Das Münchener Label Permanent Vacation veröffentlicht seine Releases von Anfang an nicht nur digital, sondern auch auf Vinyl. Es wurde vor über zehn Jahren von Tom Bioly und Benjamin Fröhlich gegründet, die sich in einem Plattenladen kennenlernten und auch heute noch eine große Liebe zur Platte pflegen. Wir haben mit ihnen über ihre Karriere, Pläne und Plattensammlung geredet.
Heutzutage ist es ja gang und gäbe alles digital zu veröffentlichen. Vor allem EPs. Wieso bleibt ihr bei Vinyl?
Benjamin: Als wir mit dem Label angefangen haben, war Vinyl noch die Nummer eins. Digitalität gab es zwar schon, aber war für die elektronische Musik noch nicht so relevant wie sie heute ist. Was ja auch an den Abspielgeräten lag, die ersten CDJs waren ja noch nicht so benutzerfreundlich wie sie heute sind und liefen auch noch etwas holprig. Aber so lange es irgendwie Sinn macht, bleiben wir natürlich auch beim Vinyl. Es gehört für uns einfach dazu, und der Moment, wenn eine neue Platte ankommt und man packt den Karton aus, der hat auch nach wie vor etwas Magisches.
Ist es denn im Laufe der Jahre schwieriger geworden oder ist Vinyl konstant stabil?
Tom: Das kann man so genau gar nicht sagen, kommt ja immer auch auf die einzelne Platte an. Es sind schon teilweise größere Schwankungen bei den einzelnen Releases. Vielleicht ein bisschen größer als früher, wobei wir auch oft auch selber gar nicht sagen können, wann und was auf Vinyl besser läuft als eine andere Platte.
Vinyl erlebt in den letzten Jahren ein Comeback. Warum, findet ihr, sollte Vinyl wieder zurückkommen?
Benjamin: Für uns war das Vinyl ja eigentlich nie weg, deswegen können wir jetzt gar nicht sagen warum es wieder zurückkommen sollte. Der Vinyl-Boom bezieht sich eigentlich auf die Major Labels, die ihren ganzen Katalog wieder neu rausbringen. Es ist wahrscheinlich eine logische Konsequenz aus der allgemeinen Digitalisierung unserer Welt. Nach dem Motto: „Zu jedem Trend ein Gegentrend“. Es ist ja auch lustig zu sehen, wie in großen Elektronikmärkten die CD-Abteilungen immer mehr schrumpfen und die Vinyl-Abteilung wieder wächst.
Wie wirkt sich der allgemeine Vinyl-Boom auf die elektronische Szene aus, die ja auch schon vor dem Boom weiterhin Vinyl veröffentlicht hat?
Tom: Ich glaube nicht besonders. Der Absatz von Vinyl ist wahrscheinlich so hoch wie in Jahrzehnten nicht mehr, aber der Großteil ist sicherlich nicht im elektronischem Bereich. Reissues sind ja auch ein riesen Thema gerade, die laufen im Allgemeinen sehr gut und ich denke auch eher Alben als Maxisingles. Ein Album auf Vinyl ist ja auch viel angenehmer zum Durchhören als eine 12Inch-Single. Und für die elektronische Szene ist ja auch noch zu sagen, obwohl der Kuchen vielleicht insgesamt wieder größer geworden ist, werden die Stücke für jeden Einzelnen kleiner, da einfach viel mehr Musik veröffentlicht wird als jemals zuvor.
Was ist euer bestverkauftes Vinyl?
Benjamin: Das ist wohl die Remix-EP „Camino Del Sol“ von Antena mit Remixen von Joakim und Todd Terje. Das war erst unser zweites Release damals und da hatten wir natürlich schon Glück, dass das dann sofort eingeschlagen hat.
Ihr habt im Jahr 2007 das Label gegründet, nachdem ihr euch im Plattenladen kennengelernt habt. Wie habt ihr die Zeit, vor allem im Hinblick auf die Musikszene in Erinnerung?
Tom: Das war für uns eine sehr aufregende Zeit. Minimal hatte da schon seit einiger Zeit die Clubs dominiert und dann kam auf einmal das ganze Cosmic, Disco und Balearic Revival und wir waren total angefixt davon. Gefühlt kamen jede Woche bahnbrechende Platten raus, neue Künstler, neue Labels formierten sich und eine neue Szene formte sich daraus, in der wir uns schnell wiederfanden und wohlfühlten.
Plattenläden waren immer schon mehr als nur reine Verkaufsstellen. Was habt ihr für spezielle Erinnerungen, was hat euch in Plattenläden geprägt? Und was hat sich da verändert bis heute?
Benjamin: Ich kann mich noch erinnern, dass ich mich als Teenager kaum in die Läden reingetraut habe. Es herrschte teilweise rauer Wind und man wurde auch schon mal angeschnauzt. Die guten Platten wurden auch für die bekannteren DJs reserviert, an die kam man auch erstmal gar nicht unbedingt ran. Erst als man dann wirklich regelmäßig kam, wurde man ein bisschen ernster genommen. Man musste sich seinen Platz schon ein bisschen erkämpfen. Ich habe ja dann auch angefangen in einem Plattenladen zu arbeiten, den ich auch später übernommen habe und von 2002-2008 auch selber noch betrieben habe. Das war schon eine super Zeit und immer, wenn Dienstag und Donnerstag die neuen Platten geliefert wurden, kamen alle zusammen und man hatte einen guten Austausch mit den Leuten in der Stadt und am Wochenende auch mit den Gast-DJs. Ich habe viele Leute über den Plattenladen kennengelernt und möchte diese Zeit nicht missen.
Wenn man zu Zweit ein Projekt hat, kann das natürlich auch mal zu Meinungsverschiedenheiten kommen und man muss einen Kompromiss finden. Inwiefern habt ihr euch mit dem Label mitentwickelt? In elf Jahren passiert eine Menge. Was war euer prägendster oder lustigster Moment mit dem Label?
Tom: Ja da ist natürlich eine lange Zeit, in der man sich auch persönlich entwickelt. Man muss sich ja auch immer neu justieren, sowohl auf die äußeren Umstände, als auch untereinander. Vor allem auch in den Phasen, in denen es vielleicht mal nicht so rund läuft. Wir sind sehr dankbar, dass uns das bis jetzt geglückt ist und wir weiterhin das machen dürfen, was wir lieben.
Es gab viele tolle und prägende Momente in der Zeit, aber besonders in Erinnerung geblieben ist uns, als Dixon den Joakim-Remix von Antena im Weekend in Berlin gespielt hat, und wir das Ding zum ersten mal im Club gehört haben. Da sind wir vor Freude in die Luft.
Als Betreiber eines Plattenlabels, hat man bestimmt eine große Sammlung an Platten. Wie viel Vinyl besitzt ihr schätzungsweise? Habt ihr einen All-Time-Favorite?
Benjamin: Ich hab’s nie gezählt, aber so über den Daumen gepeilt würde ich sagen ca. 4000. Die Sammlung ist auch immer noch im Wandel, es kommen neue Sachen dazu, aber ich habe auch gerade ein paar Platten verkauft. Über die Jahre im Plattenladen war es einfacher, da konnte ich auch immer mehr Sachen mitnehmen, oder auch wieder zurückstellen. All-Time-Favorite ist für mich immer sehr schwer zu beantworten. Das ändert sich auch stark je nach Stimmung.
Tom: Bei mir sind es schätzungsweise 2000 Platten. Ich hatte auch schon mal um die 4000, habe aber die letzten Jahre etliches verkauft. Die meisten Platten in einem Jahr hab ich wohl 1999 gekauft, als ich für ein Jahr in London an der Uni war. Ich hab sicher mehr Zeit mit den Vinyl Exchange-1-Pfund-Fächern verbracht, als an der Uni. Die Jahre danach, als ich bei Compost gearbeitet habe, waren auch toll. Was Vinyl angeht, war das sicher meine aufregendste Zeit. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Damals ging es ja nur ums Vinyl, die Auflagen waren enorm, und allein schon die Vinyl-Promopakete die jeden Tag im Compost-Office ankamen, waren ein Erlebnis!
In jeder Sammlung stecken auch meistens ein paar wertvolle und alte Schätze. Welche ist eure wohl älteste Platte?
Benjamin: Als ich ein Kind war, haben meine Eltern ein Jahr in Amerika gelebt und dort viele Jazz- und Blues-Platten gekauft, die ich oft gehört habe. Die früheste Erinnerung an Platten, die ich habe, sind eine Greatest Hits-Platte von Ray Charles und George Lewis. Später habe ich diese Platten dann zum scratchen auf dem Plattenspieler meiner Eltern verwendet, was sowohl die Platten als auch den Plattenspieler ruiniert hat.
Tom: Kann ich nicht genau sagen, ich habe etliche Rockplatten aus den 60igern, denke das werden so die Ältesten sein. Wertvolle Schätze gibts schon einige, aber das sind eher so persönliche Schätze. Der monetäre Wert der Platten ändert sich im Laufe der Jahre ja eh recht stark, hängt halt immer davon ab, was gerade angesagt ist.
Was können wir in diesem Jahr noch von Permanent Vacation erwarten?
Tom: Gerade ist das Album von Aera,“The Sound Path“, erschienen, mit dem wir sehr happy sind. Und dann wird es noch zwei Compilations geben dieses Jahr. Außerdem ein Reissue, und es gibt neues Material von Tuff City Kids, Mount Liberation Unlimited, Christian S, Bostro Pesopeo, von uns selber und noch einige Überraschungen.
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