Selbstbewusst präsentiert der Mann aus Montpellier, mit dem wir erst im Herbst zuletzt gesprochen haben, sein bisher aufregendstes Projekt: „Shifting“ – sein mittlerweile drittes Studioalbum. Dabei bedeutet der neue Langspieler zeitgleich eine Art introspektive Reise, durch die Teho seine tiefsten Ängste und Traumata verstehen wollte und schlussendlich auch hat, um sich von selbigen zu befreien. Mit hellen Phasen voller Hoffnung, die von dunkleren Momenten kontrastiert werden, in denen Wut die Oberhand gewinnt, spiegelt „Shifting“ die Suche nach innerem Frieden wider sowie die Zweifel eines Künstlers, der die Gründe für sein Unglück nicht versteht, wenn alles um ihn herum gut zu sein scheint. Melodisch beeindruckende Kompositionen und tanzbereite, tiefe, euphorische Ausflüge machen dieses Album zu Tehos bisher beeindruckendstem Werk und bieten eine Vielzahl von Tempi, Tönen und Themen. „Shifting“ erscheint am 19. April auf seinem eigenen Label Labo T.
Teho, wir haben vor nicht allzu langer Zeit gesprochen. Wie geht es dir und wie fühlst du dich in deinem neuen Zuhause?
Ich fühle mich großartig hier, mitten auf dem Land im Süden Frankreichs. Ein sehr ruhiger Ort, nahe der Natur und dem Meer, quasi der perfekte Spot für die Familie. Meine Tochter kann fast jeden Tag draußen spielen, wir kennen unsere Nachbarn, und das hilft, sich sicher und geborgen zu fühlen. Und natürlich habe ich mein Home-Studio so gemütlich wie möglich eingerichtet, ich wollte mich wirklich wohl fühlen, wenn ich arbeite, also habe ich mein Bestes dafür gegeben.
Im Herbst zur Zeit unseres letzten Interviews warst du in den letzten Zügen des Albums. Nun steht Mitte April das Release an.
Oh ja, was für eine Zeit. Ich habe viele Gemütszustände durchgemacht, als ich das Album produziert habe, also ist es jetzt eine Erleichterung, es endlich zu veröffentlichen. Das ganze Album spiegelt verschiedene Arten von Emotionen wider, in denen ich in diesem Moment des Komponierens war. Zuerst wollte ich nicht über meine Traumata sprechen, mit denen ich konfrontiert war, aber nach ein paar Monaten dachte ich, dass, wenn ich ehrlich darüber spreche, es mir helfen wird, damit umzugehen, und vielleicht könnte es auch einigen Menschen helfen, über ihre eigenen Traumata zu sprechen, sowie vielleicht zu verstehen, warum sie sich so fühlen.
Um mehr ins Detail zu gehen: Das Album begibt sich auf eine introspektive Reise und spricht deine tiefsten Ängste, Traumata und Panikattacken an, die bis in deine Kindheit zurückreichen.
Für mich war die größte Herausforderung, den Grund meiner Ängste zu verstehen, denn das Leben scheint mir prinzipiell wohlgesonnen zu sein, ich habe eine liebevolle Familie, es gelingt mir, meinen Lebensunterhalt mit meiner Leidenschaft zu verdienen, warum also fühle ich mich so? Manchmal, wenn ich alleine auf Tour war, hatte ich plötzlich Panikattacken. In diesen Momenten wollte ich nur nach Hause zurückkehren und die Shows absagen. Zum Glück habe ich das nie getan. Ich versuchte, einige Meditationsübungen zu machen, um ruhig zu bleiben und mit diesen Krisen umzugehen, aber es funktionierte eher schlecht als recht. Am Ende hatte ich eines Nachts ein tiefes Gespräch mit einigen meiner engsten Freunden darüber, und nach einer Weile fand einer von ihnen den Grund heraus. Die Abwesenheit meines Vaters, als ich ein Kind war, und die Analogie zu mir, meine Tochter für meine Tour zu verlassen. Es dauerte mehrere Wochen, bis ich mit diesen Gedanken gekämpft habe und sie schließlich akzeptierte. Jetzt tue ich mein Bestes, um so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen, und genieße es wie das beste Geschenk, das ich je hatte.
Eine schmerzhafte, aber wahrscheinlich befreiende Erkenntnis. Wie verarbeitest du solch intensive Emotionen in deiner Musik?
Für mich war es immer der einfachste Weg, meine Gefühle in Musik statt mit Worten auszudrücken. Es ist für mich einfacher, Emotionen durch Musik führen zu lassen und sie beim Komponieren wiederzugeben. Wir leben in einer Ära, in der jeder sein Glück zeigt, sein bestes Leben präsentiert. Über seine Probleme spricht allerdings fast niemand. Ich war genau so, außer in meiner Musik. Diese war auf gewisse Weise mein Ventil. Jetzt bin ich okay damit zu sagen, dass ich eine sensible Person bin, zu sagen und auch zu zeigen, dass ich als Kind einige Traumata hatte. So wie fast jeder andere auch, und das ist kein Problem. Denn das ist das Leben!
Wie haben diese Ereignisse deine Arbeit im Studio verändert, insbesondere angesichts deines neuen Studios in deinem neuen Zuhause?
Ich denke, jetzt fühle ich mich viel selbstbewusster und entspannter beim Komponieren meiner Tracks. Der allererste Titel, den ich direkt danach produziert habe, heißt „Never Look Back“. Es ist ein sehr sanfter und heller Track, den ich exklusiv als geheimen Bonus-Track in die physische Version des Albums auf Vinyl und CD aufgenommen habe. Dieser Titel ist ein perfektes Beispiel für meinen neuen Ansatz, Musik zu produzieren.
Viele Künstler*innen unterstützen die These, gewisse Phasen von Melancholie und sogar tiefer Depression zu benötigen, um zu ihrer voller, inneren Kreativität zu gelangen. Würdest du dem zustimmen, nach allem, was du erlebt hast?
Ich stimme bedingt zu. Manchmal können Glück und Selbstvertrauen auch dazu beitragen, kreativ zu sein. Die Stimmung der Tracks wird sicherlich anders sein, aber für mich funktioniert es in beide Richtungen. Und mein Album zeigt tatsächlich beide gegensätzlichen Seiten von Glück sowie Unglück. Zum Beispiel ist der Haupttitel des Albums ein sehr positiver Track namens „Five-0“, der von meiner anderen Leidenschaft, dem Skateboarden, handelt. Zum Skatepark zu gehen, ist immer eine gute Zeit für mich, es hilft mir, an nichts anderes als den gegenwärtigen Moment zu denken, dies mit Freunden zu teilen und manchmal auch mit meiner Tochter. Und dieser Titel ist wahrscheinlich einer meiner Favoriten vom neuen Album, weil er mich an glückliche Momente erinnert.
Wie hat sich dein Sound im Vergleich zu den vorherigen Alben verändert und entwickelt?
In technischer Hinsicht habe ich das Gefühl, dass ich mich die ganze Zeit weiterentwickle, jeden Tag neue Dinge lerne, und das ist etwas, das mich beim Produzieren von Musik wirklich begeistert. Also habe ich das Gefühl, dass dieses Album viel besser klingt als die anderen. Aber in Bezug auf den Charakter des Albums ist „Shifting“ die Fortsetzung von „Infinity“, meinem zweiten Album. „Infinity“ wurde während der Corona-Pandemie komponiert, ich glaube daher, dass ich mit denselben mentalen Problemen wie bei „Shifting“ gekämpft habe. Der Hauptunterschied ist, dass ich mir dessen für dieses neue Album bewusst war und versucht habe, es zu überwinden.
Der Sommer in Europa rückt näher, was sind deine Pläne für die kommenden Wochen und Monate?
Es stehen zwei große Events an, zwei Release-Partys, eine in Montpellier, meiner Heimatstadt, und eine in Berlin im Ritter Butzke. Für die erste arbeite ich an einer großen Show mit Lichteffekten, es ist also eher wie ein Konzert. Bei dieser Show werde ich einige Tracks spielen, die ich normalerweise nicht spiele. Und für die zweite wird es im Gegensatz dazu eher eine Clubveranstaltung sein, mehr auf den Dancefloor ausgerichtet, mit all meinen Klassikern plus den neuen Tracks vom Album. Diese beiden Shows werden die zwei Seiten meiner Shows für diese Tour sein, und ich freue mich sehr auf beide, weil sie sehr unterschiedlich sind. Abgesehen davon werde ich in vielen Städten spielen, hauptsächlich in Europa. Mehr Termine findet man auf meinen sozialen Kanälen. Außerdem stehen einige Familienurlaube an. Wir haben noch nichts geplant, aber sicher werde ich einige Tage frei machen. Wir werden einige Konzerte besuchen und es sind auch eine Menge Aktivitäten mit meiner Tochter geplant. Aber ich muss ehrlich sein, ich bin ein Workaholic, ich liebe meinen Job. Also werde ich immer einen Laptop dabei haben, falls mir eine Idee einfällt (lacht).
Aus dem FAZEmag 146/04.2024
Text: Triple P
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