Tom Novy – 45 Years of House Music

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Tom Novy gehört zum FAZEmag wie das Space zu Ibiza und RaveOnSnow zu Saalbach-Hinterglemm. In diesem Monat feiert unser Lieblingskolumnist seinen 45. Geburtstag. Ein Grund, über das Leben, die Musik, Kinder und die MAYDAY zu sprechen. Ach ja, Tom hat in diesem Monat auch den Download-Mix für uns angefertigt. Und der ist absolut großartig geworden. I house you. You house me and he houses us all.

In diesem Monat feierst du deinen 45. Geburtstag, und vor 20 Jahren erschien deine erste Single “I House You” – programmatisch für deine Karriere. Welche Erwartungen an die Musikbranche haben sich erfüllt und welche nicht? Was war die größte Enttäuschung, was die größte positive Überraschung?
Ja, wer hätte das gedacht, dass „I House You“ mal zum Lebensmotto wird? Finde ich aber ziemlich gut. Erwartungen an die Musikbranche sollte man nicht so viele haben. Es kommt immer anders, als man denkt, und die ungewöhnlichsten Karrieren sind die nicht erwarteten. Die Frage ist eher, warum man in die Musikbranche einsteigt. Ist es die Liebe zur Musik selbst und der Spaß am Entertainment, oder will man Ruhm und Geld erlangen. Beides geht oft nicht einher und in den vielen Jahren habe ich gesehen, dass es auch nicht glücklich macht. Erfolg und Charts und all das ist toll, aber es vernebelt einem auch schnell die Sinne, wie man an vielen meiner Kollegen sehen kann. Die größte Enttäuschung ist wohl, dass die Musikbranche es nie verstanden hat, sich in den neuen Medien zu behaupten. Mit dem mp3 kam der Untergang der guten Musik. Und mit dem Internet wurde die Branche zu Grabe getragen. Das sind harte Worte, aber wer sich an die Zeit vor illegalen Downloads und Musik am Handy hören und den ganzen Mist erinnert, der wird verstehen, was ich meine. Die jungen Leute heute haben keine Kultur mehr, was das anbelangt. Und die Branche versucht dann halt, in der Not immer wieder andere Wege zu gehen. 360 Grad-Deals, SoundCloud, Spotify und so weiter sind irgendwie alles bekloppte Konzepte, wenn man an den Grundgedanken vom Urheberrecht eines Künstlers denkt. Die positivste Überraschung ist, dass ich nach 30 Jahren DJ immer noch diesen Job machen darf. Als ich anfing mit dem DJing war niemanden so richtig klar, was da draus wird. Ich dachte, mit 35 bin ich ein arbeitsloser Penner. Schön, dass es anders gekommen ist.

Udo Jürgens – RIP – hat einen Song geschrieben mit dem Titel “Ich würde es wieder tun”. Auf etwas älteren Pressebildern trägst du ein Shirt mit der Übersetzung ‘Ich bereue nichts’. Was in den vergangenen 20 Jahren deiner Karriere würdest du dennoch anders machen, wenn du die Gelegenheit dazu hättest?
Nun ja, wie oben schon geschrieben, ist der Erfolg eine billige Hure. Auch ich war, als ich meinen ersten TopTen-Hit landete mit 25 Jahren, wohl ein wenig unausstehlich und sehr laut. Ich glaube, ich habe mir damals nicht so viele Freunde gemacht, und das tut mir leid. Ich denke, man sollte sich über Erfolg freuen, aber es nicht zum Credo werden lassen. Das macht auf die Dauer nicht glücklich. Genauso wie Privatjets, HON-Status-Karten, 5-Sterne-Präsidenten-Suiten und Rider, die mehr kosten, als ein Einfamilienhaus, liebe Kollegen. Ich bereue nichts, weil ich dankbar bin. Ich habe ein fantastisches Leben. Ich bin gesund und habe tolle Kinder und eine wundervolle Frau und einen bekloppten Hund. Ich habe so viel erlebt und gesehen, dass es für zwei Leben reicht und ich habe mein ganzes Leben bis jetzt Leute zum Tanzen gebracht. Was sollte ich daran bereuen?

Du bist stolzer Vater eines Sohnes, der gerade in den Kindergarten geht, und einer erwachsenen Tochter. Zwischen diesen beiden Kindern liegen fast 18 Jahre. Wie geht deine erwachsene Tochter mit deinem Beruf um, und inwiefern hat sich deine Einstellung zum Vatersein in den vergangenen Jahren verändert?
Das Gute an der Vaterschaft ist – und da wird mir jeder Vater beipflichten: Es verändert einen Mann in der Sekunde, in der der kleine Mensch da ist. Das ist wohl Evolution. Aber als Vivian kam, war ich gerade mal 20. Insofern habe ich sehr früh erfahren, wie groß die Verantwortung ist, die man trägt, wenn man Kinder hat. Ich denke, das hat mich eigentlich gerettet, denn während für viele meiner Freunde in den 1990ern die Afterhour drei Tage gedauert hat, bin ich heim zu meiner Tochter. Das war eine harte Zeit, denn mit 20 ist man nicht bereit für ein Kind, wenn man so einen Beruf ausübt. Dennoch glaube ich, ich habe es gut hin bekomme, wenn ich mir Vivian jetzt so ansehe. Ich bin sehr stolz, und wir haben ein sehr tiefes Verhältnis. Sie weiß, dass ich immer für sie da bin, komme was wolle. Jetzt noch mal ein Kind zu bekommen, war ein großer Herzenswunsch. Damals Vater sein war nicht immer leicht, heute bin ich viel erwachsener. Ich liebe Kinder und meine zwei sind toll. Wer weiß vielleicht mache ich noch ein paar.

Ein weiteres deiner Kinder ist das Label Nouveau Niveau, das 2005 erstmalig ins Leben gerufen und dann 2010 reanimiert wurde. Warum die fünfjährige Pause, und welche Künstler gehören aktuell zu NN? Wie schafft man es, innerhalb der gefühlten 20.000 Labels da draußen herauszustechen. Gute Musik reicht da ja nicht.
Die Pause war einfach nur auf Zeitmangel zurück zu führen. 2005 wurde „Your Body“ zum Hit und der ganze Rummel ging von Neuem los. Ich bin damals zig Mal um die Welt getourt und hinzu kam noch jede Woche Ibiza Space im Sommer. Wie hätte ich da ein Label führen können? Aktuell macht mir Nouveau Niveau großen Spaß. Ich habe tolle Künstler und große Talente:

Christopher Groove, mein Buddy und Produzent. Ein unglaublich großes Talent. Er hat übrigens auch schon für Felix Köcher, Marco Bailey und Felix da Housecat gearbeitet. Von ihm wird man noch viel hören. Ich habe in den vielen Jahren kaum ein größeres Talent gesehen. Amadeas, die Stimme. Er kommt ursprünglich aus einem anderen Genre, aber hat House sehr schnell verstanden und schreibt tolle Nummern und singt großartig. Außerdem sieht er ziemlich gut aus und die Frauen werden ihm eines Tages zu Füßen liegen. Veralovesmusik, die Harmonie. Eine Stimme ist nicht genug. Am besten, man klingt wie ein Engelschor. Vera ist ein unglaubliches Talent. Sie schreibt Songs, die eigentlich Pink und Co singen müssten. Sie performt und singt wie ein Superstar. Wegen ihrer Mamipause ist es gerade ein bisschen ruhiger, aber es kommen tolle Nummern in Kürze. Schwarz100, der King der Edits. Wer ihn nicht kennt, hat unbedingt was verpasst. Er ist noch ein Geheimtipp, wird aber bald die Welt erobern. Ganz sicher. Shuja, der Hitmacher. Ich weiß nicht warum, aber mit „Octopus“ hat er mit Robert Heart schon einen Hit gehabt. Seine „In My Mind“-Nummer ist für mich ein noch größerer Song. Der Junge hat tolles Gefühl für Musik. Ich denke, man wird noch viel von ihm hören. Sebastian Wojkovski, der Zweifler. Er weiß nie, ob er noch Musik machen soll oder nicht. Er denkt, das bringt alles nichts. Sobald man ihm aber zeigt, dass es um die Musik geht und nicht um das drumherum, macht er unglaublich gute Tracks. Brad Wilder, der Resident aus dem Paradise Club in Mykonos hat auch das Zeug dazu, groß zu werden. Da kommen in Kürze neue Stücke, die euch den Atem rauben werden. Andrew Fonda ist ein neues Gesicht bei uns, das fleißig und umtriebig ist. Er macht Techhouse, der treibt und stampft und doch verspielt ist. Unbedingt mal auf ihn achten.

Das waren mal die Wichtigsten, und es gibt noch mehr tolle Künstler in der Nouveau Niveau Familie. Wie mal als Label heraussticht? In dem man tolle Musik macht, die nicht einem Trend folgt sondern Emotionen hervorruft. Natürlich muss ein Label auch viel arbeiten, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg und außerdem ja auch noch jung und wild.

Welcher dieser Acts hat das Zeug zum großen Star und wieso?
Ich mag und respektiere jeden einzelnen meiner Künstler. Ich wünsche es mir auch für jeden von ihnen. Heute ein Star zu werden, liegt noch weniger in der Hand des Artists als früher. Mit gekauften Likes und falschen SoundCloud-Plays haben es sicher ein paar geschafft. Aber ob das Bestand hat, wird man sehen.

Die Entwicklung in der elektronischen Musik verläuft zyklisch, das heißt, alles kommt irgendwann mal wieder. So wie Deep House und Acid. Wie schaffst du es, dich immer wieder zu motivieren, neue Songs zu produzieren? Und wie fühlt man sich, wenn da draußen junge, intelligente Produzenten mit wenigen Handgriffen und wenig eigenem Dazutun Welthits erschaffen?
Klar, eine Nummer zu machen, die im Club rennt, ist lässig und macht auch Spaß. Aber mir ging es schon immer um die Songs. Es sind noch längst nicht alle geschrieben worden finde ich. Und erst wenn Menschen dir mal gesagt haben, wie glücklich sie dein Lied gemacht hat damals oder auch heute, versteht man, worum es geht glaube ich. Wenn Menschen heute noch „Your Body“ oder „I Rock“ oder „Dancing In The Sun” mitfeiern und singen. Das ist toll. Zu den jungen Produzenten kann ich nur sagen, dass es die Idee ist, die zählt. Die großen Nummern entstehen in kürzester Zeit. War schon immer so. Ob das jedoch intelligent ist, sich an schon bestehenden Songs zu vergreifen und illegaler Weise davon einen Remix zu machen, glaube ich kaum. Klar, für einen Robin Schulz oder einen Zwette mag das aufgegangen sein, und auch ein Nico Pusch wird ganz gut gebucht sein. Gratuliere. Für mich sind es aber andere Musiker, die meine Aufmerksamkeit und meinen Respekt verdienen. Ein Song wie von Kölsch „ All That Maters“ oder Ane Brun „Let Myself Go“ oder Oliver Koletzkis „Hypnotise“ zum Beispiel finde ich sehr viel innovativer als unter einen bestehenden Hit einen Beat oder aus einem fertigen Samplekit einen Track zu basteln. Wenn es funktioniert, von mir aus gerne. Ich habe musikalisch andere Ansprüche.

Wohin geht die Reise des Künstlers Tom Novy? Du hattest vor kurzem ein Restaurant in deiner neuen Wahlheimat Zürich eröffnet. Vor einigen Jahren hast du dich um einen Club in München gekümmert. Welche Ziele hast du (noch)?
Um ehrlich zu sein weiß ich es nicht. Genau wie MTV oder Radio oder was auch immer ich schon alles gemacht habe. Ich bin jemand, der so was nicht plant. Ich tue das, was mir Spaß macht und woran ich mein Herz hängen kann. Neue Wege sind immer spannend. Ich kann mir vieles vorstellen, aber kann nicht sagen, was es denn als Nächstes werden wird. Auf jeden Fall hat gerade der neue FAZE Mix großen Spaß gemacht. Hier konnte ich mich mal ziemlich austoben, und ich denke der eine oder andere wird überrascht sein, wenn er nicht mehr von mir aus dem FAZEmag kennt, als meine große Fresse auf der letzten Seite.

Deine Party-Reihe Timeless hat sich zu einem erfolgreichen Brand entwickelt. Wirst du auch in diesem Jahr wieder auf Ibiza damit vertreten sein und wie siehst du die Entwicklung von Europas Partyinsel No. 1?
Ja, ich denke schon. Wir hocken uns im März alle hin. Die letzte Saison war ja schon mal ganz ordentlich, aber ich habe auch schon wieder ganz viel neue Blödeleien im Kopf für den kommenden Sommer. Und nicht nur in Ibiza. Partyinsel Nummer Eins? Ich weiß nicht. Ibiza war immer mein zweites Zuhause, seit ich 1997 im Space anfing. Es gibt vieles, was mir nicht mehr gefällt aber auch vieles, was toll ist. Ich denke, Ibiza hat die ganze Welt beeinflusst, und das ist der Erfolg und der Hype daran. Jeder Beachclub oder fast alle Clubs auf der Welt orientieren sich heute noch an den Läden dort. Ich mag Ibiza zu sehr, um darüber zu urteilen. Mir sind die anderen Partys dort wenn ich ehrlich bin ziemlich egal. Wenn ich Lust habe zu feiern, gehe ich aus. Egal ob in Ibiza oder sonst wo. Und ich muss auch nicht zum Cox oder zum Richie zwingend. Ich kann auch bei Guetta Spaß haben, auch wenn es weniger meine Musik ist. Ich bin partytolerant.

Wie findest du das neue MAYDAY-Line-up?
Ganz gut eigentlich. Ich mag die Drum ’n’ Bass-Nummer. Camo & Crooked finde ich super. Dass man ein wenig die großen alten Namen vermisst ist, wenn ich das richtig deute, der Aufbruch zu Neuem. Vielleicht kein schlechter Move. Ich finde die Festivals, die immer die selben Namen buchen langweilig. Wer will den zum hundertsten Mal AKA AKA sehen oder sonst einen von denen, die IMMER auf allen Flyern stehen. So was nutzt sich schnell ab. Ich will ja auch nicht zwingend jedes Jahr jedes Festival spielen. Muss doch nicht sein, nur um damit zu zeigen, was für ein Pferd im Wind man ist. Zu viel Eitelkeit bringt nichts. Weder dem Festival noch dem Künstler am Ende.

Was machst du an deinem Geburtstag? Wie sieht der für dich perfekte Geburtstag aus?
Na feiern, was denn sonst. Feiern mit Freunden und Bekannten und allen die mitfeiern wollen. Ihr seid herzlich eingeladen. Kommt tanzen. / Sven Schäfer

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www.tomnovy.com