Stimmungskiller für einen DJ – die Kolumne von Marc DePulse

Marc-DePulse_by-Vitali-Gelwich

Stimmungskiller für einen DJ

DJs. Wir lieben unseren Job! Denn wo sonst kann man während der Arbeitszeit Alkohol trinken, mal richtig die Sau rauslassen und wird dafür auch noch bezahlt?

Wie wir schon einmal festgestellt haben, ist der erfolgreiche DJ anno 2016 ein Gesamtpaket aus Produzent, Labelchef, Marketing-Guru, Facebook-Nerd, Veranstalter und nicht zuletzt auch Entertainer. Und Entertainment beginnt in erster Linie bei einer guten Performance, ergo neben deinem persönlichen Auftreten vor allem mit dem Gespür für den richtigen Sound zur richtigen Zeit.

Wenn man schon ein Weilchen dabei ist und über die Jahre viel herumreiste, hat man etliche Erfahrungen gesammelt. Man weiß, dass es in einigen Ländern frühe Sperrstunden gibt (z. B. Norwegen 03:00 Uhr), in anderen Ländern Dezibel-Obergrenzen (z. B. Schweiz 100 dB) oder Länder, in denen man beim Auflegen keinen Alkohol trinken darf (z. B. Emirate). Das alles sind Dinge, auf die man sich vorher einstellen kann. Aber es gibt auch immer wieder böse Überraschungen vor Ort. Denn egal wie gut du im Mix drin bist und wie toll du die Crowd gerade im Griff hast, gibt es immer irgendetwas, was dich von jetzt auf gleich völlig aus der Fassung bringen kann. Einige Beispiele:

Die Rotlicht-Polizei: Die Menge tobt, der Boden bebt, Liebe liegt in der Luft, du selbst stehst völlig unter Strom und plötzlich taucht er aus dem Dunkeln auf: der Tontechniker. Ein Gesicht wie Grumpy Cat, der Blick zum Töten bereit und schon haucht er dir unsanft ins Ohr: „Du bist im Roten!“, greift dir in den Mix und dreht die Lautstärke herunter. Oder noch einen drauf gesetzt: „Nochmal will ich das aber nicht sehen, haben wir uns da verstanden?“ – „Aye aye, Sir!“. Liebe Tontechniker. Ihr macht einen großartigen Job, aber bitte habt auch ein wenig Vertrauen in die DJs. Und wenn es doch mal ein Stück zu laut wird, kann man das auch anders kommunizieren.

Musik aus der Blechtrommel: Glück ist, wenn der Bass einsetzt. Schade nur, wenn man ihn nicht hört. Es ist der beste Stimmungskiller für alle, DJs wie Publikum: eine schlechte Anlage. Auch eine Funktion One kann schrecklich klingen, wenn sie nicht auf den Raum abgestimmt ist. Und eine 8 kW-Anlage im kleinen Chill-Floor ist genauso fehl am Platz wie eine völlig mittig eingestellte Anlage im Mainroom. Oberste Regel: der Ton macht die Musik, der Klang die Stimmung.

Der DJ danach: Auflegen? Geil! Darauf freut man sich schon die ganze Woche, ich kenne das ja selber. Aber bitte respektiert den DJ, der vor euch spielt. Wenn ihr euer Setup noch verkabeln müsst, dann macht es so, dass es niemanden stört. Bestenfalls habt ihr das schon vor Beginn der Veranstaltung getan. Versetzt euch einfach in die Lage desjenigen, der gerade spielt und ebenfalls Spaß haben möchte. Es bringt dich einfach völlig aus dem Konzept, wenn da jemand über deinem Mix herum fuchtelt, dich zur Seite schiebt, zig Kabel anschließt und womöglich noch deine Kopfhörer braucht um kurz sein Signal zu checken. Dazu noch eine falsche Bewegung und die Nadel springt sprichwörtlich vom Teller und die Musik geht aus. Momente wie diese, wo man am Liebsten direkt einpacken und gehen möchte.

Schlechtes Licht: Strobo-Licht ist cool und passt super in einen Techno-Keller. Aber nicht zu 124 bpm Tech-House-Musik. Zumindest nicht im Dauerfeuer. Gute LJs sind unheimlich wichtig, auch wenn man sie im Club kaum wahrnimmt. Einen fähigen Lichtmann erkennt man meist dann, wenn der „Beat droppt“. Gutes Licht pusht die Stimmung und transportiert das Gefühl.

Die Quasselstrippe: Du bist mitten im Mix und er textet dich einfach ununterbrochen zu: „Wahnsinn, wie du das machst. Machst du das schon lange? Orrr geil, der Track, der lief gestern auch schon. Da war ich mit meinem Kumpel auf einer übelst geilen Party, da liefen auch voll die heißen Chicks rum. Ey und die Afterhour war auch krass, da waren wir noch bei….“ – bla bla blubb. Leider merkst du es nicht, aber du nervst.

Dein neuer DJ-Partner: „Hey, ich bin auch DJ. Wollen wir ein paar Tracks zusammen spielen?“. Warte, lass mich kurz überlegen. Ähm, … nein!

Durst: Viele kennen es. Du bist längst am Spielen, holst das Letzte aus dir raus und sehnst dich einfach nur nach einem Kaltgetränk. Schade nur, dass du keine Getränkemarken bekommen hast und von den Verantwortlichen weit und breit jede Spur fehlt. Durstig spielt es sich nicht so gut.

Kinderdisco-Jukebox: Ein DJ-Set erzählt Geschichten. Und zwar deine eigenen. Ich nehme gern Musikwünsche an, wenn sie etwas mit dem Sound zu tun haben, den ich spiele. Aber bitte keine Hip-Hop oder EDM-Wünsche, denn da ist der Ofen direkt aus.

Der Miesepeter: Der Schweiß tropft von der Decke und der ganze Club tobt und schreit, nur einer nicht. Und der steht auch schon neben dir und muffelt dich an. „Junge, du musst viel härter und schneller spielen!“. Was will man dazu noch sagen?

Pumukl: Sobald du ihn brauchst, macht er sich unsichtbar: der Nightmanager. Kein Act braucht eine Klette an seiner Seite, aber ein kurzes: „Brauchst du noch etwas?“ oder „Ist alles okay?“ kann viele Probleme ganz schnell klären, vor allem wenn mal irgendetwas aus dem Tech-Rider nicht passt.

Boiler-Room-Like: Der Dancefloor leert sich. Aber nicht weil du schlecht auflegst, sondern weil plötzlich alle hinter dem Pult stehen und mit dir zusammen feiern wollen. Ich werde es wohl nie verstehen. Ist man dann mittendrin statt nur dabei? Ganz nebenbei hat der DJ fortan den Bewegungsradius eines Brummkreisels und tritt ständig auf sämtliche Taschen, Jacken oder Füße. Ich bin zwar klein und platzsparend, aber hinter dem Pult würde ich mich gern so richtig entfalten wollen.

Die Schlechte-Laune-Crew: Es gibt sie zum Glück nicht zu oft, aber jeder hat es über die Jahre schon einmal erlebt. Veranstaltungen mit einer völlig aggressiven Grundstimmung. Begonnen an der Tür, über die Garderobe, Bar, bis hin zur Veranstalter-Crew. Typen, denen du nachts im Dunkeln lieber nicht begegnen möchtest und dich fragst, wie sie in einer Szene voller Liebe und Herzblut überhaupt so lange bestehen konnten.

Fakt ist: Kein Mensch ist eine Maschine und jeder kann mal einen schlechten Tag erwischen. Aber wer ein Profi-DJ sein möchte, muss lernen, den Schalter auf Knopfdruck umzulegen und alle negativen Dinge auszublenden. Es ist manchmal sicher nicht leicht, aber es ist verdammt nochmal dein Job für die kurze Zeit in der du auf der Bühne stehst. Es reicht, wenn du dir hin und wieder vor Augen hältst, welches unglaubliche Privileg dir eigentlich zuteil geworden ist um deinen DJ-Traum zu leben.

Dein Publikum hat viel Geld dafür bezahlt um dich zu hören und denen sind deine kleinen Problemchen hinter dem Pult völlig egal. Sie wollen etwas für ihr Geld erleben, also beiße die Zähne zusammen, finde eigene Lösungen für deine Probleme und gib ein Stück Dankbarkeit an die Leute zurück. Denn die sehen es dir an, ob du nur ablieferst weil du es musst oder weil du es liebst.

Daher verabschiede ich mich mit einem Zitat von unserem Babba, der es auf den Punkt getroffen hat: „The message is gude Laune, Aldeeer!“

Tschüss, Marc.

 

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