Robin Schulz – Der lebende Superlativ

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Im Musikbusiness und dem dazugehörigen Journalismus strotzt es vor Superlativen. Jede Woche werden die neuesten, die besten und die größten Hypes kreiert. In den meisten Fällen oft Schall und Rauch – nicht mehr und nicht weniger. Bei dem 1987 in Osnabrück geborenen Robin Schulz jedoch handelt es sich momentan um die wohl bestgeölteste Hitmaschine der Industrie. Gold, Platin, Multiplatin, Awards, Titel, Auszeichnungen, soweit das Auge reicht. Das im Frühjahr 2014 veröffentlichte „Waves“ feat. Mr. Probz erreichte in Deutschland, Österreich, Schweiz, Großbritannien, Schweden und Norwegen Platz 1, in Finnland, Dänemark und Frankreich Platz 3. Am Jahresende wurde das Stück für einen Grammy Award in der Kategorie Beste Remix-Aufnahme nominiert. Die international mit Gold- und Platin ausgezeichnete Nachfolge-Single „Prayer In C“ feat. Lilly Wood & The Prick avancierte zum globalen Hit, und Schulz schrieb Geschichte, indem er als erster deutscher Künstler Platz 1 der globalen Shazam-Charts erlangte. Darauffolgend wurde „Prayer In C“ mit dem offiziellen Titel „Sommerhit 2014“ ausgezeichnet.

Im Herbst letzten Jahres folgte dann „Sun Goes Down“ feat. Jasmine Thompson aus dem zeitgleich erschienenen und mittlerweile mit Gold bedachten Albumdebüt „Prayer“. Insgesamt hat Robin Schulz bis heute mit „Prayer In C“, „Sun Goes Down“ und der ersten Single „Headlights“ aus seinem neuen Album weltweit mehrere Millionen Einheiten verkauft, blickt auf Spotify-Streams im dreistelligen Millionenbereich zurück und konnte eine Vielzahl von Gold- sowie Platin-Auszeichnungen entgegennehmen. Er gewann den ECHO in der Kategorie „Dance National“, bespielte das iTunes-Festival, das belgische Tomorrowland, die MAYDAY in Dortmund, die NATURE ONE im Hunsrück, das Ultra Music Festival in Miami, das japanische Ultra Festival sowie restlos ausverkaufte Touren durch ganz Europa, Amerika, Asien und Australien. Keinem Künstler gelang bislang eine vergleichbare Filigranität zwischen Elektronik und Pop. Das beweist er auch auf seinem neuesten Album „Sugar“, auf dem sich Schulz nach diversen Remakes auf dem Debüt nun ausschließlich auf reine Eigenproduktionen konzentriert hat. Mit der gleichnamigen Singleauskopplung „Sugar“ feat. Francesco Yates erreichte er zum dritten Mal die Spitze der Charts. Das Video dazu zählt zu den meistgesehenen Musikclips auf YouTube, wurde von dem Musikdienst Shazam kürzlich unter die „5 Best Dance Videos Of The Week“ gevotet und der Robin Schulz-YouTube-Kanal ist offiziell der erfolgreichste deutsche YouTube-Kanal im Bereich Musik.

Neben Talenten wie J.U.D.G.E. oder soFLY finden sich auf dem 15 Songs umfassenden Album u.a. auch der neuseeländische Singer/Songwriter und Schauspieler Graham Candy, US-HipHopper Akon, der deutsche Producer- und DJ-Kollege Moguai und nicht zuletzt Pionier Moby wieder – ein extrem seltener Gast auf Platten anderer Künstler.

Robin, 2014 gilt als dein persönliches Sommermärchen, in dem du mit den beiden Singles „Waves“ sowie „Prayer In C“ weltweite Bekanntheit erlangt hast. Wie reflektiert du diese Zeit, als dein Name binnen weniger Wochen zur Weltmarke avancierte?

Da mein Vater ja auch schon DJ war, war ich schon sehr früh in der Materie drin. Ich habe wohl den normalen Werdegang aller DJs hinter mir – erste Wohnzimmerauftritte, dann die ersten unbezahlten Gigs und nach harter Arbeit die ersten Minigagen etc. Ich habe das immer geliebt und würde das wahrscheinlich immer noch im Wohnzimmer betreiben, wenn auch nicht hauptberuflich. Mit so großer Resonanz für die ersten Singles habe ich auf keinen Fall gerechnet, das ist auch immer noch kaum zu glauben, um ehrlich zu sein. Ich habe den „Waves“-Remix einfach fertig gemacht und hochgeladen – es gab kein Ziel, keine Hoffnung dahinter, ich wollte es einfach gerne teilen. Ich habe natürlich davon geträumt, auf großen Bühnen zu stehen und von der Musik leben zu können, aber das war mehr Wunschdenken!

In den vergangenen Monaten hast du nahezu alle Kontinente auf dieser Welt bereist und lebst den Traum vieler Jugendlicher …

… und ich genieße es jeden Tag. Das Schöne daran ist sicherlich, viele ver- schiedene Menschen, großartige Künstler und andere Länder mit ihren Kulturen kennenzulernen. Ich habe tatsächlich immer noch das Gefühl, für ein Hobby bezahlt zu werden. Natürlich nervt das Nomadenleben auch ein wenig, aber im Großen und Ganzen bin ich sehr happy. Und es wäre vermessen, mich über etwas zu beschweren. Ich vermisse sicherlich manchmal meine Familie und meine Freunde. Aber ich sehe zu, dass mich manchmal auch Freunde besuchen und mir kurzfristig ein Stück Heimat mitbringen.

Mit „Sugar“ ist jetzt dein zweites Album erschienen. Am zweiten Longplayer verzweifelten schon viele. Ich habe gelesen, dass du versucht hast, „ohne Druck“ an die Sache zu gehen. Was waren das für Gefühlswelten während der Produktion?

Diese Aussage würde ich jetzt auch wiederholen, ich bin das Ganze wirklich ohne großen Druck oder einer Last auf den Schultern angegangen. Mir ist völlig bewusst, dass die Erwartungshaltung schon sehr groß ist, aber das habe ich erstmal bei Seite geschoben. Im Gegenteil, es war sogar mega befreiend, sich die Künstler fast aussuchen zu können, mit denen man arbeiten darf. Ich hatte großen Spaß bei der Produktion und viele schöne Erlebnisse während der Arbeit. Aber natürlich war das alles gepaart mit meiner Reiserei echt sehr viel Arbeit und auch eine Herausforderung, die gute Planung voraussetzte.

Für mich klingt „Sugar“ abwechslungsreicher als dein Debütalbum …

Tatsächlich habe ich auch genau das versucht bzw. beabsichtigt. Vom Ra- diotrack bis zum deeperen Clubtrack ist alles vertreten. Auf dem Song „Titanic“ ist diesmal sogar eine Trompete zu hören – allerdings nicht live, der Studiotechnik sei Dank! Ich versuche, viele Ideen am Laptop zu erarbeiten. Als erstes baue ich Beats oder ein Gerüst, dafür suchen wir dann Songs, Sänger etc. Später gehe ich dann aber nochmal in ein großes Studio. Eigentlich hätte ich mein neues Album auch „Lufthansa“ nennen können – so viel, wie ich in der vergangenen Zeit im Flieger saß. Ich bin teilweise im Flugzeug während der Arbeit eingeschlafen und nach mehreren Stunden mit Laptop und laufendem Beat aufgewacht …

Der Erfolg der ersten Singleauskopplungen geben die Recht – du bist sowohl im Radio als auch in der Clubszene omnipräsent. Wie siehst du die Gefahren einer Übersättigung bei den Zuhörern?

Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wo ich übersättigen sollte. Ich versuche einfach, gute Musik zu machen oder das, was ich als gute Musik empfinde, zu veröffentlichen. Ich möchte das noch lange weitermachen und habe auch nicht das Gefühl, dass der Markt gerade von mir übersättigt ist. Aber wenn sich jemand gestört fühlt, darf er ruhig das Radio ausschalten und muss sich ja auch keinen Auftritt von mir anschauen – da bin ich dann nicht beleidigt. Es gibt jede Woche noch 99 andere Titel in den Top 100, aus denen man wählen kann. Plus Tausende Titel, die gar nicht in den Charts sind. Selbst wenn du auf Platz 1 in den Radiocharts bist, wird dein Titel nur drei Mal am Tag maximal bei einem großen Sender gespielt. Die drei Minuten kann man ja dann weghören. Es gibt Gott sei Dank nicht nur Robin Schulz in der Musiklandschaft, so dass man genug Auswahl hat.

Wie hat sich dein Sound und auch deine Art zu produzieren für dich im Vergleich zum Debütalbum verändert – neben der Tatsache, dass es nun reine Songs von dir sind?

Ich habe mich im Studio weiterentwickelt und jetzt natürlich auch Zugriff auf besseres Equipment. Und ich kann mit super Songwritern und Sängern bzw. Künstlern arbeiten. Es ist alles ein wenig professioneller geworden, und dadurch klingt das Album natürlich auch anders. Die Aufnahmen haben viel Spaß gemacht, und durch mein super Team und meinen Manager, der mir viel Druck nimmt, war das alles so möglich. Frisch, jung und mit vielen guten Vibes – so würde ich das Album persönlich beschreiben.

Hat sich dein Status und deine Relevanz auf deinen Sound bzw. deine DJ-Sets ausgewirkt?

Es wird definitiv von mir erwartet, dass ich meine Hits rauf und runter spiele. Aber ich mache ausschließlich das, was mir gefällt. Natürlich spielst du auf einem großen Festival anders als im Club. Aber das ist ja bei fast jedem DJ so. Vielmehr haben mich, wie schon erwähnt, die vielen Menschen und Länder beeinflusst. Ich durfte in den letzten zwei Jahren so viel erleben, das prägt einen natürlich und fließt be- oder unbewusst in alles hinein. Ich glaube aber auch nicht, dass ich ein anderes Album aufnehmen würde, wenn ich drei Monate nur am Strand sitzen und den Delfinen zuschauen würde, wie sie im Meer umherspringen. Ich bin auch nicht sonderlich spirituell, aber das mag bei jedem Künstler unterschiedlich sein. Musik zu produzieren, hat für mich viel mit der Stimmung zu tun, in der ich mich gerade befinde. Die meisten meiner Tracks entstehen dabei abends.

„Im Endeffekt kann man machen, was man will und wird es den Nörglern niemals recht machen. Daher: leben und leben lassen! Solange ich auf Festivals und in Clubs spiele, fühle ich mich noch als Teil einer Clubkultur. Wenn ich irgendwann eine Baumarkteröffnung für viel Geld spielen sollte, dürfen sie dann gerne alle zusammen schimpfen.“


Erzähle uns etwas zu den Kooperationen auf „Sugar“ und deren Entstehung.

Ich hatte verschiedene Ideen und Wünsche für das Album. Es ging mir primär nicht nur um große Namen, sondern um Sänger, Sängerinnen, Songwriter etc. Viele der Leute sind der breiten Masse komplett unbekannt. Natürlich sind auch große Namen wie Moby mit dabei. Mein Manager ist ein alter Hase in dem Business und kannte dann z.B den Manager von Moby gut, so dass der Erstkontakt ziemlich easy war. Manche Leute habe ich aber auch auf Tour kennengelernt. Ich muss sagen, dass alles sehr harmonisch lief und die wenigen Leute, wo es eher nach Stress aussah, letztendlich einfach nicht mehr dabei waren. Stress braucht niemand! Wie gesagt, es waren harte neun Monate, aber jetzt bin ich sehr happy mit dem Endergebnis.

Die Preise und Auszeichnungen, die du in den letzten Monaten erhalten hast, zusammenzufassen, ist gar nicht so einfach …

Das mit den ganzen Auszeichnungen, Gold- und Platin-Awards ist immer noch sehr weit weg für mich. Ich registriere das, aber wahrscheinlich kommt das mal irgendwann in ein paar Jahren. So doof das klingt, aber ich könnte jetzt schon nicht mehr alle Awards aufhängen. Aber natürlich bin ich auch sehr stolz.

Für viele Künstler des vermeintlichen „Undergrounds“ hast du mit ernstzunehmender Clubkultur nur noch wenig zu tun und bist eher dem Pop zuzuordnen. Wie siehst du diese Thematik?

Ach, mir ist das wirklich egal. Ich bin eigentlich recht früh gut auf dieses Thema vorbereitet gewesen. Dann sollen die Leute das halt sagen, wenn sie das so sehen. Das ist eh unvermeidlich. Wenn das FAZE Magazin morgen eine Auflage von 1.000.000 hat, dann seid ihr plötzlich die Bösen, auch wenn das Magazin inhaltlich unverändert geblieben ist. Ich sehe ja viele dieser „Undergroundler“ häufiger im Flieger und auf Festivals. Von denen fliegt auch keiner Economy, und Backstage haben die auch nicht nur zwei Flaschen Mineralwasser und eine Tüte Chips geordert. Viele renommierte Acts sind wirklich immer sehr nett zu mir, und ich habe da viele große Leute kennengelernt, von denen ich früher selbst Fan war oder es noch immer bin. Das imponiert mir am meisten, das viele auch privat echt gute Typen sind. Im Endeffekt kann man machen, was man will und wird es den Nörglern niemals recht machen. Daher: leben und leben lassen! Solange ich auf Festivals und in Clubs spiele, fühle ich mich noch als Teil einer Clubkultur. Wenn ich irgendwann eine Baumarkteröffnung für viel Geld spielen sollte, dürfen sie dann gerne alle zusammen schimpfen. (lacht)

Verfolgt man deine Social Media-Aktivitäten, wird die Freundschaft zu deinem Tourmanager Gena recht schnell ersichtlich. Was war neben den ganzen Privatjets und Partys das Abgefahrenste, was ihr bislang gemeinsam erlebt habt?

Ja, Gena ist für mich wirklich ein guter Freund, und das ist super wichtig, wenn man fast permanent mit jemandem unterwegs ist. Und es ist natürlich etwas ganz anderes, jemanden dabei zu haben, mit dem man auch gerne Zeit verbringt. Abgesehen von den ganzen Partys, was wir auch super können, ist aber auch Professionalität wichtig. Denn sonst könnte man das alles gar nicht durchhalten, wenn es jeden Tag Chaos geben würde. Ich kann gar nicht ein abgefahrenes Ereignis allein aufzählen, es gab so viele unglaubliche Momente. Manchmal sind es auch die einfachen Dinge oder kleineren Festivals, die einen umhauen. Natürlich gab es auch Gigs in Dubai mit Bentley-Chauffeurservice während des Aufenthalts etc., aber nachhaltig sind das gar nicht die Sachen, die hängenbleiben.

Robin Schulz privat – eine Seite, die eigentlich niemand kennt. Womit verbringst du deine Zeit, wenn es nicht um Musik und Reisen geht?

Mit Freunden. Vorm Fernseher, in der Kneipe oder beim Stadtfest in Osnabrück.

Welche Projekte stehen für die kommenden Monate an, wenn der Hype um „Sugar“ vorbei ist?

Ich werde mal ordentlich ausschlafen, denn das ist das wirklich Negative bei den ganzen Reisen, dass man so wenig Schlaf bekommt. / Triple P

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www.robin-schulz.com

Foto: Ben Wolf