Roland MC-707 – Groove-Gear weckt Groove-Gier

Zehn Jahre, nachdem Roland seine Gerätekategorien Groovebox und Groove-Gear in einen Dornröschenschlaf schickte, folgte im Herbst letzten Jahres der Prinzenkuss mit der MC-707. Zum Jahreswechsel folgte schließlich noch das umfassende Update 1.2. Höchste Zeit, dass auch wir unsere flinken Finger über den Hoffnungsträger fliegen lassen.

Grundsätzlich hat die heutige MC-707 mit der am ehesten vergleichbaren MC-909 des Jahres 2003 so viel zu tun, wie die MC-909 mit einer TR-909 von 1983 zu tun hatte: Abgesehen vom Konzept der schnellen Groove-Erstellung auf Basis genreprägender Sounds praktisch nichts. Zu groß sind die Sprünge, die zwischen den Generationen technologisch gemacht wurden.

Augenfällig wird das bereits am Format. Während die MC-909 als vorletzter Vertreter der ersten Groovegear-Welle noch ein hoch aufragender Sechs-Kilogramm-Koloss mit zahllosen Bedienelementen war, ist die MC-707 eine flache Kunststoffkonsole von gerademal zwei KIlogramm Gewicht, die auf den ersten Blick eher wie ein Controller denn unabhängiger Klangerzeuger wirkt. Ihr Design offenbart die Verwandtschaft zu anderen Vertretern der 2013 eingeführten Roland-AIRA-Reihe – allen voran die TR-8S Drumbox. Tatsächlich schlummert in ihr jedoch eine Kombination aus 128-stimmigem Klangerzeuger und achtstimmigem Sample-Looper. Auch in Bezug auf die Live-Bedienbarkeit ist die MC-707 den alten Roland-Groovemaschinen zumindest bei der Track-Erstellung überlegen, ermöglicht durch die moderne Digitaltechnik mit bezahlbaren Hochleistungsprozessoren. Sie erlaubt beispielsweise, dass das einst lineare und starre Pattern-Song-Prinzip zugunsten des flexiblen Clip-Prinzips im Stile von Ableton Live aufgelöst wurde. Hinzu kommen Annehmlichkeiten wie RGB-farbcodierte Drumpads oder auch frei zuweisbare (Push-)Encoder, wie sie zu Zeiten der MC-909 ebenfalls noch kein Standard waren. Die MC-707 ermöglicht also trotz der deutlich geringeren Zahl an Bedienelementen weitaus flexiblere Eingriffe. Die gewonnene Freiheit muss man allerdings beherrschen lernen. Zwar kann man sowohl innerhalb der Synthesizer-Abteilung als auch Sampler-Sektion bis ins Klangmolekül vordringen und Veränderungen vornehmen. Allerdings ist das teilweise mit Kletterpartien durch Menü-Hierarchien verbunden. Dabei ist das schwarz-weiße LC-Display, so gut aufgelöst es auch sein mag, aufgrund seines geringen Maßes von 9 x 3 Zentimeter nur eingeschränkt hilfreich. Um schnell mal einen Status abzulesen, reicht es vollkommen aus. Für Musiker ohne Adleraugen allerdings lässt sich damit kaum dauerhaft intensiv arbeiten. Schade, dabei ist die dem Ableton Live Session View angelehnte Raster-Darstellung wirklich gut gelungen. Gleiches gilt für das Browsing- und Navigationskonzept über den Value-Regler, die vier Richtungspfeiltasten und Push-Encoder. Der Endlosdrehregler „Value“ besitzt leider keine Druckfunktion – darauf fällt man bei der Arbeit immer wieder mal drauf herein.

Solange es jedoch um den Auf- und Abbau selbst komplexer Grooves in Echtzeit geht, ist die MC-707 wirklich eine Bombe. Dafür stellt sie insgesamt acht Instrumenten-Spuren bereit, um die dort zugewiesenen Sounds über die 16 anschlagdynamischen Drum-Pads sowie darüber liegenden 16 Step-Buttons einzuspielen. Fünf Mode-Buttons lassen sich den Pads schließlich die Funktionen Mute, Clip, Note, Chord und Rolands hauseigener Groove-Effekt Scatter zuordnen. Jede Instrumenten-Spur besitzt einen eigenen Multieffektprozessor mit FX- sowie Filter- und Modulation- Regler, bei dem klanglich aus dem Vollen schöpfen lässt. Über 90 Effekte jeweils wählbar, komplettiert durch eine übergeordnete Master Effekt-Einheit mit den Typen Kompressor, 5-Band-EQ, Hall, Delay und Chorus. Wem auch das noch nicht reicht, kann über die hinteren Send/Return-Stereoklinken ein externes Gerät einschleifen. Sinn macht beispielsweise ein Filter- oder Röhreneffekt, um den sehr guten aber auch ziemlich cleanen Grundklang der MC-707 etwas rotziger zu gestalten. Es besteht übrigens zudem die Möglichkeit, zumindest einen Track über den rückseitig ebenfalls vorhandenen Stereo-Einzel-Out abzuleiten.

Bleiben wir aber bei den Klängen. Natürlich hat Roland einmal mehr ausgiebig bei seinen Klassikern gewildert. TB, TR in allen Varianten, SH, Jupiter, Juno – alles vorhanden. Die Generiert werden die Synthesizer-Sounds durch die neuartige ZEN-Core-Engine, die PCM-Samples und Rolands virtuell-analoge ABM-Technik vereint. Mehr als 3.000 Klänge und 80 Drum-Kits warten in der 707 auf Einsatz, ergänzt um selbst erstellte Sample-Sounds, die entweder über den rückseitigen Stereo-Eingang live eingespielt oder mittels USB sowie SD-Card zugefüttert werden können. Nutzt man die Live-Loop-Funktion, werden die Aufnahmen automatisch taktgenau geschnitten und eingepasst. Bei Bedarf lassen sich in der Länge, Abspielgeschwindigkeit und Tonhöhe aber auch manuell ändern. Erfreulicherweise zählt der Sampler zu den Selbstbefruchtern, ist also Re-Sampling-fähig. Klänge können also beispielsweise mit Effekten belegt und als eigenständiger Klanghappen erneut gespeichert werden. Weniger erfreulich ist, dass für die Looper-Sektion eine interne Speicherkapazität von nur maximal 60 Sekunden (Stereo) vorgesehen ist. Davon getrennt behandelt werden die User-Samples für die Drums und Tones: Hier sind immerhin insgesamt 12 Minuten (mono) bei 44,1 kHz möglich. Nebenbei bemerkt schmecken der MC-707 ausschließlich WAVs. Ausweg aus dem zeitlichen Dilemma bietet eine SD-Speicherkarte, die im rückseitigen Schlitz versenkt wird – sorgsam geschützt durch eine schraubenfixierte Blende. Eine SD mit 32 GB ist bereits im Lieferumfang enthalten.

Ob man nun den internen Synthesizer oder die internen oder selbst erstellen Samples nutzt, ist beim Aufbau einer Trackspur unerheblich. Die unterschiedlichen Klangelemente aka Clips lassen nach Belieben kombinieren – auch das war in MC-909-Zeiten noch undenkbar. Spiel- und Steuerdaten können sinnvollerweise über „Motion Record“ mit aufgenommen werden. Sie werden auch nur dann wieder abgespielt, wenn man es wirklich möchte und die Motion-Play-Funktion einschaltet. Das jederzeitige Löschen der Motion-Spur ist natürlich ebenso möglich. Wer mag, kann die Clips auch als reine MIDI-Sequenzen nutzen und an Hard- oder Software-Instrumente ausgeben. Dafür stehen ein DIN-MIDI-In und gleich zwei DIN-MIDI-Outs auf der Rückseite bereit. Selbstredend ist im Jahre 2020 auch ein USB-Anschluss vorhanden, um die Groovebox als Audio-Interface in ein Computersetup zu integrieren. Auch dabei ließen die japanischen Entwickler Intelligenz und Konsequenz walten. Denn die acht MC-707-Spuren lassen sich als Einzelspuren in einer DAW aufnehmen, um sie dort fertigzustellen.

So bewegt sich die MC-707 absolut auf der Höhe der Zeit und ist ein würdiger neuer Vertreter der legendären Goovebox-Familie. Wer noch die alten MCs mit ihrer Pattern-Song-Verkettung kennt oder gar damit arbeitet, wird sich an das moderne Clip- und Grid-Prinzip erst einmal gewöhnen müssen. Aufgrund seiner intuitiven Logik und der Möglichkeit, von jedem Punkt aus nicht nur ins Klanggeschehen sondern auch in die Struktur eingreifen zu können, geschieht das aber ziemlich schnell. Ist man erst mal „drin“, will man gar nicht mehr in die alte MC-Welt zurück, da sie extrem starr wirkt. Ein größeres, zumindest längeres Display steht auf der Wunschliste, dann wäre die 707 das nahezu perfekte Live-Instrument für DJs. Wer noch ein Modell der ersten Verkaufscharge erwischt, sollte in jedem Fall das Update 1.2 installieren. Es räumt mit einigen Unzulänglichkeiten auf. Dazu zählen deutlich erweiterte Sampling- und Looper Track-Funktionen sowie ein komfortableres Sample-Browsing. Die geforderten 999 EUR UVP (ca. 900 EUR Straße) sind für den gebotenen Echtzeit-Groove-Kick ein absolut fairer Preis.

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