Sylvie Miles – Hamburg loves Berlin

Mit geballter Peaktime-Energie rückt die Hamburger Künstlerin Sylvie Miles zusehends ins Rampenlicht der Techno-Landschaft. Ihre Tracks erreichen mittlerweile Streams in Millionenhöhe und dank Veröffentlichungen auf ALAULA, Spacekraft Recordings oder Dr. Mottes Rave-The-Planet-Label setzt die ambitionierte Produzentin und Vokalistin Duftmarke um Duftmarke. Kein Wunder also, dass ihr Track „Man In The Woods“ im vergangenen Jahr von niemand Geringerem als Sama Abdulhadi mit einem Platz auf der „Fabric presents Sama Abdulhadi“-Mix-Serie geadelt wurde – Vinyl-Release inklusive. Wir haben mit Sylvie Miles über ihre von familiärer Skepsis geprägten Anfänge, ihre ungebrochene Liebe zur Musik und ihre Rave-The-Planet-Ambitionen gesprochen.

Hallo, Sylvie. Wir hoffen, du hast den Start ins neue Jahr gut überstanden. An welchen neuen Projekten arbeitest du derzeit?

Silvester war bei mir sehr entspannt, damit ich mit voller Power ins neue Jahr starten kann – ich freue mich schon riesig. Ich arbeite momentan an mehreren Projekten und Kollaborationen, möchte da aber noch nicht zu viel verraten. Einen Track habe ich bereits auf einem bekannten, tollen Label platziert. Meistens kündige ich die Tracks via Instagram an und spiele sie dann bei meinen Gigs.

Sprechen wir doch ein wenig über deine musikalische Sozialisation. Wann ging es damals los bei dir mit elektronischen Klängen?

Als ich noch ein Kind war, lief bei meinem Papa immer Trance im Auto und als ich mir dann ein Gigi-D’Agostino-Album von meinem ersten Taschengeld kaufte, war der Grundstein wohl gelegt. Danach musste jede neue Kontor-CD sofort gekauft werden. Später avancierte der Radiosender „Sunshine Live“ dann zu meinem Lieblingssender und in den Clubs genoss ich es immer sehr, wenn Electro lief. Techno hat mich dann zum ersten Mal 2021 in seinen Bann gezogen, auf einem Open-Air-Rave in Hamburg.

Deine Pläne, später mal professionelle DJ und Producerin zu werden, waren zu diesem Zeitpunkt allerdings schon in Stein gemeißelt. Du sagst, deine Familie habe darauf zunächst ziemlich skeptisch reagiert. Erzähl uns mehr.

Obwohl ich wusste, dass ich das Ganze irgendwann beruflich machen möchte, habe ich es meiner Familie zunächst als Hobby verkauft. Für meine Eltern erschien es unverständlich, seinen sicheren Nine-to-five-Job aufzugeben. Ich habe zu der Zeit in Vollzeit als Versicherungskauffrau gearbeitet und der Job fühlte sich immer mehr wie ein Hindernis an, da von Tag zu Tag klarer wurde, dass ich ganz woanders hingehöre. Irgendwann traf ich die Entscheidung zu kündigen, auch wenn ich wusste, dass meine Familie nicht hinter mir stehen würde. Ganz anders tickte da meine beste Freundin, die zusammen mit mir in der Versicherung gearbeitet hat und fest an meinen Erfolg glaubte. Ich bin so dankbar, dass ich sie habe und sie mich schon so lange begleitet.

Und wie sieht es heute aus? Wächst mit deinem Erfolg auch die Akzeptanz deiner Familie?

Jetzt, wo sie sehen, dass mein Plan aufgeht, haben sie meine Entscheidung respektiert und akzeptiert, ja. Ich freue mich auch zu sehen, dass ich sie mit meiner Selbstständigkeit sogar ein Stück weit inspirieren kann, selbstständiger zu leben und mehr Dinge zu tun, die ihnen Freude bereiten.

Das ist schön zu hören. Wie ging es karrieretechnisch denn überhaupt los bei dir? Was waren die ersten Grundsteine?

Ich bin sehr froh, dass ich 2020 einen Praktikumsplatz in einem Hamburger Tonstudio bekommen habe – die Plätze waren echt begehrt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich Ableton zwar bereits auf dem Rechner, war aber noch völlig überfordert und wusste, dass ich Hilfe brauchen würde. Beim Praktikum konnte ich dann erfahrenen Produzent*innen über die Schulter gucken und alle Basics lernen, die ich zum Start brauchte. Ich werde einfach nie vergessen, wie ich am ersten Tag des Praktikums nach Hause ging und den gesamten Rückweg nicht aufhören konnte zu weinen. Mich hat total umgehauen, dass ich das Gefühl hatte, endlich meinen Platz im Leben gefunden zu haben – bei der Musik.

Dein Fleiß und Engagement haben dann im Anschluss recht schnell Früchte getragen. 2022 hast du deine erste Techno-Single veröffentlichen können.

„We All Unite“ ist direkt wie eine Bombe eingeschlagen und wurde in wichtige Playlisten wie „Electronic Rising“ oder „Techno Bunker“ übernommen. Das war der Beweis für mich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es folgte 2023 die Einladung zum Songcamp bei Alaula, wo ich mit Biskuwi und Jyll eine EP produzierte und damit sogar auf dem Cover der „Electronic Rising“-Playlist landete.  Mein nächster Track „Man In The Woods“ wurde plötzlich in den größten Venues weltweit von Sama Abdulhadi gespielt. Sie mochte den Track so sehr, dass sie ihn für ihren Fabric-London-Mix auswählte und in einer kleinen Stückzahl sogar auf Vinyl veröffentlichte.

Eines deiner aktuellen Release-Highlights ist dein Track „I Love Berlin“, der über Dr. Mottes Rave-The-Planet-Label erschienen ist. Passend dazu ist es einer deiner größten Träume, mal bei der Rave-The-Planet-Parade auf einem der Wagen zu spielen. Na, das wird doch jetzt wohl klappen, oder?

Das wäre wirklich sensationell. Ich habe 2023 alles versucht, um dort spielen zu können, aber leider hat es nicht geklappt. Ich hatte dann die Idee, „I Love Berlin“ an alle möglichen DJs zu schicken, die dort spielen sollten. Da aber auch das nicht funktionierte, freut es mich nun umso mehr, dass der Track von Dr. Motte höchstpersönlich auf dem Label gesignt wurde. Ein besseres Zuhause dafür kann ich mir nicht vorstellen. Ob es 2024 mit einem Gig bei der Parade klappt, kann man nicht sagen. Ich habe zwar schon mehrere Anfragen erhalten, auf einem der Wagen zu spielen. Allerdings werden die Bewerber*innen ja erst noch ausgelost.

Lass und noch ein Stück tiefer in deine Producing-Welt eintauchen. Wie sieht dein Workflow mittlerweile aus? Hast du bestimmte Vorgehensweisen im Studio?

Ich muss immer grinsen, wenn ich „Studio“ höre, denn so kann man das wohl kaum nennen. Ich habe mein Basic-Equipment in der Ecke meines Wohnzimmers, das gleichzeitig mein Schlafzimmer ist. Aber ich habe alles, was ich brauche, und es ist mein absoluter Lieblingsplatz. Beim Producing lasse ich mich meist von meiner Intuition leiten und weniger von anderen Tracks oder Label-Konventionen. Ich lasse meiner Kreativität einfach freien Lauf und mache das, was mir gefällt.

Spannend an deinen Produktionen ist insbesondere der Aspekt, dass du deine Vocals ausnahmslos selbst einsingst. Woher kommt die Liebe zum Gesang? Gibt es da eine Vorgeschichte?

Meine Vocals sind ein elementarer Bestandteil all meiner Tracks. Mittlerweile gebe ich meine Stimme auch nicht mehr her, was ich früher für Features gemacht habe. Meine Vocals sollen nur noch bei meinen eigenen Produktionen zu hören sein. Eine Vorgeschichte gibt es allerdings nicht wirklich. Ich singe privat einfach unheimlich gerne und es macht mir Spaß, die Lyrics zu kreieren.

Werfen wir abschließend einen Blick auf die nächsten Wochen und Monate. Welche Highlights stehen bei dir an?

Für mich geht es unter anderem ins Uebel & Gefährlich in Hamburg, ins KitKat Berlin und ins Tanzhaus West nach Frankfurt und in den Wuppertaler U-Club. Am 15. März erfolgt dann mein bisher größter Gig beim Close Festival in der Turbinenhalle Oberhausen – da freue ich mich schon sehr drauf.

Worauf ich mich ebenfalls sehr freue, ist mein Auftritt am 30. April im Berliner Ritter Butzke mit Mark Dekoda. Mark war es auch, der mich im letzten Jahr den Jungs von Bassgeflüster vorgestellt hat, meiner Bookingagentur. Nach dem ersten Gespräch mit Yves und Simon war uns allen klar, dass das ein perfektes Match sein wird. Ich bin so unendlich dankbar, wie sehr die beiden an mich und meine Musik glauben und so unfassbar viel für mich tun, um mich und mein Projekt zu unterstützen. Im Sommer stehen dann einige Festivals im In- und Ausland an. Verkünden kann ich bereits eines meiner absoluten Highlights: das Panama Open-Air in Bonn.

„I Love Berlin“ ist am 17. November via Rave The Planet erschienen.

Aus dem FAZEmag 143/01.2024
Text: M.T.
www.instagram.com/sylviemiles.music