Marius Lauber ist nicht nur musikalisch eher hochbegabt, er ist zweifelsohne auch hochgebildet und glühender Anhänger von Qualitätsmusik. Auf seinem ersten selbstbetitelten Langspieler 2016 erschuf Lauber die perfekte Melange aus clubtauglichen Disco-Sounds und waschechtem Pop, aus der „Fever“ zu einem internationalen Hit avancierte. Zwei Jahre später folgte mit „Young Romance“ so etwas wie der logische Nachfolger, bei dem gleich mehrere Titel wie „Losing Touch“ und „Under The Sun“ den endgültigen internationalen Durchbruch Roosevelts in Stein meißelten. Was folgte, waren glänzende Verkaufszahlen, daraus resultierende Top-Platzierungen in den Charts sowie Monate und Jahre zahlloser Liveshows inklusive Band rund um den Erdball, bei denen er neben ausverkauften Konzerten auch renommierte Festivals wie das Primavera Sound, das Montreaux Jazz Festival, den Governors Ball und das Sziget bespielte.
Statt der Erfolgswelle blindes Vertrauen zu schenken, entschloss sich Lauber dann jedoch für eine Auszeit und, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie man in Zeiten von „aseptischem Pop-Hintergrundgedöns“ weiterhin elektrisierende, intime Momente mit Menschen erzeugt. Das Resultat trägt den Titel „Polydans“ und erscheint am 26. Februar – wie die beiden Vorgänger via City Slang / Greco-Roman.
Und auch wenn alle drei LPs die Winkel und Wege des Musikfans Marius Lauber im Allgemeinen erforschen, so richtet eben dieser bei dem nun anstehenden Werk seinen Fokus zurück auf seine Wurzeln im Club, ja, fast schon als eine Art Liebesbrief. Der Clubkultur gewidmet – wo Lauber selbst musikalisch sozialisiert wurde – aber die es gerade in diesen Zeiten schwerer denn je hat, spendet „Polydans“ auf äußerst animierende Art und Weise Trost und zaubert ein, wenn auch melancholisches, Lächeln in die Gesichter seiner Zuhörer. Von Schlagzeug, Synthesizern und Bass bis hin zum Mischen des Albums in seinem neu eingerichteten Studio spielte Lauber auf „Polydans“ alles selbst ein. Dabei lässt er der emotionalen Verbindung zu seiner Musik freien Lauf. Ganz ohne stilistische Grenzen ist es eine vieldeutige Anspielung auf die facettenreiche, in jeder Hinsicht vielfältige Clubkultur. Dabei herausgekommen ist sein bislang persönlichstes Werk.
Marius, Glückwunsch zum dritten Album.
Vielen Dank! Das Album ist schon seit ein paar Monaten fertig, aber es ist umso spannender, dass es endlich rauskommt. Es war lange vor dem ersten Lockdown fertig, von Corona war zu dem Zeitpunkt noch überhaupt keine Rede. „Polydans“ ist also alles andere als eine weitere „Corona-Platte“. Ich würde behaupten, dass ich mich für meine Musik ohnehin in eine Art Quarantäne im Studio begebe … Somit kann ich nicht wirklich behaupten, dass die Arbeit jetzt für mich eine andere war.
Wie hat sich deine Musik seit 2016 in deinen Augen entwickelt bzw. verändert?
Dieses „bisher persönlichste“ ist ja sehr oft eine Phrase, die man in Pressetexten hört – auf „Polydans“ fühlt es sich aber tatsächlich so an. Und damit meine ich nicht unbedingt persönlichere Texte, mit „Close“ oder „Better Days“ war es ja außerdem irgendwie schon maximal persönlich auf den ersten beiden Alben. Ich meine auf „Polydans“ vielmehr die Produktion, da ich gefühlt viel mehr bei mir selbst war – da, wo ich auf dem zweiten Album noch deutlich hörbare Ambitionen hatte, im Radio stattzufinden, habe ich mich hier wohl mehr auf meine Stärken konzentriert und nebenbei auch zum ersten Mal ein Album komplett selbst gemischt. Da, wo beim Debüt und „Young Romance“ noch Chris Coady in L.A. den finalen Mix gemacht hat, habe ich dieses Mal tatsächlich zum ersten Mal alles – also Songwriting, Recording, Produktion und Mixing – selbst gemacht. Alleine das macht es für mich schon viel persönlicher.
Nach „Young Romance“ hast du mit deiner Band weit über 100 Konzerte weltweit gespielt. Wie hat sich dieser Erfolg auf dich als Künstler ausgewirkt?
Es war insofern anders, dass wir viel häufiger den Nachmittags-Slot auf großen Festivals gespielt haben, z.B. beim Sziget. Bei der ersten Platte wurden wir noch vermehrt als elektronischer Late-Night-Act gebucht. Außerdem habe ich mich auf der Tour zu „Young Romance“ viel mehr als Frontmann gesehen als vorher.
Würdest du also sagen, ihr habt euch in dieser Zeit vom reinen elektronischen Liveact zu einer richtigen Band entwickelt?
Ja, ich hatte viel mehr Selbstvertrauen, mich auch als Sänger und Performer zu sehen.
Wie lange hast du an den zehn Songs gearbeitet und wie verlief der Prozess im Studio im Vergleich zu den zwei Vorgänger-Langspielern? Du bist vor zwei Jahren in ein neues Studio gezogen.
Genau, das habe ich mir selbst gebaut und eingerichtet. Davor hatte ich zwar auch schon eigene Räume, ich habe aber noch nie so konsequent einen Raum erschaffen, der quasi meinem Traumstudio entspricht. Das mündete auch in eine unfassbar kreative Freiheit, die ich dort gespürt habe. Außerdem habe ich mir in der Vergangenheit oft einen Raum mit anderen Künstlern geteilt, z.B. mit Coma oder Von Spar. Was die Instrumente angeht, mit denen ich gearbeitet habe, habe ich mich wieder viel mehr mit denen beschäftigt, die am Anfang meiner Karriere relevant für meine Sound-Findung waren.
Welche sind das?
Vor allem ein Höfner 182-E-Bass und ein Roland Juno-60-Synthesizer.
Gefühlt warst du nach deinen ersten beiden Alben im Indie-Pop zu Hause, richtest jetzt aber den Fokus auf elektronischere Gefilde. Woher kam dieser Impuls?
Ich habe, gerade beim zweiten Album, ganz bewusst versucht, mich mehr in Richtung Indie-Pop zu entwickeln. Das war insofern auch ein erfolgreiches Experiment, da wir ja, wie eben schon erwähnt, von Festivals auch eher in dieser Richtung wahrgenommen wurden. Auf meinen eigenen Konzerten wurde es auch gefühlt mehr ein Indie-Publikum. Mit „Polydans“ habe ich mich einfach wieder danach gefühlt, in die Stimmung zurückzukommen, die mich bei den allerersten Roosevelt-Tracks inspiriert hat. Also noch vor der ersten Platte – so Songs wie „Elliot“ oder „Soleil“. Natürlich ist das Popmusik, aber das war eben total verankert in einem clubbigen Dancefloor-Gefühl, das ich mit dem Album versucht habe, wieder aufleben zu lassen. Da ich damals noch nicht einmal wusste, was ein Kompressor ist, ich aber mittlerweile auch für andere Acts produziere und einfach etwas besser und professioneller geworden bin, klingt es natürlich nicht mehr ganz so nach Lo-Fi.
Bewahrst du dir dennoch gewisse Nostalgien von „damals“ auf?
Definitiv. Ich benutze meine Gitarre, die 59 Euro gekostet hat, auf fast allen Songs, und auch ganz alte billige Delay-Geräte haben ein Gefühl von eben genau der Nostalgie, die man so nicht anders hinbekommt.
Du sprichst von einer Zeit ohne kreative Einschränkungen. Erzähle uns mehr darüber.
Generell hatte ich, bis auf den Ansatz, den früheren Spirit wieder aufleben zu lassen, einfach wenig Konzept bei dieser Platte. Auch der Name „Polydans“, der bedeuten soll, dass auf der Platte viele verschiedene Facetten von Dance-Musik stattfinden, wurde mir erst klar, als alles schon fertig war. Während der Produktion habe ich versucht, mich von meinem Spaß bei der Arbeit leiten zu lassen – für mich etwas, das ganz essenziell ist, auch weil ich eben doch Musik für die Tanzfläche mache. Und wer soll daran am Ende Spaß haben, wenn ich ihn noch nicht einmal im Studio habe? Man kann also sagen, dass es sehr impulsiv ablief dieses Mal – ohne beispielsweise Gedanken darüber, was das Album am Ende meiner Karriere bringt.
Gab es überhaupt eine Zeit, wo du kreative Barrieren gespürt hast?
Barrieren sowieso nicht. Obwohl ich einen sehr bestimmten Sound mache, bin ich mir bewusst darüber, dass ich machen kann, was ich will. Ich glaube, es ist aber auch allen Fans meiner Musik bewusst, dass ich auch gar nicht weit weg von meinem Sound will. Das zeigt die neue Platte wahrscheinlich umso deutlicher.
Das Album ist ein Liebesbrief an die Clubszene, deine Wurzeln. Mit 19 hast du in Köln angefangen aufzulegen, von wo aus du später in die Welt getourt bist.
Das stimmt, und es gab es sehr viele Schlüsselmomente in der Zeit, als ich 18 bis 20 war. Eigentlich zu viele, um bestimmte zu nennen. Ich erinnere mich da aber z.B. an einen Abend mit Dixon in Groningen. Das war 2010, er spielte damals im selben Club wie ich mit meiner damaligen Indie-Band. Nur er eben fünf Stunden später, in einem komplett anders dekorierten und beleuchteten Club. Es war so ein Moment von: „Okay, das ist das, was ich machen möchte.“ Natürlich war es auch sehr wichtig für mich, als damals völlig unerfahrener DJ, von Tobias Thomas zum Resident von „Total Confusion“ gemacht zu werden. Das begann ja sogar schon 2011, noch vor dem ersten Roosevelt-Release. Natürlich war ich da oft für den zweiten Floor oder das Warm-up zuständig, aber alleine den Spirit von Leuten wie Michael Mayer, Superpitcher oder Rebolledo mitzubekommen, ihre eklektische Art aufzulegen, dieser Respekt für den Dancefloor, aber gleichzeitig das sehr Ekstatische, was diese Party hatte – das war alles eine riesige Inspiration für mich.
Wahrscheinlich ein Grund, warum dein zwischen Elektronik und Pop changierender Sound nun deutlich tanzbarer geworden ist?
Das sehe ich auch so! Das Discohafte, der Bezug zur Tanzfläche, der Gebrauch von Synthesizern, das stand alles viel mehr im Vordergrund als beim letzten Album. Ich freue mich auch wieder, bei den Liveshows mehr eine Art Hybrid-Act zu sein, der im besten Fall in einer Live-Situation ein Club-Gefühl herstellt. Das war es, was die Live-Momente vor fünf bis sechs Jahren so besonders gemacht hat, und was ich unbedingt wieder erreichen will.
Das Album erscheint auch wie seine Vorgänger erneut auf City Slang, wie hat sich eure Zusammenarbeit im Laufe der Jahre entwickelt und intensiviert?
Sie lizenzieren das Album ja immer noch über mein UK-Label Greco-Roman; die Zusammenarbeit fühlt sich aber nach den fast fünf Jahren viel enger und familiärer an. Das spiegelt sich gar nicht mal in einem regen Austausch über kreative Entscheidungen auf dem Album wider, sondern vielmehr darin, dass man sich mittlerweile blind vertraut und den jeweils anderen auch machen lassen kann. Ich genieße es auch, nicht mehr der „Neue“ bei City Slang zu sein, sondern meinen Platz gefunden zu haben – zwischen einstigen Idolen von mir, wie Caribou und Gold Panda.
Um deine für März angesetzte Album-Tour steht es Corona-bedingt alles andere als gut, was sind eure Pläne dort aktuell?
Die europäischen Shows sind mittlerweile bereits in den September verlegt worden. Dass diese Termine am Ende stattfinden werden, ist natürlich auch nicht 100-prozentig sicher – es fühlte sich aber wie ein Zeitraum an, in dem sich noch genug tun kann. Ich bin da noch optimistisch. Am Ende kann man sowieso nicht mehr machen als Künstler: Für alle Beteiligten, auch und insbesondere für die Venues, ist es wichtig, irgendeine Art von Planungsfähigkeit zu haben. Wann die Tour am Ende stattfinden wird, kann einfach keiner sagen, aber wer ein Ticket kauft, sieht eben die nächstmögliche Show in der jeweiligen Stadt. Das ist aber, glaube ich, jedem Fan mittlerweile bewusst.
Wir hoffen mit euch. Was steht für die kommenden Wochen und Monate auf deiner Agenda?
Ich bin bei mehreren Produktionen für andere Künstler involviert, das ist etwas, wofür ich gerade recht viel Zeit habe, und für mich ein positiver Aspekt dieser Zeit. Ansonsten bereite ich schon Single-Releases vor, die nach dem Album herauskommen sollen. Die Zeit im Herbst ist normalerweise total voll mit Live-Terminen, deswegen gab es zum ersten Mal echt viel Freiraum, sich im Studio auszuprobieren. Ich hoffe aber natürlich, gerade weil ich das neue Album ja, wie bereits erwähnt, auch mit der Tanzfläche im Sinn produziert habe, dass wir einfach bald wieder spielen können. Es heißt also: Daumen drücken für die Tour im Herbst!
Aus dem FAZEmag 108/02.2021
Text: Triple P
Foto: Joseph Strauch
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