Tricky war schon immer ein Troublemaker. Der dauerkiffende Brite aus detm Süden Bristols gilt seit jeher als kleiner Rebell: Ob die Label-Streitigkeiten mit Domino Records Ende der Nullerjahre, seine kritischen Äußerungen zum Musik- journalismus oder familiärer Knatsch – Trickys bisheriger Weg war mit allerlei Problemen gepflastert. Die Gegenwart hingegen wirkt frisch wie eh und je.
Alles beginnt mit einer Überraschung: Tricky hat nach über 30 Jahren Konsum mit dem Kiffen aufgehört. „Ich bin ein Sklave geworden. Wenn ich irgendwo hingereist bin, habe ich immer sichergestellt, dass wir dort Weed hatten. Doch es war Zeit für eine Veränderung. Ich habe realisiert, wenn ich an mir arbeite, wird sich meine Musik verbessern. Dabei geht es nicht nur um Musik, sondern auch darum, sich selbst zu verbessern. Umso besser ich mich fühle, ich mich als Person verbessere, desto besser wird auch die Musik“, beichtet ein sichtlich gealterter Produzent, der mit langsamen Schritten auf die 50 zugeht. Die ersten Tage seien zwar wie ein kalter Entzug gewesen, doch das Leid hat sich bezahlt gemacht. Nur 14 Monate nach seinem letzten Longplayer „False Idols“ erscheint dieser Tage sein bereits zehntes Studioalbum. Es trägt seinen bürgerlichen Namen „Adrian Thaws“ und räumt wohl allerspätestens jetzt damit auf, dass Tricky lediglich einer dieser TripHop-Künstler sei, der nur entschleunigte Beats und ein paar düstere Soundscapes auf Lager hat. Apropos düster: Was viele zumeist vergessen, ist der Ursprung für seine mitunter unterkühlte Musik, die Ende der 80er-Jahre als Mitglied der Rap-Kombo Fresh 4 und im Umfeld von Massive Attack seinen Ausgangspunkt nahm. Sein Mutter Maxine Quaye, nach der sein 1995er Erfolgsalbum benannt ist, nahm sich das Leben, als Tricky vier Jahre alt war. Sein Vater lernte er nie kennen, sodass der Sohn mit jamaikanischghanaischen Wurzeln im Weißenviertel Knowle West von seiner Großmutter und Onkeln erzogen wurde. „Ich komme aus einer gefährlichen Familie. Meine Onkel waren echte Gangster, einer kontrollierte damals ganz Manchester, der andere hatte die Macht in Bristol. Meine Großmutter sagte mir immer, dass ich, wenn mich die Polizei anhält, nie meinen richtigen Namen sagen sollte. Ich bin zwar kein Krimineller, aber ich wurde so erzogen.“
Ein kurzer Aufenthalt im Gefängnis und die Tristesse in Bristol trieben ihn zur Musik. Mit seinem Debütalbum, das er nicht nur mit der damaligen Freundin Martina Topley-Bird und Mutter seiner Tochter Maisy aufgenommen hatte, überzeugte mit einer bis dahin gänzlich neuen Mischung aus HipHop, Soul, Dub, Rock und elektronischen Einflüssen. Der Neologismus TripHop wurde zum geflügelten Wort und blieb an Tricky auch für die nächsten zehn Jahre haften. In alten Interviews verglich Tricky seine Musik sogar mit McDonald’s, sei sie doch irgendwie überall gewesen – in Kino-Werbungen, auf Soundtracks, im Supermarkt. Gerade die Wahl des neuen Titels reflektiert seine Ansage, dass wir Tricky noch immer nicht kennen: „Es geht um mich als Person, die immer noch lernt. Ich versuche, endlich erwachsen zu werden. Ich bin nicht immer ein guter Mensch, nicht sehr gut in Beziehungen und Familie. Aber ich finde allmählich meinen Weg, bin weniger verwirrt und weiß nun mehr über das Leben, ich fühle mich glücklicher. Das Album ist ein Neubeginn, es hat einen stärkeren Fokus.“ Dass selbst seine Band sagt, dass das Tourleben mit Tricky nun angenehmer sei, spricht wohl für sich. Aber die eigene Pfadfindung ist auch den 13 neuen Songs auf „Adrian Thaws“ anzuhören. Auch wenn der Brite mit MC Bella Gotti, Mykki Blanco und der deutsch-nigerianischen Sängerin Nneka abermals zahlreiche Features beherbergt, ist es in erster Linie die Scheuklappenfreie Experimentierlust, die Trickys neues Leben widerspiegeln.
Und das mit der Familie scheint auch immer besser zu funktionieren: „Meine Tochter hat für das neue Album ihre A&R-Skills unter Beweis gestellt. Sie war bei ihrer Großmutter, hat mich angerufen und gefragt, ob ich nicht bitte mit dieser Sängerin namens Tirzah zusammenarbeiten könnte. Ich war eigentlich viel mehr daran interessiert, mit Little Dragon was zu machen, aber meine Tochter meinte, jetzt nicht – Tirzah passt besser zu dir. Sie kennt meine Musik und gibt immer wieder kleine Hinweise, die ich wirklich sehr schätze. Sie wusste etwas, das ich nicht wusste, nämlich das Tirzah dem Album etwas hinzufügt, das wirklich besonders ist.“ Mit dem Opener „Sun Down“, auf dem Tirzah zu hören ist, starten 40 Minuten, die Tricky wieder in Bestform präsentieren. Eigentlich immer in Bestform ist Tricky auch in Interviews, reicht es doch, ihm kleinere Brocken hinzuwerfen, an denen er sich abarbeitet. Angesprochen auf den Club als Institution macht er etwa keinen Hehl aus dem Wandel, den er für schlecht hält: „Die Club-Szene hat sich stark verändert, früher ging es vor allem um die Musik, heute geht es in erster Linie um Drogen und die Superstar-DJs. Techno und Clubs sind heute aber Pop. DJs haben dich früher mit ihren Set gebildet, dir neue Sachen vorgestellt, die besonders waren, heute geht es mehr um die großen Hits und nicht mehr um die Musikbotschaft, die doch immer im Vordergrund stand. Und wenn ich lese, das DJs heute private Jets haben, dann wird mir schlecht.“ Trotzdem ist „Adrian Thaws“ für Tricky sein erstes richtiges HipHop- sowie Clubalbum. Früher sei der HipHop zwar härter gewesen, aber so ist das nun mal, wenn ein ehemals hartes, derbes und beinahe militantes Underground-Genre zum Pop wird. „Mir hat auf Facebook ein Typ geschrieben, der meinte er ist überrascht, dass ich überhaupt House mag. Das war so ein arroganter Kommentar. Bloß weil ich es bisher nicht gemacht habe, heißt es nicht, dass ich es nicht mag. Ich kann House im Schlaf produzieren – das ist so einfach.“ Und tatsächlich, mit der Single „Nicotine Love“, auf der unter anderem seine neue Sängerin Francesca Belmonte zu hören ist, pirscht sich Tricky das erste Mal Richtung (House-)Dancefloor.
Und überhaupt spiegelt die neue LP Trickys Facettenreichtum wider: Ob mit gechillten Reggae-Beats, harten HipHop-Raps, die auch mal in die politische Kerbe schlagen, dem typischen Rock-Pathos und einigen seichten Jazz-Ausflügen – mit „Adrian Thaws“ kehrt Tricky zu seinem ehemaligen Kerngeschäft zurück: mit einer starken Vielfalt zu verblüffen. Und Überraschungen sollen auch in der Zukunft folgen: „Für mein eigenes Label False Idols haben wir gerade das Debüt von Francesca Belmonte gemixt, und ich kann dir sagen, das ist next level shit. Wir haben 14 Tracks beisammen. Eigentlich wollten wir weniger machen, aber konnten schlichtweg kein Track wegnehmen“, verrät Tricky beinahe aufgeregt zum Ende des Gesprächs. Und wenn alles passt, erscheint in diesem Jahr sogar noch ein Coveralbum, das Tricky unterwegs im Tourbus geschrieben hat und auf dem Neu-Interpretationen von The Cure und Billy Holliday warten sollen. Good news all around! / Sebastian Weiß
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