Am Ende ging alles ganz schnell. Nicht einmal eine Woche sollte es dauern, bis Ostdeutschlands ältester Technoclub dem Erdboden gleichgemacht worden war. Es war ein emotionaler Abschied, der sich lange im Vorfeld angekündigt hatte und schlussendlich einer Erlösung gleichkam. Wir haben mit Betreiber Steffen Kache über seine Gefühlswelt, die letzten Tage der „Tille“ und den Nachfolger-Club MH7 gesprochen, der bereits in wenigen Monaten eröffnen soll.
Steffen, die Abrissarbeiten sind mittlerweile abgeschlossen. Was ging in den letzten Wochen und Monaten der „Tille“ auf emotionaler Ebene in dir vor? War es schlussendlich vielleicht gar eine Erlösung?
Wir haben schon im November 2023 von der Location Abschied genommen, da sie schon damals nicht mehr wiederzuerkennen war. Wir hatten uns emotional also bereits ein wenig gelöst. Nichtsdestotrotz war es am Ende nochmal ziemlich schmerzhaft zu sehen, wie Wände eingerissen werden und am Ende nur noch eine plane Fläche übrigbleibt. Das war sehr hart, aber auch gut so. Das Kapitel ist beendet und es geht weiter.
Dein Kollege Falk vom LiveKommbinat Leipzig schrieb damals, dass man sich aufgrund des schnellen Abrisses beeilen sollte, um dem Club eine letzte Ehre erweisen zu können. Sind viele Leute gekommen?
Oh ja, es wurden Kerzen aufgestellt und es gab sehr viele, die sich den ein oder anderen Stein mitgenommen haben. Es ist schön zu wissen, dass es so viele Menschen gibt, denen der Club am Herzen liegt und die eine tiefe Verbindung mit dem Ort haben. Das gibt uns die Kraft, weiterzumachen und das nicht unerhebliche Risiko einer neuen Location auf uns zu nehmen. Wir sehen das als Verantwortung, wieder einen Ort zu schaffen, an dem Menschen zusammenkommen und eine schöne Zeit verbringen können.
Beim Ausräumen und Abbau der Distillery ist doch sicherlich einiges an Relikten, Interieur, Dokumenten, Flyern & Co. zusammengekommen. Was macht ihr damit?
Wir haben so viel wie möglich ausgebaut und mitgenommen: die Bar, Metallträger, Türen, Kabel, Verteilerschränke und sogar eine Zwischendecke. Einige Sachen, darunter die Eingangstür und ein großes Barelement, gehen an das stadtgeschichtliche Museum, und andere Dinge mit Wiedererkennungswert bauen wir in der neuen Location wieder ein. Was dann noch übrig bleibt, versteigern oder verschenken wir vielleicht.
Eine gute Überleitung zum neuen Club-Projekt MH7. Wie seid ihr eigentlich auf die Location auf dem Gelände der Alten Messe gestoßen?
Langes Drama. Ursprünglich war der Plan, bis spätestens 2022 in ein altes Kraftwerk auf dem Gleisdreieck im Leipziger Süden umzuziehen. Aufgrund eines bürokratischen Missverständnisses zögerte sich das Vorhaben dann so lange hinaus, bis es zu spät war. Glücklicherweise bot uns die Stadt dann Flächen in einem ehemaligen Küchentrakt auf der Alten Messe an, die wir dankend annahmen. Zum einen, weil die Location sehr geil ist und zum anderen, weil unser Mietvertrag zu diesem Zeitpunkt nur noch ein halbes Jahr lief.
Zuletzt hieß es, dass es noch in diesem Herbst/Winter losgehen soll – zumindest im Teilbetrieb. Wie ist der Stand der Dinge?
Insbesondere die Aspekte des Brand- und Lärmschutzes haben den Planungsprozess sehr kompliziert gestaltet, mal abgesehen von den enormen Kosten, die so ein Projekt dann verursacht. Das Ziel steht nach wie vor. Derzeit werden Rohbaumaßnahmen abgeschlossen, Ende Juni erfolgt ein Schalltest, der von großer Bedeutung ist. Da wird sich zeigen, ob alles passt oder ob wir noch nachbessern müssen. Anschließend stehen Lüftung, Elektrik und Innenausbau auf dem Plan. Das kann sich nochmals um ein paar Wochen ziehen, aber ich bin optimistisch, dass wir nicht nur in Teilen Weihnachten in der neuen Tille feiern. Besonders spannend wird natürlich die finale Abnahme durch Branddirektion und Bauordnungsamt. Da hoffen wir einfach mal, dass wir nicht an Angsthasen geraten, die uns das Leben schwer machen können.
Aus dem FAZEmag 148/06.2024
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