Roxy: From Palm Trees With Love
Es ist ein kalter Januarnachmittag. Ich sitze in meinem Zimmer, umgeben von Kerzenlicht und nippe an meinem 347. Lockdown-Kakao. Trance-artig starre ich auf meine Fotosammlung internationaler Palmen, mein Herz schlägt schneller. Es ist Zeit. Zeit loszuziehen.
Drei Wochen später sitze ich im Flieger nach Mexiko. Abgesehen vom Temperaturmessen nach der Landung heißt es hier „bienvenido“ – ich fühle mich wie auf einem anderen Planeten. Die Tage fließen ineinander wie ein Kaleidoskop aus tosenden Wellen, deliziösen Passionsfrüchten, Vollmondschein und tanzenden Füßen im glitzernden Sand: Bei „Tierra Tulum“ verteile ich in einer gleißenden Lagune die sakrale Lehm-Honig-Mischung der Mayas auf meiner Haut. Und Gongulls Jahrhundert-Set beschwört wenige Tage später am Poster-Strand nicht nur ein lächelndes Herz herauf, sondern auch ein tosendes Gewitter. Wir tanzen im Regen, liegen uns in den nassen Armen.
Als Nächstes geht es für mich nach Ecuador, Montanita. Die Sanduhr des Lebens fließt weiter, vorbei an meditativen Sonnenuntergängen, schweißtreibendem Qi Gong und weitgefächerten Lehren von meinem Schamanen Tito, die in mein lang ersehntes Reiki-Training münden. Nicht sicher, wie es weitergehen soll, erhalte ich eine richtungsweisende Einladung:
Ein Jahr nach unserer legendären Dschungel-Quarantäne kehre ich zurück nach Panama, um mit meinem Kundalini-Yogalehrer einen transformativen Retreat zu hosten. Gemeinsam mit fünf mutigen Seelen, die es trotz aller Restriktionen in die Wildnis schaffen, tauchen wir tief in die eigene innere Welt und in die Weiten des Universums ein.
Ein Stück größer gewachsen, erreiche ich den bunten, rohen und vibrierenden Mikrokosmos von Playa Venao. Jede Unterhaltung und jedes Sonnenuntergangsset von Buggi könnten mich dazu inspirieren, meine Realität hier zu gestalten. Man sagt, es hat einen Grund, warum der Strand wie ein Magnet geformt ist … Ich persönlich habe allerdings einen Flug zurück nach Berlin gebucht, denn ich bin mehr als bereit, endlich wieder den europäischen Sommer zu zelebrieren!
Iry: Das Selbstexperiment
Google sagt „geschlossen“. Wohl für einen weiteren Monat. Nur noch einen? So viele Grautöne. Dekodiere den Fluss der Emotionen meines Gegenübers oberhalb der Maske. Hermannplatz so roh und ungeschliffen wie noch nie. Trostlosigkeit. Sonnenuntergang um 16 Uhr. Dunkel. Kalt. War es hier eigentlich schon immer so kalt?
Aus reiner Neugier beschließe ich, den Lockdown-Winter im asphaltierten Dschungel der Großstadt zu verbringen. Hiermit möchte ich die Ergebnisse meines Selbstexperiments verkünden, auf die Gefahr hin, dass diese euch nicht überraschen werden: Nach einer starken Reduktion der persönlichen Kontakte und menschlichen Begegnungen darf ich die Grenzen meiner mentalen Stabilität trotz seelischen Friedens und entspannten Lebensstils bewundern.
Nach ein paar Abbiegungen auf der meditativen Reise der inneren Sinnessuche komme ich an der altbekannten Kreuzung raus – der einen, die eine Interaktion mit der Außenwelt erfordert, um das Leben in unserer spannenden 3D-Dimension in vollen Zügen zu erfahren.
Insbesondere als Festivalbloggerin hätte ich auch vor der Pandemie gerne erörtert, welchen Stellenwert das kulturelle Leben für jede*n Einzelnen hat. Eine intensive, unbeabsichtigte Beschäftigung mit dem philosophischen Unterschied zwischen Leben und Überleben bringt diese Erkenntnis allerdings auf eine ganz neue Ebene.
Um mich aus dem Pandemie-Loch herauszuholen, stürze ich mich aufs Lernen und neue Erfahrungen: den ersten Work-Away-Einsatz meines Lebens, unzählige Bücher, ein Fernstudium der holistischen Ernährungsberatung, die Fahrradschule für Erwachsene. Endlich übe ich das Auflegen und habe dabei den größten Spaß meines Lebens! Ich tanze fast täglich in den Parks und freue mich über das Ende des Winterschlafs. Raus aus der Jogginghose! Die neue Normalität? Für mich einmal maximalistisch und overdressed, bitte. Mit etwas Bioglitzer für alle. Jede Sekunde soll mit Emotionen und Erlebnissen gefüllt sein. Der Rest des Lebens beginnt JETZT!
Raverglueck:
Gespannt lauschen wir der gesamten Industrie und erfreuen uns an Erkenntnissen, Plänen und Versprechen.
Resilienz. Zu einer Vielzahl an behördlichen Forderungen jeglicher Art, die von Veranstaltern weltweit erfüllt werden müssen, kommen aktuell die Pandemie-spezifischen hinzu. Dabei ist die Kreativität auf dem Gebiet der Hygiene-Konzepte bemerkenswert. Aus unserer Sicht verdient die Festivalindustrie einen riesigen Applaus für die unendliche Motivation, das positive Denken und das Nicht-Aufgeben!
Größen-Neuordnung. Wir antizipieren einen positiven Effekt aufgrund des durch die Politik induzierten Splits diverser Veranstaltungen auf mehrere Wochenenden – eine familiäre Atmosphäre und die ultimative Chance, andere Gäste des Festival-Paralleluniversums noch intensiver kennenzulernen.
Neue Themenschwerpunkte. Diverse Veranstaltungen melden sich mit Neuigkeiten zum Ausbau der Workshop-Bereiche für die kommende Saison zurück. Immer öfter finden Angebote im Zusammenhang mit Achtsamkeit und mentaler Gesundheit in der Branche Gehör (bspw. „ADE in Conversation“). Wir begrüßen die gefühlte Erweiterung der Themenschwerpunkte, die dem Feiern als einer kulturellen Interaktion eine holistische Herangehensweise verleiht und tragen mit Workshops gern direkt selbst zum Geschehen bei.
Fusion der Lebensbereiche. Dass unsere unterschiedlichen Lebensbereiche insbesondere durch die Pandemie-forcierten Veränderungen miteinander verschmelzen, entgeht natürlich auch nicht den Veranstalter*innen. Wir nehmen weiterhin einen Fusionstrend auch in der Clubszene wahr. Feiern, Biergärten, Flohmärkte, Workshops, immersive Kunstausstellungen – in den Berliner Clubs, die zu kulturellen Einrichtungen gehören, sollte alles nebeneinander möglich sein. Verträumt stellen wir uns die Zukunft vor, in der wir alle in der Mittagspause des Club-Office (Homeoffice war gestern) gemeinsam raven können. Es gibt keine Worte, die beschreiben könnten, wie sehr wir uns darauf freuen, gemeinsam mit euch wieder auf der Tanzfläche zu eskalieren!