Novys Welt – Hallo, wie geht’s euch?

Hilfe, er ist zurück. Oh je, was ist nur draußen los? Geht es euch auch so, dass ihr euch immer öfter denkt, die Welt spielt verrückt? Die Menschen spielen verrückt. Alles rast in unglaublicher Geschwindigkeit, und jeden Tag prasseln Tausende von Bildern, Informationen und Nachrichten auf jeden Einzelnen von uns ein. Ich denke immer, es liegt am fortgeschrittenen Alter, aber selbst wenn ich mich mit jungen Menschen über unsere Gesellschaft unterhalte, merkt man schnell, dass auch die Jugend für nichts mehr hat. Was ist passiert?

Man hätte meinen können, dass die Corona-Entschleunigung vielen hätte zeigen müssen, dass weniger oft mehr ist und dass das Leben, so wie wir es gerade angehen, nicht in einer gemeinschaftlichen Gesellschaft funktionieren kann. Ich rase an vielen Tagen durch mein Leben, ohne wirklich zu leben. Ich bin schon lange auf der Suche nach der richtigen Balance. Wie kann man das Leben meistern und dennoch in unserer Gesellschaft mitwirken? Sind es wirklich nur unsere Smartphones, die uns am Ende versklaven? Die unglaubliche Flut an Informationen? Müssen wir wirklich alles wissen, und ist das der neue Maßstab unseres Daseins? Likes, Follower, Stories und Bilder – soll es das sein, was zählt? Ich weigere mich, das zu glauben, und vor allem weigere ich mich, hier mitzumachen.

Meine heutige Kolumne soll zum Diskutieren und Nachdenken anregen. Ich kann ja auch nicht immer nur lästern. Ich bin selbst neugierig, was ihr euch gerade so denkt, über alles Mögliche. Warum ist die Bahn bei uns immer zu spät? Warum ist gerade jedes zweite Lied, das erscheint, ein Remake aus fünf verschiedenen alten Hits? Und warum sind alle Lieder nur noch zwei Minuten lang? Warum ist die Stimmung in unserem Land so aggressiv? Warum ist Ibiza nur noch voller VIP-Areas? Warum kleben sich die Klimaaktivist*innen auf die Straße und ernten damit Ablehnung von allen? Warum versagt unsere Politik auf ganzer Linie? Warum geht es überall nur noch ums Geld? Und warum haben wir uns alle so weit voneinander entfernt? All das sind berechtigte Fragen und kein Geschwurbel. Für jede dieser Fragen kennt jeder von euch bestimmt eine oder mehrere Antworten, und es gibt noch viel mehr berechtigte Fragen.

Ich will allerdings keine Antworten, sondern lieber Lösungen, wie ihr mit all dem in Zeiten wie diesen umgeht. Was ist es, das uns so von der Wahrheit ablenkt? Was ist es, das uns all das täglich ausblenden lässt? Haben wir eine Verständniskrise? Was macht das alles mit euch? Was ist euer Rezept, um nicht komplett durchzudrehen? Wie schaltet ihr ab? Handy aus? Internetprovider kündigen? Keine Nachrichten mehr schauen? Wie haltet ihr eure Balance und wie erlebt ihr diese Welt zurzeit? Was macht ihr anders, und welche Ideen habt ihr? Ich glaube tatsächlich, dass die Gesellschaft gerade ihren eigenen Untergang feiert. Praktisch alles an Werten und Moral wird ausgeblendet. Es geht um das Ego, die Selbstdarstellung, Korruption, Geld und Macht. Jeder mit ein bisschen Grips und vor allem Herz weiß und spürt, dass wir auf dem Holzweg sind, und zwar fast überall. Ich glaube, wir brauchen einen neuen Dialog, ein neues Miteinander.

Man beginnt, neue Skizzen zu zeichnen, ein neues Weltbild. Wir brauchen keine Daten, sondern ein Konzept. Wie können wir die vielen Einzelteile zu etwas Neuem zusammenfügen, das eine Richtung und eine Zukunft hat? Vielleicht brauchen wir eine neue Art des Erzählens. Und zwar nicht über Instagram, Tinder oder über ein sonstiges „soziales“ Portal. Nein, von Mensch zu Mensch. Haben wir jedes Maß an Verhältnismäßigkeit verloren? Technologie verändert die Welt. Unser Bewusstsein muss das aufholen und lernen, damit umzugehen. Es muss die nötige Intelligenz entwickeln, um diese Technologie zu handhaben, ohne sich selbst zu zerstören, siehe KI. Wenn wir das überstehen wollen, glaube ich, dass man sich von einem egozentrierten, materialistischen Weltbild verabschieden muss.

Es geht nicht darum, wer Recht hat und wer nicht. Es geht um die verschiedenen Glaubenssysteme und wie diese sich heute auf unsere Gesellschaft auswirken. Wir stoßen an die Grenzen unserer Ideologien. Es braucht einen neuen Umgang mit der Welt und uns Menschen. Was macht uns glücklich? Was wünscht man sich? Nähe und Vertrautheit, Zugehörigkeit. Mit der Welt verbunden zu sein. Menschen, die einem nahe sind. Begegnung mit anderen. Wir Menschen können sehr egoistisch sein. Das Ego spielt eine tragende Rolle heute. Es sichert unser Überleben, aber das ist ein Teil des alten Bewusstseins, glaube ich. Durch Abgrenzung entstehen Mangel und Unzufriedenheit. Wie können wir dieses Problem lösen? Wir müssen erkennen, dass wir mit der Natur und der Welt verbunden sind, dass wir alle im selben Boot sitzen und auf demselben Planeten leben.

Um unserem Leben einen Sinn zu geben, gibt es drei Geschichten, aus denen wir wählen können:Die erste Geschichte erzählt vom Weitermachen wie bisher, vom Leben in der industriellen Wachstumsgesellschaft. Die zweite Geschichte ist die, wie sie von Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen gesehen wird. Sie werfen einen Blick unter den Teppich und sehen, was es uns kostet, so weiterzumachen. Es kostet uns die Welt. Und die dritte Geschichte? Die große Auflösung. Eine Revolution des Geistes und ein Übergang von einer industriellen Wachstumsgesellschaft zu einer lebenserhaltenden Gesellschaft. Der große Wandel hat viele neue Formen, denke ich. Am Ende ist die Geschichte der Evolution unsere Biografie. Nicht, dass ihr jetzt alle denkt, ich sei spirituell geworden und wolle mich zum geistigen Führer hochschreiben. Ich dachte nur, wenn ich hier schon wieder meinen Senf abliefere, kann ich euch ja auch mal mitteilen, was mich bewegt. Es heißt schließlich „Novys Welt“. Also, es wäre fantastisch, wenn ihr diesmal in den Kommentaren nicht lästert und stänkert, sondern lieber meine Frage beantwortet. Wie geht es euch denn eigentlich?

Euer Tom Novy

Aus dem FAZEmag 144/02.2024
www.tomnovy.com/