehr dem Zweck, meine Musik im Club spielen zu können. Die Qualität meiner eigenen Produktionen konnte anfangs allerdings nur bedingt mit anderen Tracks mithalten, weshalb ich in den ersten Jahren zur wenig eigene Stücke in meinen Sets spielen konnte. Mit zunehmender Erfahrung wuchs dann auch mein Selbstbewusstsein und die Qualität meiner Songs, sodass ich mich 2020 dazu entschied, fortan nur noch Eigenproduktionen zu spielen. Als Vorbilder haben mir hier Künstler wie Stephan Bodzin, Extrawelt, Stimming und natürlich Boris Brejcha gedient, auf dessen Label FCKNG SERIOUS ich nun seit 2020 vertreten und sehr dankbar dafür bin.

Du scheinst dich dort in der Tat sehr wohl zu fühlen. Warum ist das so ein perfektes Match zwischen euch?

Das Team hat mich von Anfang an in dem Vorhaben unterstützt, ausschließlich Live-Sets mit Eigenproduktionen zu spielen. Generell ticken wir bei FCKNG SERIOUS alle sehr ähnlich und haben sowohl auf Tour als auch abseits der Bühne viel Spaß miteinander. Mit Boris Brejcha um die Welt zu touren – das ist schon krass, da muss ich mich manchmal kneifen.

Kommen wir nochmal zurück zu dir als Live-Künstler. Magst du uns ein paar Einblicke in dein Gear und deine Methoden geben?

Sehr gerne. Mein absoluter Lieblingssynthesizer ist der Prophet 6. Darüber hinaus habe ich hier noch einen Novation Peak, eine Analog Rytm, ein Model D von Behringer und ein paar Effekt-Pedale stehen. Auch wenn ich sehr gerne mit Hardware arbeite, bin ich nicht der Meinung, dass diese in der heutigen Zeit noch notwendig ist, da Plug-ins mittlerweile genauso gut klingen. Hier greife ich sehr gerne auf Soft-Synths wie Diva, Repro von U-he, Serum und die Arturia-V-Collection zurück. Wenn ich einen neuen Track anfange, beginne ich allerdings meistens mit den Geräten, da ich es liebe, mit haptischen Instrumenten herumzuspielen und zu experimentieren – das macht mir einfach mehr Spaß als mit Maus und Tastatur zu arbeiten. Wenn ich einen coolen Sound, Groove oder eine Melodie gefunden habe, nehme ich die Spur einige Minuten lang in Logic auf und drehe parallel an Filtern & Co., um Variationen zu erzeugen. Ich finde das total hilfreich, die Automationen direkt mit aufgenommen zu haben. Für das Mixing und Post-Editing in Logic nutze ich meist die Plug-ins von Soundtoys und Valhalla und für EQ, Compressor und Limiter die Plug-ins von FabFilter.

Primär wollen wir natürlich über dein Debütalbum „In A Blurry World“ sprechen. Welche Bedeutung hat der Titel?

Beim Musikmachen denke ich nicht viel über Namen nach. Meistens kommt das erste Mal beim Abspeichern des Song-Projekts der Punkt, an dem man einen Namen eingeben muss. Meine Lieder heißen dann „coole Kick“, „Bling Sound“ oder „abcde“. Erst vor der Veröffentlichung mache ich mir dann wirklich Gedanken zum Namen. „In A Blurry World“ beschreibt für mich den Zustand, wenn die vielen Eindrücke, die jeden Tag auf uns einwirken, immer mehr werden. Sie lassen unsere Wahrnehmung irgendwann nur noch verschwimmen, und alles was bleibt, sind verblasste Erinnerungen. Wenn ich auf die vielen, vielen Eindrücke im vergangenen Jahr schaue, die ich glücklicherweise erleben durfte, passt dies da irgendwie ganz gut.

Du hast in den vergangenen Jahren verschiedene Singles und EPs veröffentlicht. Ein Album fertigzustellen, ist aber nochmal ein anderes Kaliber. Wie fühlt man sich da? Künstlerisch vollkommen?

Nein, gar nicht. Das Album abzuschließen, war für mich ein etwas hartnäckiger und langwieriger Prozess, und seit es fertig ist, bin ich voller Heißhunger, wieder ins Studio zu gehen, um neue Musik zu machen. Es fühlt sich aber schon wie ein großer Schritt an, da ich mit dem Album endlich mal ein „Big Picture“ meiner Musik präsentieren kann. Es repräsentiert mich als Musiker viel besser als die zerstückelte Veröffentlichung einzelner Songs. Das Album nach über einem Jahr fertiggestellt zu haben, ist schon ein tolles Gefühl. Andererseits bedeutet es auch, dass jetzt wieder Platz für neue Musik da ist.

Dein erstes Release datiert ins Jahr 2015 und liegt somit schon fast neun Jahre zurück. Kannst du uns deinen musikalischen Pfad der letzten Jahre mal ein wenig beschreiben? Was hat sich verändert?

In puncto Soundqualität hat sich meine Musik, denke ich, stark verbessert. Auch die Bühnenerfahrung der letzten zwei Jahre hat sich signifikant auf meine Tracks ausgewirkt. Früher war mein Sound etwas melodischer und verspielter. Ich verlor mich oft in langen Breakdowns, sodass die Kraft im Drop zum Teil abhandengekommen ist. Ich versuche nun, im Arrangement mehr auf den Punkt zu kommen und mich auf die wesentlichen Elemente des Tracks zu beschränken, getreu dem Motto „weniger ist mehr“. Durch weniger Spuren können sich die Instrumente ja auch besser entfalten. Entscheidend für meine künstlerische Entwicklung war aber wohl der Zeitpunkt, als ich mit dem Auflegen aufgehört habe. Seitdem ich mich nicht mehr so häufig mit den Veröffentlichungen anderer House- und Techno-Labels auseinandersetze, hat sich mein Geschmack total verändert und ich höre häufiger andere Genres, die mich beeinflussen.

Ist „In A Blurry World“ ein Spiegelbild dieser Entwicklung oder verkörpert die LP eher deinen neuen Stil? 

Mit „Oneironaut“, „Sleepless Mind“, „Nocturnal“ oder „Take off“ gibt es eine Reihe von Tracks, mit denen ich mich voll identifiziere, das ist exakt mein Sound. Es gibt aber auch Stücke wie „Collapse“, „At Sixes And Sevens“ oder „Last Call“, die weitaus experimenteller sind. Im Großen und Ganzen bin ich meinem Stil aber treu geblieben. Jedes Lied ist für mich immer im Kontext zum Zeitraum der Entstehung zu sehen. Und man entwickelt sich ja immer weiter.

Einige der Tracks sind mit begleitenden Remixes erschienen. „Lost in Complexity“ erhielt gleich drei Stück – von Nusha, Re.You und DJ Lion. Misst du dem Track einen besonderen Stellenwert bei?

Ich mag die Kombination aus meinem melodischen Techno-Sound, den gefühlvollen Vocals von ILAYO und dem melancholischen Klavier, das dem Break eine fast schon poppige Facette verleiht. Ich wollte schon immer mal ein Klavier im Lied einbauen und finde, dass der Gegensatz zwischen Gesang und Klavier im Break und der Bassline im Drop sehr gut harmoniert. Wenn ich das Lied spiele, wirkt das Publikum jedes Mal positiv überrascht, so empfinde ich es jedenfalls. Die Instrumente im Track eröffnen superviele Möglichkeiten, weshalb er sich für verschiedene Remixe angeboten hat. Jeder Artist hat seinen ganz eigenen Stil daraus gemacht. Das gefällt mir sehr.

Emotionen und zum Teil auch Melancholie spielen in deinen Tracks eine tragende Rolle. Kannst du mal versuchen, dies genauer zu erläutern? Was sind das für Emotionen? 

Die stärkste Kraft der Musik ist es, Emotionen hervorzurufen oder auszulösen. Das kann Freude sein, Melancholie, Ausgelassenheit, Ekstase oder was auch immer. Bei mir ist es häufig eine Form der Melancholie, die beim Musikmachen ausgelöst wird. Auf der Bühne wandelt sie sich meist in etwas, das mir sehr viel Energie gibt. Ich habe dann einen ungeheuren Antrieb, wenn ich performe, und merke, dass von den Leuten dieselbe Energie zurückkommt. Das ist schon ziemlich cool.

Dienen deine Emotionen als Grundlage für die Tracks oder lösen die Tracks erst die Emotionen bei dir aus?

Ich denke, dass Emotionen eher unterbewusst als Grundlage für meine Tracks dienen. Meist werden sie erst ausgelöst, wenn ich aktiv musiziere. Wenn ich mal etwas down bin und dann ins Studio gehe, gibt es nichts Besseres, als einfach Musik zu machen. Das gibt mir total viel Kraft zurück und ich bin wieder happy. Manchmal kann es aber auch schön sein, sich einfach mal in der Melancholie zu verlieren.

Du hast es bereits angesprochen: Deine emotionale Ader bringst du bei deinen Gigs immer wieder auf die Bühne. Glaubst du, ohne sie wärst du in der Lage, derart zu performen?

Ich merke schon, dass mir beim Auftritt die Musik extrem viel Energie verleiht. Selbst wenn ich mit Schlafmangel in einen Gig gehe, spüre ich im Moment der Performance nichts davon und kann meinen Kopf von allen anderen Gedanken freimachen. Ich verliere mich dann komplett in der Musik und fühle mich wie in einer Blase.

Deine Tour- und Club-Historie ist mittlerweile ziemlich beeindruckend. Welche Momente sind dir besonders in Erinnerung geblieben?

Die Auftritte in Südamerika waren immer ziemlich außergewöhnlich. Die Menschen dort vermitteln einfach eine unglaubliche Energie voller Emotionen, das ist schon etwas Besonderes. Speziell muss ich da an die Gigs in Santiago de Chile, Brasilien und Lima sowie an meine Headliner-Tour in Argentinien denken. Zu erwähnen ist auch die Bustour mit dem FCKNG-SERIOUS-Team im Frühjahr 2023. Mit der ganzen Crew und einem Nightliner-Bus quer durch die USA bis hoch nach Kanada zu fahren, um in wirklich beeindruckenden Venues zu spielen, das wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Gib uns einen Ausblick auf die anstehende Zeit. Wie geht es bei dir weiter?  

Nach dem abgeschlossenen Album freue ich mich erst einmal sehr, wieder mit frischem Kopf und einem weißen Blatt Papier vor mir im Studio zu sitzen und neue Musik zu machen. Einfach drauf los, ohne festes Ziel. Das macht mir am meisten Spaß. Natürlich stehen 2024 auch wieder eine Menge cooler Auftritte an, darunter eine Tour in den USA und Australien. Ich spiele außerdem beim Ultra Music Festival in Miami und auf dem Cercle Festival. Darauf freue ich mich schon besonders.

„A Blurry World“ ist am 10. November via FCKNG SERIOUS erschienen.

Aus dem FAZEmag 143/01.2024
Text: M.T.
Foto: Sandro Stumpf
www.moritz-hofbauer.com