Städtetrip – mit Federsen in San Francisco

Eine neue Runde „Städtetrip“ hat uns ins sonnige Kalifornien nach San Francisco geführt, wo wir auf den Deep- und Dub-Techno-Spezialisten Chris Kelly alias Federsen gestoßen sind. Der gebürtige Schotte ist bekannt für seine Arbeit mit Vintage-Tape-Maschinen und analogen Synthesizern, die er auf Genre-spezifischen Labeln wie Greyscale, Lempuyang, spclnch oder seinem hauseigenen Imprint Fifth Interval releast. Im Interview hat er Einblicke in die reichhaltige Musik- und Kulturszene von „Fog City“ gewährt.

Hey, Chris. Welche waren deine ersten Berührungspunkte und bisherigen Highlights im Kontext von San Francisco und elektronischer Musik? Die Stadt hat ja einiges zu bieten.

Ja, das stimmt. Es gibt viele großartige Veranstaltungsorte für Live-Performances und eine hohe musikalische Diversität. Kürzlich habe ich The Scientist in einer tollen kleinen Venue namens Chapel gesehen und ich habe auch Underworld und Kraftwerk in einem größeren Veranstaltungsort hier in der Stadt erlebt. Spannend ist auch die Gray Area, die sich auf Technologie sowie experimentelle Kunst und Musik konzentriert. Hier habe ich zum Beispiel Deepchord und Moritz von Oswald gesehen. Meine Clubbing-Tage habe ich schon lange hinter mir, ich bevorzuge also meistens Live-Konzerte.

Mit Deepchord und Moritz von Oswald befinden wir uns auf der richtigen Spur bei dir. Dub-Techno! Gibt es eine Dub-Szene in San Francisco? Legst du auf?

Mein Herz schlägt für das Producing, ich würde mich also nicht wirklich als DJ bezeichnen. Hin und wieder gibt es in SF auch mal Dub-Techno-Events, allerdings nur vereinzelt. Nächstes Jahr starte ich ein neues Vinyl-Label, sodass ich hoffentlich die Dub-Szene der Stadt ein wenig vorantreiben kann.

Welche sind die bekanntesten Namen, wenn du an SF und elektronische Musik denkst?

Man kann nicht über Musik und Technologie sprechen, ohne Dave Smith und Sequential zu erwähnen, die ja in SF angefangen haben. Ich habe einen alten originalen Prophet 5 und bringe ihn regelmäßig zur Reparatur. Der Kerl, der ihn repariert, lebt immer noch in der Nähe von SF und war der ursprüngliche Designer des Prophet 5, zusammen mit Dave Smith. Und dann wären da noch Morton Subotnick und Don Buchla, die in den frühen 70er-Jahren Teil des San Francisco Tape Music Centre waren. Synthesizer-Fans wissen Bescheid.

Was fasziniert dich am meisten an der Stadt?

San Francisco ist visuell wirklich atemberaubend. Die einzelnen Stadtteile sind unglaublich vielfältig und haben alle ihre eigene Atmosphäre. Hinzu kommt die einzigartige Architektur der Stadt: alte viktorianische Gebäude stehen neben zeitgenössischen modernen Häusern. Und dann ist da noch der dramatische Nebel-Effekt in den Hills während der Sommermonate. Perfekt, um sich ins Studio zu setzen und etwas Deep-Techno zu machen.

Hast du einen Lieblingsort in der Stadt? Ein Ort, an dem du vielleicht neue Inspiration für deine Musik sammelst?

Der Ozean! Ich wohne nur 20 Minuten mit dem Fahrrad vom Pazifik entfernt und fahre dorthin, um am Meer zu spazieren und der Kraft des Pazifiks nahe zu sein.  Ich liebe es, den Surfern zuzuschauen und ein oder zwei Kilometer am Strand entlangzulaufen und zu hören, wie die Wellen des Pazifiks an die Küste prallen.

Was würdest du den Leuten raten, um einen perfekten Tag in der Stadt zu erleben?

Geht auf jeden Fall in den Mission District – ein so vielseitiger und kulturell lohnenswerter Teil der Stadt mit tiefen Latino-Wurzeln. Ich bin dort fast jedes Wochenende und genieße großartiges mexikanisches Essen, schaue mir die Kunst und Wandmalereien an, trinke Kaffee und übe Spanisch. Ans Herz legen kann ich euch außerdem, die Twin Peaks zu erklimmen. Von dort genießt man die höchste natürliche Aussicht über die Stadt. Abrunden kann man den Tag am Ende mit einem langen Spaziergang auf dem Lands Ends Trail direkt am Ozean.

Golden State Warriors, 49ers, Giants? Bist du ein Sportfan?

Da ich ursprünglich aus Schottland komme, bin ich kein Fan von amerikanischen Sportarten. Ich war aber mal bei einem Spiel der Giants. Das war episch, weil Metallica die Nationalhymne gespielt haben. Es ist eine ganz andere Erfahrung als auf den Tribünen schottischer Fußballvereine.

Angenommen, du müsstest San Francisco verlassen. Wohin würde es dich ziehen?

Nach 14 Jahren in der kalifornischen Sonne könnte ich nirgendwo mehr leben, wo es kalt ist, das ist sicher.

„Zen Effects“ ist am 5. Oktober 2023 via spclnch erschienen.

Aus dem FAZEmag 143/01.2024
www.federsen.space